Polizisten und Absperrband
APA/Tobias Steinmaurer
Femizide

Hilfsangebote sollen bekannter werden

15 Frauen sind in Österreich allein in diesem Jahr ermordet worden, 13 davon einem Femizid zum Opfer gefallen. Die Bundesregierung beteuerte am Dienstag erneut, gegen solche tödliche Gewalt an Frauen vorzugehen. Unter anderem sollen Unterstützungsangebote für Frauen noch besser bekanntgemacht werden. Die Regierung berief sich dabei auch auf eine Studie, die am Dienstag präsentiert wurde.

Erst vor einem Tag musste hierzulande der inzwischen 15. Mord an einer Frau verbucht werden. Die Thematik Frauenmord habe damit erneut „an trauriger Aktualität gewonnen“, sagte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) am Dienstag im Zuge eines Pressegesprächs. Eingeladen hatte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), flankiert wurde er auf dem Podium neben Raab auch von Justizministerin Alma Zadic (Grüne).

Mit dabei waren überdies die Vorsitzende des Dachverbands der Gewaltschutzzentren Österreichs, Marina Sorgo, sowie Viktoria Eberhardt und Brigitte Temel vom Institut für Konfliktforschung. Die beiden Wissenschaftlerinnen präsentierten ihre Studie zu Frauenmorden in Österreich.

Viktoria Eberhardt, Brigitte Temel, Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Marina Sorgo
APA/Helmut Fohringer
Im Zuge des Pressegesprächs am Dienstag wurde auch eine neue Studie zum Thema Morde an Frauen präsentiert

Die Forscherinnen hatten für ihre Studie zum einen die Polizeiliche Kriminalstatistik der Jahre 2010 bis 2020 ausgewertet. Zum anderen hatten sie Gerichts- und Staatsanwaltschaftsakten aus den Jahren 2016 bis 2020 analysiert. Laut der Kriminalstatistik wurden in den untersuchten zehn Jahren 793 Frauen Opfer eines Mordes oder eines Mordversuchs.

Die Auswertung der Gerichtsakten ergab überdies, dass es sich bei fast drei Viertel der Morde um Femizide gehandelt hatte. Als Femizid definierten die Forscherinnen all jene Morde an Frauen, bei denen das Geschlecht eine entscheidende Rolle für die Tat gespielt hatte.

„Wissen, dass man Unterstützung bekommt“

Die Studie zeigt dabei unter anderem deutlich: Die überwiegende Mehrheit der Täter stand in einer Art von Beziehungsverhältnis zu ihrem Opfer. Laut der Analyse der Gerichtsakten waren 74 Prozent der Täter Partner oder Ex-Partner der Ermordeten. Gegen ein Fünftel aller Täter lag dabei bereits ein Betretungs- beziehungsweise Annäherungsverbot vor. 25 Prozent der Opfer hatten den späteren Täter in der Vergangenheit bereits angezeigt. Zugleich ergab sich – zumindest aus dem Studium der Akten –, dass sich die betroffenen Frauen an Unterstützungseinrichtungen gewandt hatten.

Neue Studie zu Femiziden

ORF-Reporterin Andrea Kandioler-Kiml erklärt, welche Erkenntnisse die neue Studie zu Femiziden gebracht hat.

Entsprechend sahen sowohl die Studienautorinnen als auch die Regierungsmitglieder hier eine besondere Aufgabe für Politik und Gesellschaft. Wenn sich Frauen Hilfe und Unterstützung in Beratungseinrichtungen suchten, müsse das noch stärker enttabuisiert werden, sagte Raab. Die Frauenministerin will behördliche Einrichtungen bekannter machen. Zugleich sollen – auch mit Mitteln des Bundes – von den Ländern mehr Schutz- und Übergangswohnungen für gewaltbedrohte Frauen zur Verfügung gestellt werden.

Auch Zadic betonte den Aspekt der Unterstützung für Frauen, die Gewalt erfahren. Ein Schritt sei, Gewaltschutzzentren bekannter zu machen, an die sich Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, wenden können – auch ohne gleich eine Anzeige machen zu müssen. „Jede Frau, jedes Mädchen muss wissen, dass man Unterstützung bekommen kann.“

Maßnahmen bei Polizei

„In neun von zehn Fällen waren die betroffenen Frauen vorher nicht bei der Polizei oder bei einer Gewaltschutzeinrichtung“, sagte auch Marina Sorgo, Bundesverbandsvorsitzende der Gewaltschutzzentren. Hier müsse man mit breiter Information ansetzen, aber auch mit dem Bemühen, das Vertrauen von Betroffenen auch mit Migrationshintergrund in die Polizei zu stärken.

Innenminister Karner sah hier bereits erste Schritte der Exekutive: So sei die Zahl der Präventionsbediensteten von 500 auf 1.200 erhöht worden, seit eineinhalb Jahren gehe mit einem Betretungsverbot zudem ein automatisches Waffenverbot einher. Er kündigte einen weiteren Ausbau der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen bei Hochrisikofällen – heuer gab es bis Ende Mai bereits rund 100 – und eine Präventionskampagne an.

Prävention zentral bei Kampf gegen Femizide

Die Bundesregierung will stärker gegen Femizide vorgehen. Dazu wurde eine aktuelle Studie präsentiert, die zeigt, dass das Risiko für Frauen dann besonders hoch ist, wenn sie sich von ihrem Partner trennen wollen – der Fokus müsse also auf der Prävention liegen.

Bessere Analyse empfohlen

Karner will außerdem eine verbesserte Datenbasis schaffen. Möglich machen soll das eine genauere Protokollierung der einzelnen Gewaltfälle. Einer besseren Analyse der Fälle soll auch ein im Justizministerium angesiedelter strukturierter Dialog dienen. Einmal jährlich würden sich Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaft und Opferschutzeinrichtungen austauschen, so Zadic.

Grafik zu Morden an Frauen
Grafik: APA/ORF; Quelle: BMI

Eine bessere Analyse von Femiziden ist auch eine der Empfehlungen der Studie. Um zu wissen, wo die Behörden ansetzen sollen, seien zeitnahe qualitative Analysen von Femiziden nötig, wobei alle involvierten Einrichtungen einbezogen werden müssten. Ein Problem sei derzeit noch, dass Datenschutz mitunter im Konflikt mit Opferschutz und Forschung stehe, was den Informationsaustausch behindere. Stärkeres Augenmerk müsse auch auf die psychische Gesundheit von Gefährdern gelegt werden, die Rolle des Gesundheitssystems in der Gewaltprävention gehöre aufgewertet.

Beratung für Männer

Ein Punkt, der auch das Gesundheitssystem betrifft, sind die von der Regierung geplanten Gewaltambulanzen. Als Anlaufstelle für Frauen nach einer Gewalterfahrung sollen dort auch Beweise für eine mögliche spätere Anzeige gesammelt werden. Vergangenes Jahr hatte die Regierung das Konzept das erste Mal vorgestellt. In einer Studie ließ die Regierung inzwischen ausarbeiten, wie solche Ambulanzen aussehen könnten. Sie gehe davon aus, „dass wir im Herbst das Ganze präsentieren können“, so Zadic.

SPÖ und NEOS mit eigenen Forderungen

Der SPÖ blieb diese Ankündigung zu unkonkret. „Es gibt auch auf Nachfrage der Medienvertreter*innen keinen konkreten Zeitplan für die Gewaltschutzambulanzen, nur vage Absichtserklärungen“, so SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner in einer Aussendung. Zugleich erneuerte Holzleitner die Forderung der SPÖ nach einem „permanenten Krisenstab von Justiz-, Frauen-, Innenministerium mit den Gewaltschutzeinrichtungen“. Ein Treffen im Jahr, wie von Zadic genannt, könne „nicht alles sein“, so Holzleitner.

Die FPÖ nahm die Pressekonferenz zum Anlass für Kritik an der ÖVP. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker stellte die zuletzt hohe Zahl an Asylanträgen als Versagen des Innenministeriums dar. „Grausame Frauenmorde“ seien ein Ergebnis der „ÖVP-Politik“, so der FPÖ-Politiker.

Dass sich so wenige Frauen Hilfe gesucht hätten, müsse „ein Weckruf für die Regierung sein“, reagierte NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter. „Denn das zeigt, dass ÖVP und Grüne beim Gewaltschutz sehr planlos unterwegs sind und das Angebot nach wie vor nicht bekannt und niederschwellig genug ist. Wir fordern daher ein Buddy-System, damit Frauen, die sich nach Gewalterfahrungen erstmals an das System wenden, eine Vertrauensperson haben, die sie bei jedem behördlichen, gerichtlichen, polizeilichen und gesundheitlichen Schritt begleitet“, so Brandstötter.