NATO-Flagge
APA/AFP/Petras Malukas
Schweden, Ukraine

Alle Augen auf NATO-Gipfel in Vilnius

Der Beitritt Schwedens und das Aufnahmegesuch der Ukraine stehen im Zentrum des am Dienstag im litauischen Vilnius beginnenden NATO-Gipfels. Die Türkei blockiert Schwedens Aufnahme in das Bündnis. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ließ am Montag mit einer überraschenden Forderung aufhorchen. Im Fall der Ukraine wird hinter den Kulissen offenbar an Sicherheitszusagen gearbeitet. Eine offizielle Beitrittseinladung an Kiew dürfte es nicht geben.

US-Präsident Joe Biden bot Kiew bilaterale Sicherheitsgarantien an, wie sie die USA derzeit schon Israel gegenüber bieten. Der NATO-Beitritt „ist ein Prozess, der einige Zeit braucht“, sagte Biden dem US-Fernsehsender CNN mit Blick auf den Wunsch der Ukraine nach einem raschen Beitritt zu dem westlichen Militärbündnis.

„In der Zwischenzeit (…) wären die Vereinigten Staaten bereit, (…) Sicherheit zu bieten“, so wie die USA es für Israel täten, sagte Biden weiter. Nötig dafür sei ein Waffenstillstand oder ein Friedensabkommen. In einem solchen Falle könne Washington der Ukraine Waffen bereitstellen und das Land mit Fähigkeiten ausstatten, um sich selbst verteidigen zu können.

Ukraine Thema auf NATO-Gipfel

Am Dienstag beginnt in Litauen der Gipfel des westlichen Verteidigungsbündnisses NATO. Schweden und die Ukraine wollen NATO-Mitglieder werden. Aber während im Fall von Schweden fast alle Staaten dafür sind, gibt es bei der Ukraine Bedenken.

Deutsche Regierungskreise: Keine Einladung an Kiew

Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte: „Das Konzept sieht vor, dass die Vereinigten Staaten zusammen mit anderen Verbündeten und Partnern innerhalb eines multilateralen Rahmens bilaterale Sicherheitsverpflichtungen mit der Ukraine auf lange Sicht aushandeln.“ Er gehe davon aus, dass sich Biden auf dem NATO-Gipfel in Litauen zu dem Thema mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und den anderen G-7-Staaten beraten werde.

Eine offizielle Einladung an Kiew wird es aber laut deutschen Regierungskreisen nicht geben. „Für eine Einladung der Ukraine, für konkrete Schritte in Richtung Mitgliedschaft (ist) der Zeitpunkt nicht da“, hieß es am Montag in Berlin. „Hierfür gibt es auch unter den Verbündeten keinen Konsens.“

Kiew ortete indes positive Signale. Die NATO werde im Fall der Ukraine nach Angaben von Außenminister Dmytro Kuleba von dem für einen Beitritt üblichen „Membership Action Plan“ (MAP) zur Heranführung an die Standards der Allianz absehen. Darauf hätten sich die 31 NATO-Staaten nach „intensiven Gesprächen“ verständigt, schrieb Kuleba auf Twitter. „Ich begrüße diese langerwartete Entscheidung, die unseren Weg in die NATO abkürzt“, so der Außenminister.

Erdogan will Gespräche über EU-Beitritt

Einen letzten Vermittlungsversuch gibt es indes zwischen Schweden und der Türkei. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg trifft dazu Schwedens Ministerpräsidenten Ulf Kristersson und den türkischen Staatschef Erdogan.

Erdogan sorgte im Vorfeld des Treffens mit einer überraschenden Forderung für Aufsehen. Der Staatschef knüpfte die Zustimmung seines Landes zum schwedischen Beitritt an die Wiederaufnahme der EU-Beitrittsgespräche. „Öffnet erst den Weg für den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union, und dann öffnen wir den Weg für Schweden“, sagte Erdogan.

Bisher hatte die türkische Führung den schwedischen Beitritt unter Verweis darauf blockiert, dass das skandinavische Land nicht ausreichend gegen „Terrororganisationen“ vorgehe – dabei geht es ihr vor allem um die PKK. Dass jüngst erstmals seit Monaten wieder ein Koran bei einer Demonstration in Stockholm angezündet worden war, hatte das Verhältnis zu Ankara zuletzt zusätzlich belastet.

Zwischenstopp bei Charles und Sunak

US-Präsident Biden war indes am Sonntag Richtung Europa aufgebrochen. Zum Auftakt traf Biden am Montag in London König Charles III. und den britischen Premier Rishi Sunak. Mit den Treffen will der Präsident nach Angaben des Weißen Hauses „die engen Beziehungen“ zwischen den USA und Großbritannien weiter stärken.

ORF-Analyse des NATO-Gipfels

ORF-Korrespondentin Raffaela Schaidreiter aus Brüssel und ORF-Korrespondent Christophe Kohl aus Washington sprechen unter anderem über den bevorstehenden NATO-Gipfel sowie über ein von US-Präsident Joe Biden angekündigtes Hilfsangebot der USA an die Ukraine.

Von Großbritannien aus wird Biden dann zum NATO-Gipfel nach Vilnius weiterreisen. Letzte Station von Bidens Reise ist die finnische Hauptstadt Helsinki, wo am Donnerstag ein Gipfeltreffen mit den Staats- und Regierungschefs der nordischen Länder geplant ist.

Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hatten Schweden und Finnland im Mai 2022 die Mitgliedschaft in der NATO beantragt. Finnland ist bereits seit Anfang April Mitglied. Schweden fehlt dagegen nach wie vor die Zustimmung der Türkei und Ungarns.