Die Schweizer Bundesrätin Viola Amherd und die österreichische Verteidigunngsministerin Klaudia Tanner
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„Sky Shield“

Tanner unterzeichnet Beitrittsabsicht

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und ihre Schweizer Amtskollegin Viola Amherd haben am Freitag in Bern eine Absichtserklärung zum Beitritt zum „European Sky Shield“ unterzeichnet. Damit werden Österreich und die Schweiz Teil des von Deutschland initiierten Luftverteidigungssystems.

Beide Länder sehen durch den Beitritt keinen Bruch ihrer Neutralität. Die Unterzeichnung der Absichtserklärung zu „Sky Shield“ fand im Beisein des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius (SPD) und im Rahmen eines trilateralen DACH-Treffens (Deutschland, Österreich, Schweiz) statt. Die Schweiz hat derzeit den Vorsitz in diesem Dreiländerforum inne, das sich regelmäßig trifft. In einer Zusatzerklärung wurde festgehalten, dass die „besonderen verfassungsrechtlichen Gegebenheiten“ Österreichs und der Schweiz berücksichtigt werden.

„Sky Shield“ soll vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Schutzschirm für Europa zu schließen. Bereits 2024 soll ein Schutz vor Raketen und Geschoßen kleiner und mittlerer Reichweite geboten und 2025 der ganze Schirm aufgespannt werden.

Der deutsche Bundesminister der Verteidigung, Boris Pistorius, und die oesterreichische Bundesministerin für Landesverteidigung Klaudia Tanner
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Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner

Pistorius: Kein Bündnis

Pistorius betonte in einer Pressekonferenz mit Tanner und Amherd, dass es sich bei „Sky Shield“ um „kein Bündnis, sondern eine Beschaffungsinitiative“ handle. Er sei „froh“, dass Österreich und die Schweiz „die Spielräume“, die ihnen die Neutralität lasse, „maximal“ ausnützten. Konkret erwarte er „gar nichts“. Die Teilnahme an der von Deutschland initiierten europäischen Luftverteidigungsinitiative bedeute „ein Mehr an Sicherheit, aber keine Abstriche bei der Neutralität“.

Tanner: „Sehr ambitionierter“ Planungshorizont

Tanner erachtet den Planungshorizont für „Sky Shield“ als „sehr ambitioniert“, wie sie im Vorfeld sagte. Die Teilnahme sei mit der österreichischen Neutralität vereinbar, sagte Tanner erneut. Es werde aber in einer Zusatzerklärung festgehalten, dass Österreichs „besondere verfassungsrechtliche Gegebenheiten berücksichtigt werden“.

Die Teilhabe an „Sky Shield“ entbindet Österreich laut Tanner allerdings nicht davon, seinen Luftraum aktiv selbst zu schützen, so Tanner. Amherd sagte indes zur Schweizer Beteiligung: „Wir werden selber festlegen, in welchem Ausmaß wir uns beteiligen werden.“

Zugang zu Planungsdokumenten

Gerade weil Österreich derzeit in der Luftverteidigung „nicht so besonders gut aufgestellt“ sei, habe die Teilnahme an der Verteidigungsinitiative „Sinn“. Österreich müsse sich auf mögliche Gefahren aus der Luft wie Marschflugkörper, Drohnen und Raketen vorbereiten.

Mit der Unterzeichnung bekomme Österreich auch den Zugang zu allen Planungsdokumenten der Initiative. Erst dann werde einsichtig, welchen Beitrag Österreich leisten könne, so die Ministerin im Vorfeld. Tanner nannte etwa das Radardatensystem „Goldhaube“ als eine Möglichkeit.

Grafik zeigt Mitgliedsstaaten der Luftverteidigungsinitiative „Sky Shield“
Grafik: APA/ORF

19 Länder wollen mitmachen

Die „European Sky Shield Initiative“ (ESSI) ging vom EU- und NATO-Land Deutschland aus und umfasst nun 19 Länder. Sie bezweckt, Beschaffungsvorhaben zur bodengestützten Luftverteidigung besser zu koordinieren und allenfalls zu bündeln. Auch der Informationsaustausch soll erleichtert werden.

Beteiligt sind außer Deutschland, der Schweiz und Österreich seit der Gründung der Initiative im Oktober des Vorjahres die NATO-Mitglieder Großbritannien, Slowakei, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, Niederlande, Rumänien, Slowenien, Estland sowie Norwegen. Im Februar schlossen sich auch Dänemark und der NATO-Beitrittskandidat Schweden dem Projekt an.

„Sky Shield“: Tanner unterzeichnet Beitrittsabsicht

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und ihre Schweizer Amtskollegin Viola Amherd haben am Freitag in Bern eine Absichtserklärung zum Beitritt zum „European Sky Shield“ unterzeichnet. Damit werden Österreich und die Schweiz Teil des von Deutschland initiierten Luftverteidigungssystems.

Nichtmitglieder bauen eigene Systeme aus

Nicht Teilnehmer an der deutschen Initiative sind etwa Frankreich, Italien, Spanien, Polen und Kroatien. Paris missfällt, dass dabei nicht europäische Technologie eingekauft werden soll. Angedacht ist der Kauf von US-amerikanischen Patriot-Systemen sowie des israelischen Raketenabwehrsystems Arrow 3. Frankreich und Italien wollen das gemeinsam von ihnen entwickelte System SAMP/T nutzen.

Auch Polen beschafft andere Systeme, etwa das britische System CAMM. Polen war bereits direkt von einem Raketenbeschuss betroffen. Bei der Explosion eines ukrainischen Querschlägers Mitte November 2022 starben zwei Menschen. Auch in Kroatien gab es einen Vorfall: Eine Militärdrohne stürzte im März 2022 auf ein Wohngebiet nahe dem Stadtzentrum von Zagreb.

Kickl fordert Volksabstimmung

FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl forderte unterdessen eine Volksabstimmung. Er kritisierte in einer Aussendung, dass die schwarz-grüne Bundesregierung seit Beginn des Ukraine-Krieges „Schritt für Schritt an der Aushöhlung und Abschaffung“ der Neutralität arbeite.

Keine Panzer aus Schweiz für Ukraine

Pistorius bedauerte die Entscheidung der Schweiz, wegen ihrer Neutralität 96 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 nicht an Deutschland zu verkaufen. Sie hätten an die Ukraine geliefert werden sollen und „hätten natürlich sehr viel geholfen“, sagte er.

Amherd erklärte allerdings, dass eine weitere Entscheidung für 25 in der Schweiz stillgelegte Leopard-2-Panzer, die die deutsche Rheinmetall zurückkaufen will, vermutlich im Herbst fallen werde. Der Schweizer Nationalrat habe die Außerdienststellung bereits genehmigt, auch der Bundesrat unterstütze das.

Entminungshilfe: „Frage der Verfügbarkeit“

Anders als Österreich schickte die Schweiz allerdings ein Minenräumgerät in die Ukraine. Österreich lehnte einen entsprechenden Wunsch der Ukraine mit Verweis auf die Neutralität ab und beteiligt sich nur finanziell an der Entminung. Amherd berichtete, dass in dem Land 250.000 Quadratkilometer mit Minen verseucht seien, das entspreche mehr als der Fläche Großbritanniens. Damit sei die Ukraine „weltweit das größte Minenfeld“.

Auf Entminungshilfe angesprochen sagte Tanner, dass das auch „eine Frage der Verfügbarkeit“ sei. Die österreichischen Entminungsgeräte seien derzeit in Bosnien-Herzegowina im Einsatz. Nach dem Krieg in der Ukraine werde die Entminung „ein riesiges Projekt“, sagte Tanner und stellte entsprechende Hilfe zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht. Sie verwies auf die humanitäre und finanzielle Hilfe, die Österreich leiste.