Hand und Roulette Tisch
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Für Glücksspiel lobbyiert

Scharfe Kritik an Botschafter in Skopje

Der österreichische Botschafter in Nordmazedonien, Georg Woutsas, hat gegen einen erhöhten Spielerschutz interveniert, der Kinder und Jugendliche besser schützen sollte. Laut Ö1 und der Plattform Zackzack forderte Woutsas Ausnahmen für die Casinos Austria und Novomatic. Das Außenministerium ging auf Distanz, doch Kritikerinnen und Kritiker sehen einen „Skandal der Sonderklasse“.

Das Ö1-Morgenjournal und Zackzack berichteten am Donnerstag von einem Brief Woutsas’ an den nordmazedonischen Premier Dimitar Kovacevski und weitere Abgeordnete. Darin soll er im Februar Ausnahmen von geplanten Beschränkungen für österreichische Firmen gefordert haben.

„Diese Unternehmen – Casinos Austria und Novomatic – versichern mir, dass sie für den höchsten Standard an Spielerschutz, wie er in Österreich und der EU üblich ist, sorgen“, schrieb Woutsas laut Ö1. „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn die Regierung die geplanten Änderungen zurückziehen oder ausländische Investitionen ausnehmen würde“, hieß es.

In Nordmazedonien will die Regierung das Glücksspiel einschränken und den Spielerschutz erhöhen. Die Regierung in Skopje plant eine Schutzzone von 500 Metern um Schulen. In diesem Umkreis sollen keine Spielhallen und Wettbüros stehen dürfen. Die geplante Verschärfung hängt seit Monaten im nordmazedonischen Parlament fest.

Woutsas forderte Ausnahmen für Standorte, die mit ausländischem Kapital betrieben werden. „Für Spiellokale Verbotszone von 500 m rund um Schulen: Ausnahme für diese Standorte zumindest, soweit sie mit ausländischem Kapital betrieben werden, jetzt und in Zukunft“, hieß es in dem Brief mit dem Logo der österreichischen Botschaft im Briefkopf. Bei Zuwiderhandeln drohte Woutsas mit „großen Schäden für den Wirtschaftsstandort Nordmazedonien“ und sprach von „Schadenersatzforderungen in Höhe Hunderter Millionen Euro“.

Kritik an Botschafter in Skopje

Der österreichische Botschafter in Nordmazedonien, Georg Woutsas, hat gegen einen erhöhten Spielerschutz interveniert, der Kinder und Jugendliche besser schützen sollte.

Botschafter wurde ermahnt

Das Außenministerium ging in einer am Donnerstag ausgeschickten Klarstellung auf Distanz zu Woutsas. Man distanziere sich vollinhaltlich von den Interventionsversuchen des österreichischen Botschafters, hieß es. Diese seien mit Wien nicht abgesprochen gewesen. Das Außenministerium sprach sich zudem für einen starken Spielerschutz aus. Woutsas sei bereits ermahnt worden, er werde bald routinemäßig nach Wien versetzt. Dann werde er „keinerlei Berührungspunkte mehr mit Nordmazedonien oder Wirtschaftsdiplomatie haben“.

Es ist nicht das erste Mal, dass Woutsas in jüngster Vergangenheit wegen österreichischer Wirtschaftsinteressen im Clinch mit den nordmazedonischen Behörden liegt. In einem Brief an den privaten Fernsehsender TV Telma äußerte Woutsas Ende Juni scharfe Kritik an der Justiz, weil es dem Landwirtschaftsunternehmen AMMA Hohenems nicht möglich gemacht wurde, Schulden in Höhe von 4,5 Millionen Euro von zwei nordmazedonischen Unternehmen einzutreiben.

Casinos: „Legitim“

Von Novomatic hieß es am Donnerstag, man habe noch nie Einfluss auf den diplomatischen Dienst genommen. Casinos-Austria-Sprecher Patrick Minar sagte im Ö1-Mittagsjournal hingegen, es sei legitim, „den diplomatischen Dienst dafür einzusetzen, um legitime Geschäftsinteressen von österreichischen Unternehmen im Ausland zu vertreten“.

Kontakt mit Woutsas habe man aufgenommen, weil das Gesetzesvorhaben das gesamte Geschäftsmodell gefährdet habe. Ein wirtschaftlicher Betrieb wäre bei Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr möglich gewesen, sagte Minar.

In einer weiteren Stellungnahme hieß es von den Casinos Austria, es sei grundsätzlich festzuhalten, die Vertretung legitimer Interessen von Unternehmen im Ausland durch offizielle Vertreter des Landes sei Kernaufgabe des diplomatischen Dienstes. In Nordmazedonien sei es als Juniorpartner der Staatslotterie insbesondere die Aufgabe der Casinos Austria, „unsere international anerkannte Expertise zu wirkungsvollem Spielerschutz einzubringen“. Man habe über den Botschafter versucht, ein grundsätzliches Problem zu thematisieren.

„Dies war der Erstversuch, mit den politischen Entscheidungsträgern in Austausch zu treten, um über ordnungspolitisch negative Auswirkungen des Gesetzesvorhabens zu sprechen. Es ist somit keinesfalls um die Verhinderung wichtiger Spielerschutzmaßnahmen gegangen, da man sich in keiner Phase in einer Situation befunden hat, um über konkrete Einzelpunkte des Gesetzesvorhabens zu diskutieren“.

Brix: „Sicher nicht Aufgabengebiet"

Emil Brix, der Direktor der Diplomatischen Akademie Wien, sagte im Ö1-Mittagsjournal, dass Lobbying „sicher nicht zu den Aufgabengebieten eines österreichischen Botschafters im Ausland“ gehöre. Natürlich müsse man sich für österreichische Unternehmen einsetzen, aber „nur im Rahmen eines rechtsstaatlichen Systems“, sagte der langjährige Diplomat, der unter anderem als Botschafter in London und Moskau tätig war. Für Brix völlig unerklärlich ist, dass „hier über Umwege, über (…) die Annäherung von Nordmazedonien an die EU auch noch zumindest indirekt versucht wurde, Druck auszuüben“.

Ruf nach weiterer Aufklärung

Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, bezeichnete den Vorfall in einer Aussendung als „Skandal der Sonderklasse“. „Ein solches Verhalten eines höchsten diplomatischen Vertreters der Republik Österreich würde dem Ansehen unseres Landes im Ausland jedenfalls massiv schaden“, so Ernst-Dziedzic. Die Mandatarin betonte, eine Parlamentarische Anfrage an Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) stellen zu wollen.

In ein ähnliches Horn stieß SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder. Der Vorfall schade Österreichs Vermittlerrolle auf dem Westbalkan und wiege in „dieser entscheidenden Phase des EU-Integrationsprozesses Nordmazedoniens (…) doppelt schwer“. „Was sich liest wie ein Drohbrief des Konzernvorstands, sind die Worte des höchsten Repräsentanten Österreichs in Skopje. Georg Woutsas’ Brief wäre schon problematisch, wäre er tatsächlich Glücksspiellobbyist, immerhin interveniert er allen Ernstes gegen eine Glücksspielschutzzone rund um Kindergärten und Schulen“, sagte Schieder.

„Dass sich das Außenministerium von den Interventionsversuchen des österreichischen Botschafters in Nordmazedonien distanziert, ist zu wenig, damit ist die Geschichte nicht vorbei“, so Stephanie Krisper, NEOS-Sprecherin für Inneres. Sie verlangte eine schnellstmögliche Aufklärung des Vorfalls. „Wir verlangen vom Außenminister volle Aufklärung. Wir wollen wissen, ob der Botschafter allein, und wenn nicht, in wessen Auftrag er gehandelt hat.“