„Any Wear, Anywhere“ (deutsch: jedes Gewandstück, überall) – damit wirbt Japan Airlines (JAL) für ihr neues Bekleidungsverleihprogramm. Seit Mittwoch können Passagiere und Passagierinnen, die nach Japan fliegen, Gewand reservieren, das in ihre Unterkunft geliefert wird. Man wolle den Gästen ein „Reiseerlebnis mit minimalem Gepäck“ liefern, so die Fluggesellschaft in einer Mitteilung.
Umgesetzt wird das Programm, das bis nächsten Sommer auf Probe läuft, durch den Handelsriesen Sumitomo. Das Unternehmen wird für die Beschaffung, Wäsche und Lieferung des Gewands verantwortlich sein. Das Leihgewand werde aus Überbeständen und gebrauchtem Gewand gewonnen, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens.
Kooperation will nachhaltigen Tourismus fördern
Ziel des Programms sei, den nachhaltigen Tourismus zu stärken. Denn durch die geringere Frachtlast in Flugzeugen könne zum einen CO2-Ausstoß reduziert werden. Zum anderen werde der ökologische Fußabdruck von Touristen und Touristinnen geringer, wenn diese Gewand, das lokal produziert und gewaschen werde, ausleihen. Durch das Angebot verlängere sich die Lebensdauer des eigenen Gewands, was wiederum Abfall verringere und Konsum nachhaltiger mache.
Flugzeuge
Flugzeuge zählen zu den klimaschädlichsten Verkehrsmitteln. Der Anteil der Flugbranche am menschengemachten Klimawandel wird auf rund 3,5 Prozent geschätzt.
Über eine eigene Website können Touristen und Touristinnen, aber auch Geschäftsreisende das Gewand ausleihen. Das Programm bietet Gewand in Größen von klein bis extragroß und in Stilen, die als „casual“ und „smart casual“ bezeichnet werden. Zudem werden Sets je nach Jahreszeit angeboten. So kostet ein Sommerset, das aus drei Shirts und zwei Shorts besteht, umgerechnet rund 25 Euro. Zwei Wochen beträgt die maximale Leihdauer.
Grüne Luftfahrt, aber offene Fragen
Das Programm ist eine von zahlreichen Initiativen der Luftfahrt, um das Image der Branche trotz hoher Emissionswerte klimafreundlicher zu gestalten. Zuletzt hatte etwa das Medium „Nikkei Asia“ über einen Vorstoß Japans berichtet, laut dem künftig der Treibstoff von internationalen Flügen, die japanische Flughafen benützen wollen, mindestens zehn Prozent nachhaltig sein müsse. Eine entsprechende Verordnung soll 2030 in Kraft treten.
Die neue Initiative der Fluggesellschaft JAL erinnert hingegen vielmehr an das Konzept der „sharing economy“. Ressourcen sollen gemeinsam genutzt werden, das betrifft mittlerweile schon viele Lebensbereiche. Besonders bei Ausflügen oder auf dem Weg zur Arbeit wird geteilt, indem es Fahrgemeinschaften gibt. Ob Reisende ihre Kleiderwahl für eine ganze Reise einem ausländischen Unternehmen anvertrauen werden, bleibt freilich abzuwarten.
Wie viel CO2-Ausstoß durch das Verleihprogramm reduziert werden kann, ist unklar. Die Fluggesellschaft JAL plant jedenfalls, während des 14-monatigen Versuchs die Gewichtsveränderung des aufgegebenen Gepäcks der Passagiere und Passagierinnen zu beobachten und zu untersuchen. Laut dem auf Flugfahrt spezialisierten Medium Aerotime will Sumitomo den Service auf andere Fluggesellschaften ausweiten, sollte die Testphase erfolgreich verlaufen.
„Greenwashing“
Wenn Unternehmen sich für PR-Zwecke als nachhaltig und umweltfreundlich positionieren, das aber nicht sind, spricht man von „Greenwashing“. Das reicht von leeren Versprechen bis zu gezielter Täuschung.
Neue UNO-Vorgaben zunächst noch freiwillig
Nach der Coronavirus-Pandemie hat sich die Luftfahrtbranche erholt. Auch in Japan werden diesen Sommer wieder Millionen Touristen und Touristinnen erwartet. Wie Fluggesellschaften ihren CO2-Ausstoß reduzieren können, wird schon seit Jahren debattiert. Nach dem von den Vereinten Nationen (UNO) beschlossenen System Corsia sollen sie ab 2024 vorerst freiwillig ihren CO2-Ausstoß auf maximal 85 Prozent des Basisjahres 2019 begrenzen.
Corsia verlangt von den Fluglinien, den Ausstoß an Treibhausgas zu reduzieren oder diesen durch das Finanzieren von Klimaschutzprojekten auszugleichen. Das System wird erst ab 2027 verpflichtend, viele Fluglinien haben aber schon freiwillig mit Kompensationsprogrammen begonnen. Dass sich Firmen von ihren Emissionen freikaufen können, wird selbst in der Branche kritisch gesehen.
So bezeichnete der Chef von United Airlines, Scott Kirby, das System als „Greenwashing“, also als Etikettenschwindel. Er forderte, dass sich stattdessen Politik und Unternehmen auf den Ausbau der Produktion von klimaschonendem alternativem Flugbenzin (SAF) konzentrieren sollten. Dieser kommt nur langsam voran, sodass der Preis für den emissionsarmen Treibstoff noch hoch ist.