Einsatzfahrzeuge in Dschenin, schwarzer Rauch im Hintergrund
Reuters/Raneen Sawafta
Große Militäroffensive

Tote bei Israels Angriff in Westjordanland

Bei der größten Militäroffensive Israels im Westjordanland seit zwanzig Jahren hat es am Montag mehrere Tote gegeben. In der Stadt Dschenin wurden mindestens acht Palästinenser getötet, hieß es vom zuständigen Gesundheitsministerium. Der Angriff Israels richtete sich eigenen Angaben zufolge gegen „terroristische Infrastruktur“. Die Region gilt als Hochburg militanter Palästinenser.

Die Operation „Heim und Garten“ dauerte auch am Montagnachmittag noch an. Neben den Todesopfern gab es auch Dutzende Verletzte, davon mehrere in kritischem Zustand, teilte das palästinensische Ministerium mit. Zudem sei nahe Ramallah ein palästinensischer Jugendlicher von den „Besatzern“ erschossen worden. Unklar ist bisher, ob es sich bei den Toten um Kämpfer militanter Islamisten oder unbeteiligte Anrainerinnen und Anrainer handelte.

Mehrere gezielte Luftangriffe in der Nacht hätten unter anderem ein Waffenlager, einen Versammlungsort für Terroristen und ein auch als Beobachtungsposten genutztes Kommando- und Kommunikationszentrum getroffen, teilte die israelische Armee mit.

Schwarzer Rauch über Dschenin im Westjordanland
AP/Majdi Mohammed
Das israelische Militär rückte in Dschenin vor

Palästinensischen Berichten zufolge kam es in ganz Dschenin zu Stromausfällen. Auf Videos waren mehrere zerstörte Straßen zu sehen. Auch das „Freedom Theatre“ im Zentrum der Stadt wurde getroffen, wie die Kultureinrichtung bestätigte. Israels Armee war kurz nach den Luftangriffen mit rund hundert Militärfahrzeugen und Bodentruppen in die Stadt eingerückt. Palästinensischen Berichten zufolge kam es daraufhin zu Kämpfen.

Operation „so lange wie nötig“

Der israelische Armeesprecher Richard Hecht sagte, die Operation werde „so lange wie nötig“ dauern. Die Armee konzentriere sich auf das Flüchtlingslager in Dschenin. Dort seien in der Nacht „mindestens sieben Terroristen neutralisiert“ worden. Unklar war, ob sie getötet wurden. Laut Hecht wurden seit letztem Jahr mehrere Dutzend Angriffe auf Israelis von Bewohnern des Lagers ausgeführt.

Grafik zum Westjordanland
Grafik: APA/ORF; Quelle: peacenow.org.il

Laut BBC hat die Armee „keine Absicht“, das Flüchtlingslager zu besetzen, und berief sich dabei auf einen hochrangigen Offizier. Derzeit würden „Razzien auf der Grundlage genauer Informationen durchgeführt“. Es kämen „spezielle Kampftechniken“ für die Kriegsführung in bebauten Gebieten zum Einsatz, um die Zahl der zivilen Opfer zu reduzieren. Bisher gab es rund 20 Festnahmen. Die Operation sei „weder zeitlich noch räumlich begrenzt“, hieß es laut BBC weiter. Eine mit den Plänen des Militärs vertraute Person sagte am Nachmittag, es würden noch mindestens 24 Stunden für die Offensive benötigt.

Der Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, Nabil Abu Rudaina, verurteilte den israelischen Einsatz und sprach von einem „neuen Kriegsverbrechen“. Er rief die internationale Gemeinschaft auf, „ihr beschämendes Schweigen zu brechen und ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen“. Bis auf Weiteres wurde der Kontakt und die Sicherheitskoordination mit Israel ausgesetzt. Abbas hat die Koordinierung mit Israel in der Vergangenheit bereits mehrfach während früherer Gewaltausbrüche vorübergehend ausgesetzt.

Hamas ruft zu Mobilisierung auf

Neben der im Gazastreifen herrschenden Hamas haben in den letzten Jahren auch der militante Islamische Dschihad sowie weitere lose Gruppierungen in Dschenin an Einfluss gewonnen. Die Hamas rief in der Früh zur Mobilisierung der Palästinenser im Westjordanland auf und sicherte ihren Kämpfern im Dschenin Unterstützung zu. Ein Sprecher des Islamischen Dschihad teilte mit: „Solange diese Aggression nicht aufhört, werden die Reaktionsmöglichkeiten breit und umfassend sein.“

Militäroffensive Israels

ORF-Korrespondent Tim Cupal meldet sich aus Tel Aviv. Er analysiert, wie sich der Konflikt im Westjordanland nach dem Start der Großoffensive seitens Israels weiter verschärfen könnte.

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant teilte mit, die Armee werde in Dschenin weiter „proaktiv und entschlossen vorgehen“. Israels Verteidigungsapparat sei auf jedes Szenario vorbereitet. Die Sicherheitslage in Israel und den palästinensischen Gebieten ist seit Langem angespannt und hatte sich zuletzt nochmals verschärft. Unter anderem aus der Regierung wurden zuletzt Rufe nach einer großangelegten Militäroffensive laut.

Zuletzt kam es vor gut 20 Jahren während des zweiten Palästinenseraufstandes (2000–2005) zu einem vergleichbaren Einsatz. Im Jahr 2002 lieferten sich israelische Soldaten und militante Palästinenser in den engen Gassen des Lagers tagelange Gefechte. Mehr als 50 Palästinenser und 23 israelische Soldaten wurden damals getötet.

USA bekräftigen Israels Recht auf Selbstverteidigung

Nach dem Einsatz der israelischen Armee im Westjordanland bekräftigten die USA Israels Recht auf Selbstverteidigung – und riefen das Land zu einer Wiederaufnahme der Sicherheitskooperation mit der Palästinensischen Autonomiebehörde auf. „Wir unterstützen Israels Sicherheit und sein Recht, die Bevölkerung gegen die Hamas, den Palästinensischen Islamischen Dschihad und andere terroristische Gruppen zu verteidigen“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington am Montag.

Tote bei Israels Angriff in Westjordanland

Bei der größten Militäroffensive Israels im Westjordanland seit zwanzig Jahren hat es am Montag mehrere Tote gegeben. In der Stadt Dschenin wurden mindestens acht Palästinenser getötet, hieß es vom zuständigen Gesundheitsministerium.

Gleichzeitig sei es „zwingend notwendig, alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um den Verlust von Menschenleben zu verhindern“, fügte der Sprecher hinzu. US-Präsident Joe Biden hatte in den vergangenen Monaten wiederholt sowohl Israel als auch die Palästinenser im Konflikt zwischen beiden Seiten zur Zurückhaltung aufgerufen. Washington kritisierte mehrfach die rechtsgerichtete Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu wegen der wachsenden Zahl von Siedlungen in den besetzten Gebieten – ohne jedoch Konsequenzen zu fordern.