Bauteile auf Wafer
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Strategischer Deal

Japan rüstet im „Chipkrieg“ auf

Das Thema Mikrochips und Monopole hat längst geopolitische Dimensionen erreicht. Die USA und China führen einen „Chipkrieg“, nun rüstet auch Japan mit einer milliardenschweren Übernahme auf. Ein Staatsfonds kauft den Konzern JSR, der in der Halbleiterindustrie eine globale Rolle spielt, und besetzt damit eine Schnittstelle in den internationalen Lieferketten.

Mehrere internationale Medien hatten letzte Woche von den Übernahmeplänen berichtet, am Montag widmeten sich „Financial Times“ und „Asia Times“ den strategischen Seiten des Geschäfts. Bei diesem geht es im Kern darum, dass der Staatsfonds Japan Investment Corporation (JIC) den Chemie- und Technologiekonzern JSR Corporation für umgerechnet knapp sieben Milliarden Euro kaufen und später von der Börse nehmen will.

Das Unternehmen kontrolliere ein „kritisches Glied“ in der globalen Lieferkette für Halbleiter, schrieb die „Financial Times“, der Deal solle „das japanische Arsenal im Chipkrieg zwischen den USA und China stärken“. Dieser scheint laut unterschiedlichen Medienberichten praktisch fix, JSR habe das Angebot, hinter dem das japanische Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) steht, letzte Woche angenommen. Der „Chipkrieg“ habe „primär“ geopolitische Gründe.

Weit weg vom Ziel Autarkie

In der „Asia Times“ war am Montag die Rede von einer „Verstaatlichung“ des Konzerns. Diese zeige, dass Tokio in diesem kritischen Technologiesektor privatem Kapital nicht mehr traue. Kritisch ist der Sektor vor allen deshalb, weil er von einigen wenigen, hoch spezialisierten Unternehmen kontrolliert wird.

JIC-Logo
Reuters/Kim Kyung-Hoon
Über den Staatsfonds JIC übernimmt praktisch der Staat mit externer Finanzierung den JSR-Konzern

Autarkie in der Versorgung haben inzwischen mehrere Länder als Ziel ausgegeben, sie sind davon aber noch weit weg. Selbst den Autarkiegrad der USA hatte das „Wall Street Journal“ in einem Artikel 2021 bei etwa zwölf Prozent angesetzt, Tendenz seit den 1990er Jahren sinkend.

Lieferkettenprobleme wurden offensichtlich

Lieferkettenprobleme vor allem während und unmittelbar nach der Coronavirus-Pandemie haben praktisch der ganzen Welt diese Problematik unmittelbar vor Augen geführt. Sie bremsten ganze Industriezweige aus, darunter nicht nur die Elektronik-, sondern etwa auch die Fahrzeugindustrie.

Dazu kommen geopolitische Unsicherheiten. Der weltweit drittgrößte Chiphersteller nach Intel (USA) und Samsung (Südkorea) und der weltweite größte Auftragsfertiger, die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company Limited (TSMC) hat ihren Sitz – wie der Name sagt – in Taiwan, vor dessen Küste China regelmäßig militärisch die Muskeln spielen lässt. Den „Chipkrieg“ zwischen Washington und Peking bekommt auch der Rest der Welt zu spüren.

An kritischer Schnittstelle

Im Fall von JSR wolle die Regierung in Tokio mit der Übernahme, die Anfang 2024 über die Bühne gehen solle, auch verhindern, dass ausländische Investorinnen und Investoren nach dem Unternehmen greifen, schrieb die „Asia Times“. Auch der US-Wirtschaftsnachrichtensender CNBC strich zuletzt den Aspekt Autarkie hervor und sah JSR an einer Schaltstelle der globalen Lieferkette für Halbleiter.

JSR-Hauptquartier in Tokio
APA/AFP/Yuichi Yamazaki
Die Halbleiterindustrie ist ein hoch spezialisierter Sektor – JSR einer der weltweit wichtigsten Zulieferer von Komponenten

Das Unternehmen, gegründet 1957 als Japan Synthetic Rubber Corporation, ist in der Sparte Mikrochips auf die lichtempfindlichen Beschichtungen der Leiterplatten spezialisiert. JSR ist auch in den Bereichen Chemie und Biopharmazie aktiv, hat knapp 8.000 Beschäftigte und erzielt laut eigenen Angaben einen Jahresumsatz von rund 409 Milliarden Yen, umgerechnet etwa 2,6 Milliarden Euro. Vorstandsvorsitzender ist der US-Amerikaner Eric Johnson.

Hoher Weltmarktanteil

Er sah die Übernahme durch den Staatsfonds „nicht als De-facto-Verstaatlichung“, wie ihn die „Financial Times“ zitierte, auch, wenn dahinter staatliche Kapital stehe. Es gebe eine – nicht näher erklärte – „Trennung“, das Ziel des Staatsfonds sei es, Japan in der Sparte international wettbewerbsfähiger zu machen. „Das ist kein Staatseigentum.“

Laut „Financial Times“ hält JSR einen Weltmarktanteil von 30 Prozent bei Fotolacken, lichtempfindlichen Chemikalien, auf die das Schaltungsdesign von Chips gedruckt wird. Kunden sind etwa auch die erwähnten Branchenriesen Samsung, Intel und TSMC.

Der „Chipkrieg“ eskaliert

Japans Ambitionen für eine stärkere Industrie für Halbleitermaterialien hätten sich in den letzten Monaten klarer abzuzeichnen begonnen, schrieb die britische Wirtschaftszeitung, nämlich nachdem der Handelskrieg zwischen den USA und China eskaliert hatte.

Im Bereich Halbleiterindustrie (und nicht nur dort) will Washington mit allen möglichen Mitteln verhindern, dass die Volksrepublik bestimmte Produkte selbstständig herstellen bzw. weiterentwickeln kann und versucht daher unter anderem, einen Technologietransfer zu unterbinden.

Alle gegen China

Diesem US-Versuch schloss sich neben anderen Ländern auch Japan an und schränkte laut „Financial Times“ im März den Export von Technologie, die zur Herstellung von Chips benötigt wird, deutlich ein. Die Niederlande wollen in einem nächsten Schritt praktisch dasselbe tun. Sie zählen in der Halbleiterindustrie insofern zu den Großmächten, als das Unternehmen ASML Holding N. V. der weltweit größte Anbieter von Lithografiesystemen für die leistungsstärksten Chips ist.

Arbeiterin hält Wafer
IMAGO/Xinhua/Ji Chunpeng
China will in der Halbleiterindustrie ganz vorne mitmischen – und wird blockiert

Schon Ex-US-Präsident Donald Trump hatte seinerzeit in den Niederlanden für Exportverbote in Richtung China lobbyiert, unter seinem Nachfolger Joe Biden erreichte der „technologische Kalte Krieg“, wie ihn die „New York Times“ nannte, einen neuen Höhepunkt.

Zuletzt vereinbarten Japan und die EU, ihre Zusammenarbeit für einen unterbrechungsfreien Nachschub mit Chips zu verstärken. „Es ist äußerst wichtig, die Halbleiterlieferkette zu sichern“, sagte EU-Industriekommissar Thierry Breton am Montag in Tokio. Dort vereinbarte er unter anderem eine gemeinsame Überwachung der Lieferkette sowie einen Austausch von Wissenschaftlern und Technikerinnen. Darüber hinaus stellt die EU japanischen Chipherstellern staatliche Hilfen für den Ausbau der Produktion in Europa in Aussicht.

China beschränkt Exporte wichtiger Rohstoffe

Als Reaktion auf westliche Sanktionen beschränkt China den Export bestimmter, für die Chipherstellung wichtiger Rohstoffe. Um die strategischen Interessen und die Sicherheit der Volksrepublik zu sichern, müsse ab dem 1. August für die Ausfuhr von Gallium- und Germaniumprodukten eine Lizenz beantragt werden, teilte das Handelsministerium in der Nacht zum Dienstag mit.

„Gallium und Germanium sind seltene Erden, die sehr wichtig für die Herstellung einer Reihe von Technologieprodukten sind“, sagte Peter Arkell, Chef des Verbandes Global Mining Association of China. Die Volksrepublik sei der dominierende Lieferant. „Es ist Wunschdenken, zu glauben, dass ein anderes Land China kurz- oder selbst mittelfristig ersetzen kann.“ Die Beschränkungen träfen die USA, wo es wehtue.