Bootsunglück: Vorwürfe gegen Küstenwache erhärten sich

Rund um die Bootskatastrophe vom 14. Juni vor der griechischen Küste, bei der Hunderte Geflüchtete umgekommen sind, ist weiterhin die Schuldfrage ungelöst.

Neue Untersuchungen des britischen „Guardian“ mit der ARD und Investigativjournalistinnen und -journalisten der griechischen Plattform Solomon legen nun erneut nahe, dass die griechische Küstenwache falsch gehandelt haben dürfte. Die Anbringung eines Seils dürfte zum Kentern des völlig überladenen Bootes mit geschätzt 500 Menschen an Bord geführt haben. 104 Menschen überlebten das Unglück.

Journalistinnen, Journalisten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führten für die Analyse mehr als 20 Interviews mit Überlebenden durch und stützten sich auf Gerichtsdokumente und Quellen der Küstenwache, um sich ein Bild von verpassten Rettungsmöglichkeiten und ignorierten Hilfsangeboten zu machen.

Deutliche Widersprüche

Mit einem interaktiven 3-D-Modell der Berliner Forschungsagentur Forensis wurde die Nacht, in der das Boot 47 Seemeilen vor Pylos unterging, rekonstruiert. Dafür wurde die Reise des Bootes während seiner letzten Stunden kartiert, die Daten aus dem Logbuch der Küstenwache analysiert sowie Seeverkehrsdaten, Satellitenbilder und Videos, die von nahe gelegenen Handelsschiffen und anderen Quellen aufgenommen wurden, herangezogen.

Daraus, so die Ergebnisse, gingen deutliche Widersprüche zu den Angaben der Küstenwache hervor. Mehrere Überlebende gaben an, dass die Abschleppversuche der Küstenwache die Katastrophe verursacht hätten. Die Küstenwache bestritt, versucht zu haben, den Trawler abzuschleppen.

Unabhängige Untersuchung gefordert

Auch seien neue Beweise zutage gefördert worden, so der „Guardian“. So soll ein Schiff der Küstenwache in einem näher gelegenen Hafen gelegen, aber nie zum Vorfall entsandt worden sein. Zudem hätten die griechischen Behörden nicht wie zuvor berichtet zweimal, sondern dreimal nicht auf Hilfsangebote der EU-Grenzschutzagentur Frontex reagiert haben.

Abgeordnete des Europaparlaments forderten zuletzt eine unabhängige, offizielle Untersuchung. Auch die Rolle von Frontex solle beleuchtet werden. Frontex-Chef Hans Leijtens gab an, dass ein Flugzeug und eine Drohne der europäischen Grenzschutzagentur das Schiff vor dem Kentern überflogen hätten. Frontex habe „Hilfe angeboten, aber es gab keine Antwort der griechischen Behörden“.