Frau geht auf Straße in Jenin
AP/Majdi Mohammed
Westjordanland

Israel beendet Militäreinsatz in Dschenin

Israels Militär hat seinen Einsatz in Dschenin im Westjordanland offiziell beendet. Alle Soldaten seien abgezogen, hieß es von der Armee am Mittwoch. Das Militär kehre zurück zu seinen „Routineaktivitäten“ im Westjordanland. In der Nacht wurden aus dem Gazastreifen Raketen abgeschossen, Israel reagierte mit Luftangriffen.

Am späten Dienstagabend begann die Armee mit dem Abzug aus Dschenin, wo rund 50.000 Menschen leben – ein Drittel davon in einem Flüchtlingslager, das die Armee wie ganz Dschenin als Rückzugsgebiet für palästinensische „Terroristen“ betrachtet. Als erste Soldaten und Soldatinnen die Stadt verließen, kam es palästinensischen Berichten zufolge zu heftigen Feuergefechten zwischen der Armee und bewaffneten Bewohnern sowie zu mehreren Explosionen. Laut Militär wurde ein Soldat im Kampf getötet.

Israels Armee war am Montag nach flankierenden Luftangriffen mit rund tausend Soldaten und Soldatinnen in Dschenin eingerückt. Es war der größte Militäreinsatz im besetzten Westjordanland seit zwei Jahrzehnten. Es wurden mindestens zwölf Palästinenser getötet und mehr als hundert verletzt. Ziel der Operation „Heim und Garten“ war laut Israels Armee, „terroristische Infrastruktur“ in der Hochburg militanter Islamisten zu zerschlagen.

Personen schieben zerstörtes Auto von Straße
Reuters/Ammar Awad
Bei den Angriffen wurden auch viele zivile Ziele getroffen

Bei den Angriffen wurde auch zivile Infrastruktur angegriffen und viel zerstört, Bulldozer der Armee hinterließen beschädigte Straßen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigte, dass mindestens zwei Spitäler angegriffen worden seien. Schon zuvor hatten UNO- und Hilfsorganisation heftig kritisiert, dass der Zugang von Helfern und Helferinnen in das Flüchtlingslager von Dschenin blockiert sei.

Unterdessen kehrten am Mittwoch die Bewohnerinnen und Bewohner in ihre Häuser und Wohnungen zurück. Der Zivilschutz suche derweil nach explosiven Überresten des Einsatzes und überprüfe Häuser und Straßen auf Schäden, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa.

Raketenalarm auch in Israel

In der Nacht auf Mittwoch gab es in Israel Raketenalarm. Aus dem Gazastreifen seien fünf Geschoße auf das israelische Grenzgebiet abgefeuert worden, teilte das Militär mit, alle seien abgefangen worden. In der Region waren mehrere Explosionen zu hören, ausgelöst vermutlich durch das Raketenabwehrsystem „Iron Dome“.

Israel: Soldaten ziehen aus Dschenin ab

Während des von Gefechten begleiteten Abzugs israelischer Truppen aus der palästinensischen Stadt Dschenin im Westjordanland ist Raketenalarm an der Grenze zum Gazastreifen ausgelöst worden. In der Stadt Tel Aviv wurden am Mittwoch bei einem Anschlag sieben Menschen verletzt. Bei einem Einsatz kamen darüber hinaus ein israelischer Soldat und mindestens zwölf Palästinenser ums Leben.

Kurz darauf flogen israelische Kampfjets Luftangriffe auf den Gazastreifen, bei denen nach Armeeangaben eine unterirdische Waffenproduktionsstätte und eine Raketenfertigung der Hamas getroffen wurden. Die extremistische Palästinenserorganisation herrscht seit ihrer gewaltsamen Machtübernahme 2007 im Gazastreifen und spricht dem Staat Israel das Existenzrecht ab. In dem abgeriegelten Küstengebiet leben mehr als zwei Millionen Menschen unter sehr schlechten Bedingungen.

Sonnenuntergang in Jenin
APA/AFP/Jaafar Ashtiyeh
Seit Montag war die Militäroperation im Gange

Netanjahu: „Kein einmaliger Vorgang“

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Dienstagnachmittag ein baldiges Ende des Einsatzes in Dschenin angedeutet. Die Aktion sei aber „kein einmaliger Vorgang, wir werden so lange wie nötig weitermachen“. Verteidigungsminister Joav Galant sagte, Dschenin sei in den vergangenen zwei Jahren zu einer Brutstätte für Terrorismus geworden – das sei nun vorbei. Neben der Hamas haben in der Region auch der Islamische Dschihad und weitere lose Extremistengruppierungen an Einfluss gewonnen.

Experten und Expertinnen bezweifeln, dass die jüngste Militäroperation im Westjordanland zu einer dauerhaften Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts beitragen kann – eher im Gegenteil. Der Einsatz könne zwar helfen, Anschläge zu vereiteln und einzelne Kämpfer auszuschalten, sagte Tamir Hajman, Leiter des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien an der Universität Tel Aviv. „Aber nur die politische Aktion wird langfristig für Stabilität sorgen.“

Tiefe Gräben

Die von den Vereinten Nationen als völkerrechtswidrig kritisierte Siedlungspolitik der Regierung Netanjahu, in der derzeit auch jüdische Nationalisten und Rechtsextreme am Kabinettstisch sitzen, hat die Gräben zuletzt weiter vertieft. Seit Beginn des Jahres kamen zwei Dutzend Menschen bei Anschlägen von Palästinensern ums Leben. Im gleichen Zeitraum wurden mehr als 150 Palästinenser bei gewaltsamen Zusammenstößen, israelischen Militäreinsätzen oder nach eigenen Anschlägen erschossen.

Erst am Dienstag verletzte ein palästinensischer Angreifer bei einem Anschlag in Tel Aviv mindestens sieben Menschen. Er war an einer Bushaltestelle in eine Fußgängergruppe gerast und hatte anschließend auf sie eingestochen. Die Hamas sprach nach der Attacke von einer „ersten Reaktion“ auf die Geschehnisse in Dschenin. Laut Hamas war der Angreifer ein Mitglied der Palästinenserorganisation.