Niederländische Regierung mit Premier Rutte tritt zurück

Der niederländische Premier Mark Rutte hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Die Unterschiede zwischen den vier Koalitionsparteien bei der Asyl- und Migrationspolitik seien unüberbrückbar, so der konservativ-liberale Premier gestern in Den Haag.

Er bedaure den Schritt, er sei aber „eine politische Realität“. Rutte ließ offen, ob er erneut bei einer Neuwahl antreten wird.

Der niederländische Premierminister Mark Rutte
APA/AFP/Anp/Phil Nijhuis

Streit über Asylpolitik

Der jüngste Streit über die Asylpolitik ging früheren Medienberichten zufolge auf einen Vorstoß der konservativen Partei VVD von Rutte zurück. Zwei Juniorparteien weigerten sich, Flüchtlingsfamilien die Zusammenkunft zu erschweren. Es war die vierte Regierung des Rechtsliberalen. Sie war seit Anfang 2022 im Amt. Rutte selbst ist seit knapp 13 Jahren Regierungschef der Niederlande. Eine Neuwahl werde nach Einschätzung von Beobachtern erst im November stattfinden.

Wie andere europäische Länder auch ringen die Niederlande mit der Frage, wie sie mit der Vielzahl an Einwanderern umgehen sollen. Die Mitte-rechts-Partei VVD des Regierungschefs hatte strenge Regeln für Asylbewerber vorgeschlagen und gedroht, das Kabinett zu verlassen, wenn die von Rutte vorgeschlagenen Maßnahmen nicht verabschiedet würden.

Die christdemokratische Partei Christen Unie hatte erklärt, sie könne „mit Ruttes Vorschlag nicht leben“, auch die Mitte-links-Partei D66 von Finanzministerin Sigrid Kaag lehnte die Forderung Berichten zufolge ab.

Skandal im Jahr 2022

Die niederländische Regierung stritt seit ihrem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren über das Thema. Im vergangenen Jahr kam es zu einem Skandal, als in einem überfüllten Migrationszentrum ein Baby starb. Ruttes vorherige Regierung war 2021 nach einer Affäre um Kindergeldzuschläge zurückgetreten.

Früheren Medienberichten zufolge zeigte sich Rutte im aktuellen Fall bereit, die Regierung notfalls scheitern zu lassen. Die Asylanträge in den Niederlanden stiegen im vergangenen Jahr um ein Drittel auf über 46.000 und sollen in diesem Jahr auf mehr als 70.000 steigen – ein neuer Höchststand seit 2015.

Das dürfte eine deutliche Belastung für die Asyleinrichtungen des Landes darstellen. Im vergangenen Jahr waren Hunderte Flüchtlinge monatelang gezwungen, im Freien zu schlafen, mit wenig oder gar keinem Zugang zu Trinkwasser, sanitären Einrichtungen oder Gesundheitsversorgung. Rutte hatte angekündigt, die Bedingungen in den Einrichtungen durch die Reduzierung der Flüchtlingszahlen verbessern zu wollen.

Seit 13 Jahren Premier

Rutte ist seit knapp 13 Jahren Ministerpräsident der Niederlande und damit einer der am längsten amtierenden Regierungschefs der EU. Seit Jänner 2022 führte er sein viertes Kabinett nach Koalitionsverhandlungen, die gut neun Monate gedauert hatten und damit die längsten in der Geschichte des Landes waren. Insgesamt vier Parteien waren nötig, um eine Mehrheit in der Zweiten Kammer des Parlaments zu erreichen, das waren Ruttes rechtsliberale VVD, die linksliberale D66, die christdemokratische CDA und die kleine Christenunion.

Nach zahlreichen Krisen waren die Umfragewerte der Koalition stark gesunken. Bei der jüngsten Provinzialwahl im März, bei der auch die Erste Kammer des Parlaments – vergleichbar mit dem Bundesrat – gewählt wurde, hatten alle Regierungsparteien deutliche Verluste verbucht. Großer Wahlsieger wurde die rechtspopulistische Bauernbürgerbewegung BBB, die auf Anhieb stärkste Kraft wurde. In der Zweiten Kammer ist die BBB nur mit einer Abgeordneten vertreten. Bei einer Neuwahl wird der Partei großer Erfolg vorhergesagt.