Autobahn in Deutschland
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243 Mio. Schadenersatz

Deutsche Pkw-Maut wurde zum teuren Fiasko

Die Pkw-Maut, das einst gegen allerhand Widerstand durchgeboxte Prestigeprojekt der deutschen Regierung, ist spektakulär gescheitert. Nun steht auch fest, dass der Flop ein äußerst kostspieliger war: Berlin muss nun dem Gemeinschaftsunternehmen von Kapsch und CTS Eventim, dem der Auftrag wieder entzogen wurde, 243 Millionen Euro Schadenersatz zahlen.

Eine „bittere Summe“ seien die 243 Millionen, für die nun der deutsche Steuerzahler bzw. die deutsche Steuerzahlerin aufkommen muss, so Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Sein Vorgänger, Andreas Scheuer (CSU), hatte die Maut entgegen aller Kritik durchgebracht. Im Juni 2019 stoppte allerdings der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Projekt als rechtswidrig.

Denn das Konzept sah vor, dass die Maut zwar zunächst alle Nutzerinnen und Nutzer zahlen sollten. Deutsche Fahrzeughalterinnen und -halter sollten aber über die Kfz-Steuer in mindestens gleicher Höhe entlastet werden, sodass unter dem Strich nur ausländische Lenkerinnen und Lenker hätten zahlen müssen. Die Maut sollte eigentlich ab Oktober 2020 erhoben werden und unter dem Strich 500 Millionen Euro einbringen. Der EuGH sah die Regelung jedoch als diskriminierend an.

Einigung auf Vorschlag des Schiedsgerichts

Der österreichische Mautspezialist Kapsch sowie der Ticketvermarkter CTS Eventim, die für die Maut das Gemeinschaftsunternehmen autoTicket gegründet hatten, hatten milliardenschwere Aufträge zum Kassieren der Abgabe sowie zur Vergabe der elektronischen Mautvignetten erhalten. Nachdem der EuGH die Pläne gekippt hatte, kündigte Deutschland die Verträge.

Die beiden Unternehmen verlangten daraufhin in dem Schiedsverfahren ursprünglich rund 560 Millionen Euro Schadenersatz. Nun einigten sie sich mit dem Bund auf einen Vergleichsvorschlag des Schiedsgerichts, wie CTS Eventim am Mittwoch bekanntgab.

Geldregen für Kapsch

Die 243 Millionen Euro sollen demnach an das Gemeinschaftsunternehmen gezahlt werden, Kapsch erhält davon 80 Millionen. Mit der Zahlung würden „die wechselseitigen Ansprüche aus dem Betreibervertrag bereinigt und verglichen sein“, erläuterte Kapsch. Die vergleichsweise Einigung solle voraussichtlich in den kommenden Tagen finalisiert und ausgefertigt und damit wirksam werden.

Andreas Scheuer
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Andreas Scheuer

Wegen des Geldregens hob Kapsch seine Prognose an. Das Unternehmen erwartet im Geschäftsjahr 2023/24 jetzt eine signifikante Verbesserung des operativen Ergebnisses bei einem Umsatzwachstum im einstelligen Prozentbereich.

Von der eigentlich vorgesehenen Betreibergesellschaft autoTicket hieß es: „Wir hätten eine modifizierte Umsetzung der Pkw-Maut als Klimaabgabe für deutsche und gebietsfremde Fahrzeughalter einer streitigen Auseinandersetzung vorgezogen.“ Geschäftsführer Michael Blum sagte, man begrüße dennoch die Beendigung des Verfahrens.

Scharfe Kritik vor Bayern-Wahl

Die Kritik am ehemaligen CSU-Minister Scheuer ist jetzt – drei Monate vor der Wahl in Bayern – enorm. Sein Nachfolger Wissing nannte die Maut am Mittwoch einen schweren Fehler. Er bedauere, dass die Schadenersatzsumme nicht für Investitionen zur Verfügung stehe. Das ganze Verfahren sei teuer und aufwendig gewesen. „Am Ende konnte der Schaden begrenzt werden.“ Aber fast eine Viertelmilliarde Euro sei eine große Summe, gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen.

Wissing sagte mit Blick auf die fällige Schadenersatzzahlung, das Geld sei von den Bürgerinnen und Bürgern hart erarbeitet worden. Hinzu kämen noch Anwaltskosten. Der Schaden sei schon eingetreten, als die „Ampelkoalition“ von SPD, Grünen und FDP die Regierungsgeschäfte übernommen habe.

„Ampel“ ärgert sich

Auch von den Grünen gab es scharfe Kritik. „Es wäre nur gerecht, wenn die CSU anbieten würde, die große Rechnung aus ihrem Parteivermögen selbst zu bezahlen.“ Zusätzlich zum Schiedsspruch kämen noch Kosten für die Einführung, externe Berater, Anwalts- und Gerichtskosten.

„Mit dem ganzen Geld hätten wir viele Radwege bauen, Schienenwege sanieren und den öffentlichen Nahverkehr unterstützen können“, so der Abgeordnete Sven-Christian Kindler zur dpa. FDP-Haushaltspolitiker Karsten Klein sagte, der damalige CSU-Wahlkampfhit werde „zum Trauerlied für den deutschen Steuerzahler“. Für den finanziellen Schaden trügen Scheuer und die CSU die volle Verantwortung.

Mit dem Scheitern der Maut und den finanziellen Folgen befasste sich in der vergangenen Wahlperiode auch ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags. Die damalige Opposition warf Scheuer Verstöße gegen Haushalts- und Vergaberecht vor und warnte vor Millionenkosten. Der damalige Minister wies alle Vorwürfe zurück. Im Visier stand dabei auch, dass er die Betreiberverträge schon Ende 2018 abgeschlossen hatte, noch bevor endgültige Rechtssicherheit beim EuGH bestand.