Sandalen von Birkenstock
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Neuausrichtung

Birkenstock könnte Börse betreten

Die Traditionsfirma Birkenstock soll einen Börsengang in den USA prüfen. Mehrheitseigentümer L Catterton, eine französisch-amerikanische Beteiligungsgesellschaft, soll Investmentbanken mit der Organisation des Deals beauftragt haben, berichtete unter anderen die Agentur Bloomberg. Das Unternehmen, dessen Produkte vor dreißig Jahren Einzug in die mondäne Modewelt hielten, könnte mit rund sechs Milliarden Dollar bewertet werden.

Der 1774 von Johann Adam Birkenstock gegründete Schuhhersteller mit Sitz in Linz am Rhein im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz gehörte in sechster Generation den Brüdern Alexander und Christian Birkenstock, ehe die Beteiligungsgesellschaft L Catterton und die Familienholding von LVMH-Chef Bernard Arnault, Financiere Agache, die Mehrheit übernahmen. Das Unternehmen soll damals mit 4,9 Milliarden Dollar (4,5 Mrd. Euro) bewertet worden sein. Arnault sagte damals, Birkenstock habe sich „zu einer der wenigen ikonischen Marken in der Schuhindustrie entwickelt. Wir schätzen Marken mit diesem langen Erbe sehr.“

Im Juni dieses Jahres feierte die Firma den 150. Jahrestag der Geburt von Konrad Birkenstock, der Anfang des 20. Jahrhunderts ein anatomisch geformtes Fußbett entwickelt hatte, das er bereits damals als „Gesundheitsschuhwerk“ patentieren ließ. Das Unternehmen unterhält 16 Standorte, davon vier für die Produktion, allesamt in Deutschland. Sandalen verkauft Birkenstock nach eigenen Angaben in mehr als 100 Ländern. Das Unternehmen bietet auch geschlossene Schuhe, Socken, Taschen und Gürtel an – und seit 2017 auch Naturkosmetik und Betten.

Menschen mit Einkaufstaschen und Schuhen von Birkenstock
IMAGO/Griffin Bauer
„Birks“ kleiden oftmals auch die Füße der Stars – im Bild Schauspielerin Jessica Alba mit Nachwuchs

Schuhe der Models

Einen Boom um die Marke gab es bereits in den 90er und Nullerjahren, als Birkenstock mit prominenter Unterstützung, etwa durch Model Kate Moss, Eingang in die Modewelt fand. 1993 liefen Models wie Tyra Banks für Marc Jacobs’ „Grunge“-Kollektion für das Label Perry Ellis unter anderem in Birkenstock-Sandalen über den Laufsteg.

Der Ökoschlapfen wurde schnell zur Trendsandale – inklusive Luxusmarken wie Celine und Givenchy, die auf den Trend aufsprangen und ihre eigenen Varianten veröffentlichten. Birkenstock arbeitete schon mit Jil Sander, Manolo Blahnik und der Streetwear-Marke Stüssy zusammen, im Juni erschien die zweite Kollektion mit Dior.

Sandalen von Birkenstock in einem Regal
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Birkenstock-Schuhe gibt es heutzutage in unzähligen Varianten

Authentizität als Atout

Für Markus Baum, verantwortlich für die Produktstrategie von Birkenstock, ist die langanhaltende Begeisterung nicht verwunderlich, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) jüngst schrieb. Die Marke hätte sich etwas bewahrt, das heute viel wert sei: Authentizität. „Wir haben nie versucht, der ‚Schuh der Stunde‘ zu sein.“ Zwar tauche Birkenstock immer wieder im Kontext von Begriffen wie Lifestyle und Modetrends auf. Aber: „Das wurde aus dem Hause nicht proaktiv verfolgt.“ Verschlossen habe man sich dem freilich auch nicht.

Carl Tillessen, Trendanalyst beim Deutschen Modeinstitut, beschäftigt sich schon lange mit dem Phänomen Birkenstock. Sandalen würden in der Öffentlichkeit immer noch als fragwürdig gelten, daher greife man zu der Variante, von der man weiß, dass sie inzwischen akzeptiert ist: „Es ist wie eine unausgesprochene Übereinkunft: ‚Wenn schon Sandalen, dann die‘“, zitierte die „FAZ“ Tillessen.

Menschen mit Einkaufstaschen und Sandalen von Birkenstock
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Birkenstock schaffte den Sprung vom Gesundheitsschlapfenhersteller zur Lifestyle-Marke

Schock beim Start

Dabei verlief der Start alles andere als vielversprechend. 1963 stellte das Unternehmen die Sandalen auf der Fachmesse GDS in Düsseldorf vor – und stieß erst einmal auf Entsetzen. Die anderen Schuhfabrikanten hätten ihn beschimpft, seine Produkte wurden als „ausgehöhlte Baumstämme“ bezeichnet, sagte Karl Birkenstock im Jahr 2000 der „tageszeitung“ („taz“).

„Es herrschte ja damals die Vorstellung, dass die Mode nur dadurch funktioniert, dass sie einheitlich von allen betrieben wird. Wir waren Quertreiber. Wir haben die Mode unterlaufen.“ Von den damaligen Musterbestellungen an Schuhhändler habe er damals „95 Prozent wieder zurückbekommen – mit Schmähbriefen“, erzählte Birkenstock. Das Blatt wandte sich schnell.