Blick über Caceres
IMAGO/Zoonar
Umwelt vs. „Green Deal“

Spaniens Dilemma mit dem Lithiumabbau

Seit Jahren wird gegen den geplanten Lithiumabbau im Westen Spaniens protestiert. Bisher gab es keine Abbaugenehmigung. Die grünen Pläne der EU und der russische Angriffskrieg in der Ukraine veränderten aber die Spielregeln. Auch die neuen regionalen politischen Kräfteverhältnisse in Spanien verleihen dem bekämpften Lithiumabbau Auftrieb. Der Konflikt zeigt einmal mehr den Spagat zwischen den ambitionierten Klimazielen der EU und den Umweltschäden auf dem Weg dorthin.

Kritische Rohstoffe wie eben Lithium, Kobalt und Kupfer sind wesentliche Treiber der grünen, digitalen Weiterentwicklung in Europa („Green Deal“). Die EU ist aber weitgehend auf Importe angewiesen. Bei der Aufbereitung von Lithium ist Europa zudem nahezu vollständig auf China angewiesen. Umso mehr ist die EU daran interessiert, die Rohstoffgewinnung innerhalb Europas zu fördern, rechnet die EU-Kommission doch damit, dass die Nachfrage nach Lithium bis 2030 um das 18-fache steigen wird.

Spanien könnte für die EU ein wichtiger Türöffner für diese Strategie sein. Eines der größten Lithiumvorkommen Europas liegt in der an der Grenze zu Portugal gelegenen, ländlichen Provinz Extremadura im Südwesten Spaniens. Mehrere Projekte befinden sich in der Warteschlange. Seit 2016 versucht etwa der australische Bergbaukonzern Infinity Lithium, vertreten in Spanien mit dem Ableger Extremadura New Energies, die Genehmigung für den Abbau zu bekommen. Fast ebenso lange dauert der Protest der Bevölkerung.

Hoher Wasserverbrauch, extreme Trockenheit

Zwar erhoffen sich einige neue Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region. Doch die Aktivisten und Aktivistinnen befürchten dramatische Auswirkungen auf die Region. Der Abbauort wäre nur wenige Kilometer von der Altstadt der unter UNESCO-Welterbe stehenden Stadt Caceres gelegen. Kritikerinnen und Kritiker befürchten zudem Schäden für die angrenzenden Naturschutzgebiete, etwa durch Verschmutzung von Wasser und Boden durch den Einsatz von Chemikalien und der möglichen Destabilisierung des Bodens durch unterirdische Sprengungen, berichtet die Deutsche Welle von einem Lokalaugenschein.

Satellitenbild zeigt Caceres
Grafik: ORF; Quelle: Google Earth

Auch für ein weiter nördlich von Caceres gelegenes Lithiumvorkommen findet der geplante Abbau nicht nur Befürworterinnen und Befürworter. Befürchtet wurde, dass die Betreiber beim Abbau des Lithiums enorme Mengen an Wasser einsetzen müssten, um die Staubbildung in Grenzen zu halten – und das in einer ohnehin von Dürre betroffenen Region. Hier soll die ersten Jahre oberirdisch im Tagebau abgebaut werden. Derzeit laufen noch Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Zugeständnisse des Bergbaukonzerns

Bei der Mine in Caceres sorgen sich die Gegner ebenfalls um die Wasserressourcen, da sich zahlreiche Wasserleiter in der Zone befinden, in der Lithium abgebaut werden soll. Einer Projektpräsentation zufolge rechnet das Unternehmen damit, dass pro Jahr rund 158 Mio. Liter aus der Mine abgepumpt werden müssten. In ganz Wien werden pro Jahr rund 142 Mio. Kubikmeter Wasser verbraucht.

Nach ersten Probebohrungen für den geplanten Abbau bei Caceres wurden weitere Arbeiten von der bisherigen sozialistischen regionalen Regierung nicht mehr genehmigt. Das Unternehmen Infinity Lithium reagierte auf die Kritik, akzeptierte den kostspieligeren Untertagebau und versuchte, die Bevölkerung durch das Sponsoring von Kultur- und Sportveranstaltungen auf seine Seite zu ziehen. Ryan Parkin, Vorstand von Infinity Lithium, bezeichnete das gegenüber dem „Tagesspiegel“ als „Konzessionen, die wir machen müssen, um die gesellschaftliche Akzeptanz in Caceres zu erhalten“.

Politischer Rechtsruck bringt Kurswechsel

Während die bisherige Regierung Spaniens unter dem sozialistischen Premier Pedro Sanchez die Elektromobilität als strategisches Ziel ausgerufen und Spanien als Lithiumlieferanten für Europa befürwortet hatte, stockte der Genehmigungsprozess auf der regionalen Ebene. Mit dem Ukraine-Krieg, dem Bestreben der EU, sich von Rohstoffimporten unabhängiger zu machen und einem politischen Kurswechsel in vielen spanischen Regionen dürfte das Pendel aber nun zugunsten des Bergbaukonzerns schwenken. Besonderes Asset für die EU bei diesem Projekt: Eine Raffinerie zur Aufbereitung von Lithium wäre ebenfalls geplant.

Der spanische Premierminister Pedro Sanchez (PSOE)
APA/AFP/Pierre-Philippe Marcou
Premier Sanchez’ Regierung steht Spanien als Lithiumlieferant offen gegenüber

Mit den Regional- und Kommunalwahlen in Spanien Ende Mai verschob sich die politische Landschaft. Die Sozialisten mussten herbe Verluste einstecken – zugunsten der konservativen Partido Popular (PP) und der rechtsextremen Vox. In Extremadura schloss die regionale Führung der PP eine Koalition mit Vox zwar zunächst aus, machte aber Ende Juni doch eine Kehrtwendung.

Mit den auf 23. Juli vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien könnte sich auch auf nationaler Ebene eine Koalition zwischen den bei den Regionalwahlen erstarkten Konservativen und Vox, inzwischen drittstärkste Kraft in Spanien, ausgehen. Denn die PP schließt eine Koalition mit der rechtsextremen Vox, auch bekannt für ihre Anti-Umweltschutz-Rhetorik, nicht dezidiert aus.

Aussicht auf Abbaugenehmigung

Die politische Kehrtwende in Extremadura Ende Juni zeigte jedenfalls schon kurz nach der Einigung Auswirkungen auf den Lithiumabbau. Denn kurz darauf gab es erste Gespräche mit lokalen und regionalen politischen Vertretern der neuen Koalition. Infinity Lithium, mit seinem lokalen Vertreter Ramon Jimenez, begrüßte das Interesse der Politik an der Weiterentwicklung des Abbauprojekts.

Man werde nun weiter zusammenarbeiten, „um die Einreichung unseres Konzessionsantrags für die Ausbeutung im Laufe dieses Jahres voranzutreiben“, wird Jimenez von Wirtschaftsfachmedien zitiert. Die Möglichkeit, dieses Potenzial der Lithiumvorkommen zu erweitern und das Projekt zu realisieren, stehe „im Einklang mit den lokalen und regionalen Strategien der neuen Regierung“.