NATO Flagge vor dem Unabhängigkeitsdenkmal der Ukraine in Kiew
Reuters/Valentyn Ogirenko
Vor NATO-Gipfel

Kiew drängt weiter auf Beitrittszusage

Kurz vor dem NATO-Gipfel drängt die Ukraine weiter auf eine eindeutige Zusage, dass sie in das Bündnis aufgenommen wird. „Wir möchten, dass alle Entscheidungen während des Gipfels getroffen werden. In diesem Fall ist es klar, dass ich dort sein werde“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des US-Senders ABC. Unterstützung für Kiew kam zuletzt auch von der Türkei.

„Ich will nicht zum Spaß nach Vilnius fahren, wenn die Entscheidung schon vorher gefallen ist“, fügte Selenskyj hinzu. Am Dienstag und Mittwoch kommen die Staats- und Regierungsspitzen der 31 NATO-Staaten in der litauischen Hauptstadt zusammen, um unter anderem über die NATO-Beitrittsperspektive für die Ukraine zu beraten. „Die Ukraine sollte klare Sicherheitsgarantien bekommen, solange sie nicht in der NATO ist“, forderte Selenskyj im ABC-Interview. Nur unter diesen Bedingungen sei das Treffen sinnvoll, so Selenskyj.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Olexij Makejew, mahnte, dass die Fehler vom NATO-Gipfel in Bukarest 2008 nicht wiederholt werden dürften. Damals hatte sich vor allem Deutschland unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen eine schnelle Aufnahme der Ukraine in das Bündnis gestemmt. „Wäre die Ukraine 2014 bereits NATO-Mitglied gewesen, hätte es die Krim-Annexion, den Krieg im Donbas und jetzt den russischen großangelegten Angriffskrieg sicherlich nicht gegeben“, sagte der Botschafter.

Unterstützung aus Ankara, Biden skeptisch

Unterstützung für Kiew kam aus Ankara.„Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Ukraine die Mitgliedschaft in der NATO verdient“, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am späten Freitagabend nach einem Treffen mit Selenskyj in Istanbul. Gleichzeitig forderte er Russland und die Ukraine auf, zu „Friedensgesprächen zurückzukehren“.

Ukraine erhält Streubomben

Am Samstag war der 500. Tag im Ukraine-Krieg. Derzeit läuft die Gegenoffensive Kiews, aber nur schleppend. Deshalb will die Ukraine Streubomben einsetzen, eine geächtete Waffen, aber die USA werden diese Munition liefern. Das wird viel kritisiert.

Skeptisch äußerte sich dagegen US-Präsident Joe Biden. „Ich glaube nicht, dass sie für die Mitgliedschaft in der NATO bereit ist“, sagte Biden gegenüber CNN. Er glaube, es gebe unter den NATO-Mitgliedsstaaten noch keine Einigkeit darüber, ob man die Ukraine „jetzt, mitten im Krieg“, in das Bündnis aufnehmen solle oder nicht. Wenn man das täte, sei man auch verpflichtet, jeden Zentimeter des NATO-Territoriums zu verteidigen. Wenn der Krieg dann weiterginge, befänden sich alle NATO-Partner im Krieg.

Doch seien die USA bereit, der Ukraine nach einem Ende des russischen Angriffskrieges ähnlichen Schutz zu bieten wie Israel. Den Vorschlag bezog Biden auf die Zeit zwischen Kriegsende und einem möglichen NATO-Beitritt. In der Zwischenzeit könnten die USA der Ukraine die nötigen Waffen bereitstellen und sie mit Fähigkeiten ausstatten, um sich selbst zu verteidigen. Biden betonte aber, dass das nur im Fall eines Waffenstillstandes und eines Friedensabkommens denkbar wäre.

Selenskyj betont Durchhaltewillen

Zum 500. Tag seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine betonte der ukrainische Präsident den Durchhaltewillen seines Landes. Die Ukraine werde „niemals durch die Besatzer erobert werden, denn wir sind das Land der Tapferen“, sagte Selenskyj in einem am Samstag veröffentlichten Video, das ihn bei einem Besuch auf der symbolträchtigen Schlangeninsel im Schwarzen Meer zeigt.

Wolodymyr Selenskyj auf der Schlangeninsel
APA/AFP/Ukraine Presidency
Das ukrainische Präsidentenamt veröffentlichte Bilder von Selenskyj auf der Schlangeninsel

Asow-Kommandeure zurück in Ukraine

Der ukrainische Präsident brachte unterdessen nach eigenen Angaben mehrere an der Verteidigung des Stahlwerks Asow-Stahl in Mariupol beteiligte hochrangige Offiziere aus der Türkei heim. „Nach Hause“, schrieb Selenskyj am Samstag zu einem Foto auf seinem Telegram-Kanal, das ihn im Flugzeug zusammen mit drei Kommandeuren des Asow-Regiments, dem Chef der Marineinfanteriebrigade 36, Serhij Wolynski, und dem Kommandeur der 12. Brigade der Nationalgarde, Denys Schlehu, zeigt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskiy mit mehreren hochrangigen ukrainischen Offizieren, die aus Gefangenschaft frei gekommen sind
Reuters/Ukrainian Presidential Press Service
Ein vom Präsidentenamt öffentlich gemachtes Foto zeigt die Asow-Kommandeure und Selenskyj auf dem Weg in die Ukraine

Die Männer waren nach der Eroberung von Asow-Stahl in russische Gefangenschaft geraten, wurden dann aber an die Türkei ausgeliefert. Sie seien nun „nach Verhandlungen mit der türkischen Seite“ wieder in ihre Heimat zurückgebracht worden, heißt es auf der Seite der ukrainischen Präsidialadministration. Selenskyj habe sie auf dem Flughafen von Istanbul getroffen und zu ihrer Rückkehr beglückwünscht.

Russland: Türkei verletzt mit Freilassung Abkommen

Moskau reagierte empört: Die russische Regierung warf der Türkei vor, mit der Ausreiseerlaubnis für kriegsgefangene ukrainische Soldaten Abmachungen verletzt zu haben.

Die Männer hätten im Rahmen des Gefangenenaustausches bis zum Kriegsende in der Türkei bleiben sollen, sagte Regierungssprecher Dmitri Peskow laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur RIA. Die russische Regierung sei über die Freilassung der Soldaten nicht informiert worden.

Streumunition: Guterres-Kritik an US-Plänen

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres kritisierte unterdessen die Ankündigung der USA, Streumunition an die Ukraine zu liefern. Guterres wolle nicht, „dass weiterhin Streumunition auf dem Schlachtfeld eingesetzt wird“, erklärte ein Sprecher. Washington hatte am Freitag angekündigt, die von vielen Ländern geächtete Munition an die Ukraine zu liefern. US-Präsident Biden sprach von einer Übergangslösung und sagte, dass ihm die Entscheidung sehr schwergefallen sei.