Luftansicht zweier Mähdrescher während der Arbeit auf einem Weizenfeld
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Die großen Unbekannten im Getreidehandel

Im globalen Rohstoffhandel teilen sich relativ wenige Akteure den Großteil des Marktes. Insbesondere gilt das für Getreide. Der breiten Öffentlichkeit bekannt sind Namen wie Bunge und Viterra kaum. Aktuell entsteht durch eine Fusion der beiden ein neuer Riese. Kaum mehr als eine Handvoll großer Unbekannter dominiert inzwischen das weltweite Geschäft praktisch vom Feld in Richtung Teller.

Mitte Juni gaben die beiden Konzerne Bunge und Viterra Fusionspläne bekannt. Bunge hat seinen Unternehmenssitz in Hamilton (Bermudas), hinter Viterra mit Sitz in Rotterdam (Niederlande) steht maßgeblich das größte Schweizer Unternehmen Glencore Xstrata. Zumindest das ist als globale Nummer eins im Rohstoffhandel und Bergbaugeschäft relativ bekannt.

Die Übernahme von Viterra soll Bunge, bisher notiert an der New Yorker Börse (NYSE), laut Presseaussendung vom Juni an die 18 Milliarden Dollar (rund 16,5 Mrd. Euro) kosten. Bunge zahlt 6,2 Mrd. Dollar in Aktien, zwei Mrd. Dollar in bar und übernimmt weitere knapp zehn Mrd. Dollar an Verpflichtungen von Viterra. Glencore behält eine Beteiligung in Aktien. Die Fusion soll Mitte 2024 komplett sein.

Globale Netze enger gespannt

Bunge – mit Anfängen im Jahr 1818 in Amsterdam – beschäftigt laut eigenen Angaben aktuell über 23.000 Menschen an rund 300 Standorten in über 40 Ländern in Nord- und Südamerika, Afrika, Europa und Australien. Der Unternehmenssitz auf den Bermudas habe, wie die „Financial Times“ in einem Kommentar zu den Fusionsplänen schrieb, steuerliche Gründe, die operative Unternehmenszentrale befindet sich in St. Louis (US-Bundesstaat Missouri).

Weizenterminal der Firma Viterra in Melfort, Saskatchewan, Kanada
IMAGO/ingimage
Weizenterminal von Viterra in der kanadischen Provinz Saskatchewan

Durch die Übernahme knüpft der neue Riese im Agrobusiness, der weiter unter dem Namen Bunge firmieren soll, sein globales Netzwerk noch enger und rückt weiter an die Weltmarktspitze heran. Laut „Financial Times“ wird der Konzern nach der Fusion die globale Nummer zwei im Getreidehandel sein.

Die Marktmacht von „ABCD“

Lange wurden die Top Vier in dieser Sparte als „ABCD“ zusammengefasst: Archer Daniels Midland (ADM, USA), Bunge, Cargill (USA) und Louis Dreyfus Company (LDC, Niederlande bzw. Schweiz). Die größten nach Umsatz sind bisher Cargill (165 Mrd. Dollar im Jahr 2022) und ADM (rund 102 Mrd. Dollar). Bunge setzte im Vorjahr rund 67 Mrd. Dollar um. Cargill war laut Ranking des US-Wirtschaftsmagazins Forbes 2021 das größte nicht an der Börse notierte Unternehmen der Vereinigten Staaten.

Gemeinsam haben die Weltmarktführer, dass sie längst nicht mehr allein im Handel etwa mit Getreide, sondern praktisch entlang der gesamten Wertschöpfungskette aktiv sind: Sie verkaufen Saatgut, Dünger, kaufen und verarbeiten Agrarrohstoffe weiter zu Nahrungsmitteln, produzieren Tierfutter und Treibstoffe. Sie transportieren, handeln und lagern landwirtschaftliche Produkte, Cargill und die LDC führen eigene Hedgefonds, der private Mischkonzern LDC ist außerdem im Schiffsbau und auf dem Immobilienmarkt aktiv.

Vom Feld in Richtung Teller

Bunge ist der weltweit größte Verarbeiter von Ölsaaten wie Sonnenblumen, liefert Düngemittel nach Südamerika, stellt Haustierfutter und Biotreibstoffe her. Das Unternehmen war vor allem auch in der Ukraine aktiv, gab im Mai 2022 allerdings in einer Presseaussendung bekannt, wegen des Krieges dort die Produktion von Bunge Ukraine vorübergehend einzustellen. Das US-Unternehmen hat auch eine Niederlassung in Niederösterreich.

Zwei Arbeiter auf einem Schiff mit Weizen
Reuters/Thomas Peter
Lager, Handel, Schiffstransport, Weiterverarbeitung: Wenige teilen sich einen großen Markt

Gemeinsam ist den großen Unbekannten – oder unbekannten Großen – im globalen Geschäft mit landwirtschaftlichen Gütern nicht nur, dass sie mittlerweile, wie es im Fachjargon heißt, von „upstream“ (Handel, Lagerung, Hafeninfrastruktur) bis „downstream“ (Verarbeitung) aktiv sind, sondern auch auf eine lange Geschichte zurückblicken: Bunge wurde 1818 in Amsterdam gegründet, LDC 1851 ebenfalls in den Niederlanden, Cargill 1865 in den USA, ADM 1902 ebenso in den USA. Aus Ölmühlen und Handelsunternehmen für Getreide wurden multinational aktive Konzerne, es entwickelte sich eine starke Marktkonzentration.

Sehr starke Marktkonzentration

Der Markt habe sich seit den 1970er Jahren stark verändert, schrieb die „Financial Times“ in ihrem Kommentar zur Fusion von Bunge und Viterra Mitte Juni unter dem Titel „Die undurchsichtige Welt des globalen Lebensmittelhandels“. Was bleibe, seien Bedenken dahingehend, dass einige wenige Unternehmen diesen mittlerweile fest im Griff hätten. Verlässliche Zahlen dazu gebe es nicht, manche Einschätzungen gingen davon aus, dass das Quartett „ABCD“ 70 bis 90 Prozent des globalen Getreidehandels kontrolliere.

Diese Zahlen tauchten schon vor zehn Jahren auf, dürften laut „Financial Times“ allerdings zu hoch angesetzt sein. Andere Schätzungen belaufen sich auf 50 bis 70 Prozent. Auch die staatliche China Oil and Foodstuffs Corporation (COFCO) und Wilmar International Limited (Singapur) spielen inzwischen ganz vorne mit.

Der dünne Hals der „Sanduhr“

Kritik wurde laut, nachdem 2022, inmitten einer globalen Nahrungsmittelkrise, bedingt bzw. verschärft durch den Ukraine-Krieg und eine weltweite Teuerungswelle, teils hohe, zweistellige Umsatzsteigerungen in der Branche publik geworden waren.

Die Dominanz einiger weniger in der Branche sei inzwischen Grund zu Sorge, kommentierte die „Financial Times“ und verwies zur Veranschaulichung der Marktsituation auf das „klassische“ Sanduhrmodell: Nach diesem muss eine sehr große Zahl an Produzenten eine ebenso große Anzahl an Konsumenten versorgen. Der dünne Hals, durch den der „Sand“ fließt, besteht mittlerweile aus einer kleinen Zahl von Händlern und Verarbeitern, die den globalen Markt dominieren.