Am 29. Juni hätten insgesamt 35 Personen – alle Kommandanten von Einheiten und die Führung des Unternehmens, darunter Prigoschin – an dem dreistündigen Treffen teilgenommen, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Während des Gesprächs habe Putin seine Einschätzung sowohl bezüglich der Aktivitäten von Wagner auf dem Schlachtfeld in der Ukraine gegeben als auch während des Aufstands am 24. Juni.
Der Kreml-Chef habe sich auch die Version der Wagner-Offiziere zu dem Aufstand angehört. Die anwesenden Wagner-Kommandeure sagten Putin laut Peskow, sie seien seine Soldaten und würden weiter für ihn kämpfen. Eine Stellungnahme von Prigoschin lag nicht vor. Putin hatte die Wagner-Aufständischen zuvor als „Verräter“ bezeichnet. Die französische Zeitung „Liberation“ hatte unter Berufung auf westliche Geheimdienstquellen berichtet, dass Prigoschin und seine Kommandeure nach einer Vorladung im Kreml festgehalten worden seien.
Rückzugsbefehl nach Vermittlung durch Lukaschenko
Prigoschin war am 24. Juni mit seinen Söldnern Richtung Moskau marschiert, der Aufstand wurde rund 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt beendet. Seine Söldner hatten das Militärzentrum in Rostow am Don besetzt, mehrere Kampfhubschrauber und ein Flugzeug wurden abgeschossen. Prigoschin hatte die Absetzung der Militärspitze gefordert, vor allem von Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow.
Unter Vermittlung des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko wurde am Abend des 24. Juni mit dem Kreml verhandelt, und Prigoschin gab den Rückzugsbefehl. Der Wagner-Chef wurde zur Ausreise nach Belarus gezwungen, dafür wurde ihm Straffreiheit zugesichert. Den Wagner-Söldnern sicherte Putin ebenfalls Straffreiheit zu. Sie konnten entscheiden, ob sie ebenfalls nach Belarus ausreisen oder nach der Unterzeichnung neuer Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium weiter an der Seite Russlands gegen die Ukraine kämpfen.
ISW: Söldner potenzielle „Gefahr“ für Putin
Unklar ist aber, ob diese Vereinbarung tatsächlich umgesetzt wurde. Erst vergangene Woche bestätigte Lukaschenko, dass sich Prigoschin – auch – in St. Petersburg in Russland aufhalte. In St. Petersburg befinden sich die Zentrale von Prigoschins Firmenimperium Concord und sein Wohnsitz. Zudem hätten die Wagner-Kämpfer das Angebot, nach Belarus zu kommen, bisher nicht angenommen, so Lukaschenko. Einige Wagner-Kämpfer sollen inzwischen Verträge mit der regulären russischen Armee geschlossen haben.
Kreml bestätigt Treffen zwischen Putin und Prigoschin
Statt die Söldnertruppe Wagner nach deren Putschversuch gegen die russische Militärführung aufzulösen und Wagner-Chef Jewgewni Prigoschin zu bestrafen, bestätigt der Kreml ein Treffen zwischen Prigoschin und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Der US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) sieht bei den Wagner-Söldnern aber nach wie vor eine potenzielle Gefahr für Putin: „Putin erlaubt Wagner und Prigoschin weiter, in Russland zu operieren und potenziell eine Gefahr für sein Regime zu sein“, so die Analyse. Sie könnten sich weiterhin frei in Russland bewegen. Putin habe entweder ein bemerkenswertes Vertrauen in die beteuerte Loyalität Prigoschins oder er sei unfähig, gegen die Wagner-Truppen vorzugehen.
Generalstabschef Gerassimow wieder aufgetaucht
Am Montag trat Gerassimow offenbar erstmals seit der versuchten Revolte vor rund zwei Wochen wieder in der Öffentlichkeit auf. Das Verteidigungsministerium in Moskau veröffentlichte Aufnahmen, wie Gerassimow in einer Sitzung mit führenden Generälen auch des Militärgeheimdiensts über die Abwehr ukrainischer Raketenangriffe auf die annektierte Halbinsel Krim sowie die russischen Regionen Rostow und Kaluga informiert wird.
Dabei wurde sein Titel, Chef des Generalstabs der russischen Streitkräfte, verwendet. Damit demonstrierte das Ministerium, dass Gerassimow seinen Posten behalten hat. Noch offen ist, wie es mit Gerassimows Stellvertreter Sergej Surowikin weitergeht. Wo sich der Oberbefehlshaber der Luft- und Raumfahrtstreitkräfte seit dem Söldneraufstand aufhält, ist unbekannt. Er zeigte sich seither nicht mehr in der Öffentlichkeit.