Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)
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„Unbedachte Wortwahl“

Mikl-Leitners Replik auf Koglers Kritik

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat am Sonntag auf die Kritik von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) an ihren Aussagen über „normal denkende“ Menschen geantwortet. Kogler hatte Mikl-Leitners Äußerungen „brandgefährlich und darüber hinaus präfaschistoid“ genannt. Mikl-Leitner sprach von einer „unbedachten Wortwahl“ Koglers und fühlte sich in ihren Aussagen bestätigt.

„Dem Chef der Grünen ist es natürlich ein Dorn im Auge, wenn ich ausspreche, was sich die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung zu den Straßenblockaden der Klimakleber denkt – oder zu den eigentlichen Aufgaben der Europäischen Union, die sich nicht als grüne Vorfeldorganisation verstehen soll“, teilte Mikl-Leitner am Sonntag in einer Stellungnahme gegenüber der APA mit.

Kogler hatte die Anleihen der Landeshauptfrau in einem Interview mit „profil“ kritisiert. „Eine derartige Herangehensweise ist das Einfallstor für das Böse in der Welt, um in der Diktion der katholischen ÖVP zu sprechen.“

Kogler: „Was die Norm ist, ist zeitabhängig“

Mikl-Leitner hatte zuletzt häufig damit argumentiert, „die große Mehrheit der Normaldenkenden“ bzw. „die Anliegen der normal denkenden breiten Mitte der Bevölkerung“ zu vertreten – etwa beim Klimaschutz und beim Gendern.

Werner Kogler (Grünen)
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Vizekanzler Kogler hatte Mikl-Leitners Aussagen zu „Normaldenkenden“ scharf kritisiert

Für Kogler ist das „brandgefährlich“: „Denn was die Norm ist, ist zeitabhängig. Die Kirche fand es einmal normal, Frauen zu verbrennen.“ Es gehe in der Demokratie um Mehrheiten, aber auch Minderheiten müssten geschützt werden. „Gute Politiker:innen werben dafür, wovon sie überzeugt sind, und verstecken sich nicht hinter dem, was sie zur Norm erklären.“

Mikl-Leitner: „Politische Ränder werden immer lauter“

Niederösterreichs Landeschefin sprach am Sonntag von einer „unbedachten Wortwahl“ Koglers, die ihre Einschätzung bestätigen würde: „Die politischen Ränder werden immer lauter und immer extremer. Wer in der Mitte steht, wird von den Rechten als links und von den Linken als rechts beschimpft – jetzt sogar als faschistisch. Weil man angeblich nicht sagen darf, dass man in einer Zeit, in der die politischen Ränder zunehmend radikaler werden, der schweigenden Mehrheit der normaldenkenden Menschen eine kräftige Stimme geben will, ja geben muss.“

Wer gegen „Klimakleber“ das Wort ergreife, sei nicht automatisch gegen Klimaschutz. „Wir halten nur nichts davon, rücksichtslos tausende Mitmenschen zu behindern, die nichts anderes wollen, als pünktlich in die Arbeit zu kommen, ihre Kinder in die Schule zu bringen oder was auch immer.“ Autofahren sei nicht verboten, unangemeldete Demonstrationen hingegen schon.

EU nicht „grüne NGO“

Die Landeshauptfrau forderte erneut eine Verschärfung der Rechtslage gegen „Klimakleber“. Weiters solle der „Klimaschutz nicht gegen die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und unseres Kontinents“ ausgespielt werden.

Streit über die „normal denkende Mitte“

Aussagen von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) haben am Samstag die ÖVP Niederösterreich erzürnt. In einem Interview mit „profil“ nannte Kogler die von der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zuletzt vermehrt bemühten Bezüge auf die „normal denkenden“ Menschen „brandgefährlich und darüber hinaus präfaschistoid“.

„Denn als überzeugte Europäerin sage ich auch: Die Europäische Union wurde nicht als grüne NGO gegründet, sondern als Gemeinschaft, die für Friede, Freiheit und Wohlstand innerhalb unserer Union sorgt – und das auch weiter tun soll“, betonte die Landeshauptfrau in ihrem Statement.

ÖVP NÖ forderte Entschuldigung

Die niederösterreichische ÖVP hatte bereits am Samstag eine Entschuldigung Koglers gefordert und scharfe Kritik am Vizekanzler geübt. „Wir lassen uns in Niederösterreich sicher keine Lehrstunde von Herrn Kogler in seiner moralischen Erhabenheit erteilen“, sagte ÖVP-NÖ-Klubchef Jochen Danninger.

Die Grünen „baden schon viel zu lange selbstherrlich in ihren realitätsfremden Vorstellungen der politischen Korrektheit, wo man keinen ‚Mohr im Hemd’ essen darf, jeder Satz mit Gendersternchen unleserlich gemacht werden muss und Kinder sich nicht mehr als Indianer verkleiden dürfen“, so Danninger weiter.

„Untergriffig“ vs. „brandgefährlich“

Die Politik sollte „keine Wortmeldungen wie ‚präfaschistoid‘ verwenden, nur um aufs Titelblatt zu kommen“, teilte unterdessen ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker via Aussendung mit. Vielmehr sei es laut Stocker „an der Zeit, die ständigen Wortgefechte, Übertreibungen und die Zuspitzungen für Schlagzeilen zu beenden und zur Vernunft zu kommen“. Man solle zur Sachpolitik zurückkehren und „untergriffige Zwischenrufe“ hinter sich lassen.

Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer wiederum legte eine Erläuterung der Kogler-Aussage nach. „Der politische Ansatz, Menschen in ‚normal‘ und ‚nicht normal‘ einzuteilen, ist brandgefährlich.“ Das sei ganz etwas anderes als der „politisch völlig legitime Anspruch, die Mitte der Gesellschaft mit bestimmten demokratischen Positionen vertreten zu wollen“. Darauf habe Kogler einmal mehr entschieden hingewiesen, wie Voglauer weiter mitteilte.

Brunner: „Sommerlochdebatte“

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bemühte sich in der ORF-„Pressestunde“ um Kalmierung. Er bewertete die Diskussion als „Beginn einer Sommerlochdebatte“. Die Wortwahl sei dabei „nicht so prickelnd gewesen“ bzw. „hätte man sich anders überlegen können“. Und: „Was normal ist, entscheidet jeder selber.“

Auf die Koalition sah er keine Auswirkungen. Die Zusammenarbeit in der Regierung laufe gut – man habe noch genug zu tun. Klimaschutz sei außerdem auch ein Anliegen der ÖVP – man habe zwar andere Zugänge, das Ziel teile man aber.