Werner Kogler
IMAGO/Martin Juen
„Präfaschistoid“

Kogler-Sager erzürnt ÖVP NÖ

Aussagen von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) haben am Samstag die ÖVP Niederösterreich erzürnt. In einem Interview mit „profil“ nannte Kogler die von der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zuletzt vermehrt bemühten Bezüge auf die „normal denkenden“ Menschen „brandgefährlich und darüber hinaus präfaschistoid“. Die ÖVP NÖ forderte eine Entschuldigung.

„Eine derartige Herangehensweise ist das Einfallstor für das Böse in der Welt, um in der Diktion der katholischen ÖVP zu sprechen“, so Kogler im aktuellen „profil“. Mikl-Leitner hatte zuletzt häufig damit argumentiert, „die große Mehrheit der Normaldenkenden“ bzw. „die Anliegen der normal denkenden breiten Mitte der Bevölkerung“ zu vertreten – etwa beim Klimaschutz und beim Gendern.

Für Kogler ist das „brandgefährlich“: „Denn was die Norm ist, ist zeitabhängig. Die Kirche fand es einmal normal, Frauen zu verbrennen.“ Es gehe in der Demokratie um Mehrheiten, aber auch Minderheiten müssten geschützt werden. „Gute Politiker:innen werben dafür, wovon sie überzeugt sind, und verstecken sich nicht hinter dem, was sie zur Norm erklären.“

Streit über die „normal denkende Mitte“

Aussagen von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) haben am Samstag die ÖVP Niederösterreich erzürnt. In einem Interview mit „profil“ nannte Kogler die von der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zuletzt vermehrt bemühten Bezüge auf die „normal denkenden“ Menschen „brandgefährlich und darüber hinaus präfaschistoid“.

Kogler: Bisher keine Klage von Landbauer

Bisher keine Klage hat Kogler nach eigenen Angaben von Udo Landbauer, Chef der niederösterreichischen FPÖ und Landeshauptfrau-Stellvertreter, erhalten. Kogler hatte Mikl-Leitner Ende März scharf für ihre Zusammenarbeit mit der FPÖ kritisiert. Mikl-Leitners Handeln, „die Kellernazis in höhere Etagen zu heben“, sei „verantwortungslos“, so Kogler damals in der ZIB2.

NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und FPÖ-Landesparteichef Udo Landbauer
APA/Helmut Fohringer
Mikl-Leitner und Landbauer: Kogler hatte die Landeshauptfrau scharf für die Zusammenarbeit mit der FPÖ kritisiert

Landbauer hatte daraufhin mit rechtlichen Schritten gedroht. Kogler würde einer Klage „mit Freude entgegensehen und in den vorgehaltenen Fällen den Wahrheitsbeweis antreten“, wie er „profil“ sagte.

Bekräftigt wurde von Kogler außerdem seine zuletzt schon angedeutete Absicht, bei der nächsten Nationalratswahl erneut als Spitzenkandidat der Grünen anzutreten. „Um mit einem Van-der-Bellen-Zitat zu antworten: Wenn mir nicht ein Ziegelstein auf den Kopf fällt, ist das so.“

ÖVP NÖ fordert Entschuldigung

Bei der ÖVP Niederösterreich sorgten Koglers Aussagen für Aufruhr. Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner verwies in einer Reaktion auf einen vom 20. Juni stammenden Kommentar Mikl-Leitners in der „Presse“ – darin definierte sie etwa, wen sie unter „Normaldenkenden“ versteht.

„Der Vizekanzler sollte nach der Lektüre dieses Textes einmal der Bevölkerung erläutern, ob er beispielsweise Menschen verteidigt, die vor Echsenmenschen warnen, oder was genau an diesen Ausführungen der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bei nüchterner Betrachtung ‚präfaschistoid‘ sein soll – oder sich umgehend für seine unfassbare Entgleisung entschuldigen“, sagte Ebner in einer Aussendung.

„Wir lassen uns in Niederösterreich sicher keine Lehrstunde von Herrn Kogler in seiner moralischen Erhabenheit erteilen“, sagte ÖVP-NÖ-Klubchef Jochen Danninger. Die Grünen „baden schon viel zu lange selbstherrlich in ihren realitätsfremden Vorstellungen der politischen Korrektheit, wo man keinen ‚Mohr im Hemd’ essen darf, jeder Satz mit Gendersternchen unleserlich gemacht werden muss und Kinder sich nicht mehr als Indianer verkleiden dürfen“, so Danninger weiter.

„Untergriffig“ vs. „brandgefährlich“

Die Politik sollte „keine Wortmeldungen wie ‚präfaschistoid‘ verwenden, nur um aufs Titelblatt zu kommen“, teilte indes ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker via Aussendung mit. Vielmehr sei es laut Stocker „an der Zeit, die ständigen Wortgefechte, Übertreibungen und die Zuspitzungen für Schlagzeilen zu beenden und zur Vernunft zu kommen“. Man solle zur Sachpolitik zurückkehren und „untergriffige Zwischenrufe“ hinter sich lassen.

Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer wiederum legte eine Erläuterung der Kogler-Aussage nach. „Der politische Ansatz, Menschen in ‚normal‘ und ‚nicht normal‘ einzuteilen, ist brandgefährlich.“ Das sei ganz etwas anderes als der „politisch völlig legitime Anspruch, die Mitte der Gesellschaft mit bestimmten demokratischen Positionen vertreten zu wollen“. Darauf habe Kogler einmal mehr entschieden hingewiesen, wie Voglauer weiter mitteilte.

Von Klebeaktionen bis Gendersternchen

In Mikl-Leitners Gastkommentar in der „Presse“ bilden sich ÖVP-Themen und -Forderungen ab – etwa die Kritik an Klebeaktionen im Straßenverkehr der „Letzten Generation“ und die Position der Volkspartei zu Erbschafts- und Vermögenssteuern: „Die Normaldenkenden, das sind diejenigen, die sich und ihrer Familie durch Arbeit ein lebenswertes Leben schaffen wollen – und nicht diejenigen, die anderen ihr Eigentum wieder abnehmen und verteilen wollen.“

„Normaldenkende“ seien auch jene gewesen, die sich in der Pandemie an wissenschaftlichen Empfehlungen orientiert „und nicht an eine Verschwörung von Echsenmenschen glauben“. Zu den „Normaldenkenden“ zählte Mikl-Leitner aber auch jene, „die auf Andersdenkende und ‚Querdenkende‘ dennoch zugehen und den Ausgleich suchen – und bitte gerne in einer verständlichen Sprache, ohne dabei einen gesteigerten Wert auf das Gendersternchen zu legen“.

Ein zentraler Punkt im schwarz-blauen Arbeitsübereinkommen ist die Einrichtung eines „Corona-Fonds“, der im Juni mit der Auszahlung der vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgehobenen Strafen während der Lockdowns startete – mehr dazu in noe.ORF.at. Zudem kündigten ÖVP und FPÖ einen umstrittenen Erlass zum Gendern in offiziellen Schreiben des Landes an – mehr dazu in noe.ORF.at.

Kogler-Büro: Kritik an Ausdrucksweise

Im Büro des Vizekanzlers hieß es gegenüber noe.ORF.at auf Nachfrage, dass Kogler ausschließlich die Ausdrucksweise Mikl-Leitners kritisiert habe, die ihn an eine Zeit erinnere, wo die Mehrheit entschieden habe, was falsch oder richtig und somit normal sei. Außerdem sollten nicht Politikerinnen und Politiker festlegen, was als normal gilt, ergänzte eine Sprecherin Koglers – mehr dazu in noe.ORF.at.