Abgeordnete im Parlament
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Nationalrat

Ein bisschen Spaß muss sein

Politik ist eine ernste Sache. Doch wer die Sitzungen des Nationalrats verfolgt, wird schnell merken: Die Abgeordneten haben ab und zu auch Spaß. Die einen sind erheitert, während die Konkurrenz spricht, die anderen amüsieren sich über Spitzen gegen die Regierung. Anhand der stenografischen Protokolle hat ORF.at das parlamentarische Gelächter fein säuberlich seziert.

Im Dezember sorgte Ulrike Fischer für einige Lacher. Um 20.30 Uhr stand die Abgeordnete der Grünen hinter dem Rednerpult im Sitzungssaal und sprach über einen Antrag zu Eiern. „Ich erinnere mich, als wir im Ausschuss erstmals über den Eierantrag diskutiert haben. Damals war das wirklich nur so eine kleine Geschichte, halt so ein kleines Ei, und jetzt haben wir es geschafft, dass die Europäische Kommission erkannt hat, wie wichtig Eier sind“, sagte Fischer.

Aus den Reihen der Abgeordneten tönte bereits erstes Gelächter. „Dass Eier länger halten, ist uns allen klar, ja, aber jetzt haben wir da auch eine …“, sagte Fischer und lachte ein paar Sekunden lang, „… jetzt haben wir da was geschafft.“ Der Plenarsaal war amüsiert, auch wenn der Anlass der Rede ernst war. Immerhin behandelte der Nationalrat weitere Maßnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung.

Lacher über „Eierantrag“ im Nationalrat

Mitte Dezember 2022 hat Grünen-Abgeordnete Ulrike Fischer für einige Lacher im Nationalrat gesorgt. „Ich erinnere mich, als wir im Ausschuss erstmals über den Eierantrag diskutiert haben“, sagte sie. Aus den Reihen der Abgeordneten tönte bereits Gelächter. Später lachte Fischer auch selbst.

Das Lachen im Zuge des „Eierantrags“ ist nur eines von zahlreichen Beispielen, die zeigen, dass auch Abgeordnete ab und zu heiter sein können. In einigen Fällen lachen die Politiker und Politikerinnen mit ihren Kollegen, in den anderen amüsieren sie sich über die Reden der Konkurrenz. Manchmal verfällt auch das ganze Plenum ins Gelächter. ORF.at hat anhand der stenografischen Protokolle eine Vermessung des Humors im Nationalrat vorgenommen.

Von „erheitert“ bis „lebhafte Heiterkeit“

Seit Jahrzehnten werden die Debatten im Parlament in einem Wortprotokoll verschriftlicht. Neben den Reden werden auch Gesten und Aktionismus wie das Hochhalten von Schildern von den Stenografen und Stenografinnen notiert. Mit Beschreibungen wie „bereits in der Nähe des Rednerpults wartend“ und „den Kopf wiegend“ soll die Plenardebatte plastisch nachgezeichnet werden. Schriftlich erfasst werden auch der Applaus von Fraktionen oder einzelnen Abgeordneten, Ordnungsrufe des Nationalratspräsidenten und eben das Lachen der Mandatare und Mandatarinnen.

Nationalratsabgeordnete Kai Jan Krainer und Max Lercher gut gelaunt im Plenarsaal des Parlaments
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Es darf auch einmal gelacht werden – ob in den vorderen oder hinteren Reihen des Plenarsaals

Dafür werden die Bemerkungen „Heiterkeit“, „lebhafte Heiterkeit“ oder „erheitert“ verwendet. "Erheitert“ komme vor, wenn eine komplette Aussage von Lachen begleitet wird, heißt es aus der Abteilung Stenographische Protokolle gegenüber ORF.at. „Heiterkeit“ hingegen werde verwendet, wenn Redner oder Rednerinnen an einer bestimmten Stelle lachen oder offensichtlich erheitert sind, allerdings auch dann, wenn im Plenum entsprechende Regungen wahrgenommen werden. Und „lebhafte Heiterkeit“ werde erst notiert, „wenn die Abgeordneten ganz salopp gesagt eine Hetz haben“.

Da die Protokolle sehr weit in die Vergangenheit zurückreichen, ist es durchaus möglich, dass das Lachen auch mit anderen Begriffen erfasst worden ist. Andererseits wurden einige Definitionen wieder verworfen, wie die „ironische Heiterkeit“. Es sei Interpretationssache, ab wann man ein Lachen als „ironisch“ bezeichnet. Beginne man einmal damit, Heiterkeit an manchen Stellen als ironisch zu klassifizieren, unterstelle man so an allen anderen Stellen echte Erheiterung – das könne heikel werden, gibt die Abteilung Stenographische Protokolle zu bedenken.

Selbst wenn sich die Begriffe über die Jahrzehnte geändert haben: Emotionen wie Zustimmung, Empörung und Heiterkeit sind seit sehr langer Zeit fester Bestandteil der stenografischen Protokolle, im Grunde seit Beginn des österreichischen Parlamentarismus Mitte des 19. Jahrhunderts. Während einer Sitzung des Abgeordnetenhauses des Reichsrates im Jahr 1861 wurde bereits ein „Lachen links“ notiert. Der Begriff „Heiterkeit“ lässt sich in einem Protokoll aus dem Jahr 1919 finden. Gelacht wird also seit jeher – und hört seitdem nicht auf.

Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer und Michel Reimon (Grüne) im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlamentsausweichquartier in der Wiener Hofburg am Mittwoch, 21. September 2022
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Zwar herrscht im Parlament ein informeller Klubzwang, aber Abgeordnete entscheiden selbst, worüber sie lachen

„Er ist Zuckerbäcker!“

Besonders oft gelacht wurde im Jahr 2000. Zu dieser Zeit regierte eine Koalition aus ÖVP und FPÖ. Auf den ersten Blick mag die große Freude im Parlament wundern, war doch die internationale Kritik an der FPÖ-Regierungsbeteiligung groß. Ins kollektive Gedächtnis hat sich allen voran Bundespräsident Thomas Klestil eingeprägt, der mit eiserner Miene die neue Regierung angelobte. In den Protokollen aus dem Jahr 2000 stößt man oft auf „ironische Heiterkeit“ bei der Opposition aus SPÖ und Grünen. Aber auch die FPÖ zeigte sich mehrmals ironisch belustigt.

Anhand der Daten ist deutlich zu sehen, dass während Plenarsitzungen weniger gelacht wird, wenn SPÖ und ÖVP gemeinsam in der Regierung sitzen. Auch während der SPÖ-FPÖ-Regierung Anfang der 80er Jahre zogen sich die Mundwinkel seltener nach oben als etwa bei den ersten Jahren der ÖVP-Alleinregierung 1966 bis 1970. Die SPÖ-Absolute von 1971 bis 1983 führte hingegen nicht zu mehr Gelächter. Unter der Ära von Kanzler Bruno Kreisky (SPÖ) wurde 1981 besonders selten gelacht.

Wann und warum jemand lacht, hängt freilich von vielen Faktoren ab. So kommt es auf den Humor der Personen an, die gerade anwesend sind bzw. die Reden halten. Allerdings spielen auch Zwischenrufe von Abgeordneten eine Rolle. In nicht wenigen Fällen wird nämlich während einer Rede gelacht, wenn diese aus den Sitzreihen heraus kommentiert wird. Hinzukommt freilich noch die Redezeit: Klubs, die wegen der Mandatsstärke öfter sprechen dürfen, haben länger Zeit, um Lacher zu generieren. Gleichzeitig kann sich die politische Konkurrenz auch öfter über Reden lustig machen – eben durch Zwischenrufe.

Allerdings kam auch schon vor, dass das ganze Plenum in „schallende Heiterkeit“ verfällt – zumindest hielt das der Stenografische Dienst im Juni 1967 fest. Während der Rede des ÖVP-Mandatars Hans Kulhanek rief SPÖ-Politiker Josef Staribacher „Er ist Zuckerbäcker!“ dazwischen. Später sagte der Abgeordnete, dass er gar nichts gegen Zuckerbäcker habe. Er sei nämlich selbst gelernter Steindrucker und „übrigens ein sehr schlechter Lithograph“. Daraufhin zitierte Staribacher seinen Lehrer: „Staribacher, werden Sie Zuckerbäcker, dann können Sie ‚Hoch Anna!‘ auf die Torte schreiben, das ist besser für Sie!“

Peter Westenthaler mit Protestbriefen der Grünen lachend im Parlament
APA/Harald Schneider
Unter der ÖVP-FPÖ-Koalition wurde Anfang der 2000er Jahre besonders oft gelacht

FPÖ und NEOS ganz oben auf der Lachskala

Auch wenn die Abgeordneten der laufenden Legislaturperiode nicht an das Lachlevel der frühen 2000er Jahre herankommen, schallt aus dem Plenarsaal relativ oft Gelächter. Ein wesentlicher Faktor ist allen voran die FPÖ. Die Oppositionspartei findet am öftesten einen Grund, um zu lachen. Das geht zumindest aus den stenografischen Protokollen aus den Jahren 2019 bis 2022 hervor. Für die Auswertung hat ORF.at jedes Protokoll der Sitzungen des Nationalrats durchgesehen und „Heiterkeit“ und „erheitert“ systematisch erfasst.

In Anlehnung an die Wählerstromanalyse werden in der ORF.at-„Lachstromanalyse“ lachende und redende Abgeordnete je nach Klub gegenübergestellt. Links sind jene Abgeordneten abgebildet, die während einer Rede gelacht haben, rechts jene Mandatare und Mandatarinnen, die gerade am Rednerpult standen. Gelacht wird aber auch bei Zwischenrufen während einer Rede. Recht deutlich zeigen die Daten: Klubs lachen in erster Linie während der Reden ihrer Mitglieder.

Besonders Abgeordnete von NEOS finden ihre Kollegen und Kolleginnen offenbar lustig. Mehr als 40 Prozent des NEOS-Lachens („Heiterkeit“ und „erheitert“) wurde während NEOS-Reden notiert. Dahinter folgt die FPÖ, die ein Drittel ihres Humors bei den eigenen Klubmitgliedern auslebt. Die Reden der Opposition beinhalten in der Regel Kritik an der Koalition bzw. an der Arbeit der Regierung.

Gemessen an der Mandatszahl steht die kleinste Oppositionspartei in der Lachtabelle ganz oben. Durchschnittlich lachte ein NEOS-Mandatar bzw. eine NEOS-Mandatarin in den ausgewerteten Plenarsitzungen 25-mal. Dahinter folgen die Freiheitlichen mit 18 Lachern pro Klubmitglied. Abgeordnete der Grünen (zehn), der SPÖ (neun) und der ÖVP (sieben) zeigen sich weniger lachfreudig. NEOS-Mandatarin Karin Doppelbauer ist am häufigsten über sich selbst „erheitert“, FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch lacht grundsätzlich am öftesten.

Loacker: „Humor im Parlament ist wichtig“

Worüber gelacht wird, ist auch hier sehr unterschiedlich. Einmal zeigen sich die Abgeordneten erheitert, weil ÖVP-Mandatar und Touristiker Franz Hörl in Sachen Klimaschutz eine mangelnde Innovation beklagte. „Fred Feuerstein lässt aus seiner Steinhöhle grüßen“, sagte er, holte sich Applaus von der ÖVP sowie „Heiterkeit“ von der SPÖ und den Grünen ab. Ein anderes Mal ergatterte SPÖ-Mandatar Harald Troch kollektives Lachen, weil er anmerkte: „Zuerst eine gute Nachricht: Ich bin letzter Redner der SPÖ und habe noch acht Minuten Restredezeit.“

Ganz oben auf der Liste der „lustigsten“ Abgeordneten steht Gerald Loacker. Während der Reden des NEOS-Mandatars wird am häufigsten gelacht. Im Gespräch mit ORF.at zeigt sich der Politiker über den ungewöhnlichen ersten Platz zwar erheitert, aber gleichzeitig auch wenig überrascht. „Vom Typ her bin ich ein witziger Mensch“, betont Loacker. Man dürfe sich nicht immer so ernst nehmen, auch nicht während der Reden im Hohen Haus. „Humor im Parlament ist insofern wichtig, weil man damit auch die Aufmerksamkeit generiert.“

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und FPÖ-Klubchef Herbert Kickl lachend im Parlament
APA/Roland Schlager
Ab und zu wird auch parteiübergreifend gelacht – auch wenn einander inhaltlich Welten trennen

Loacker ist weder ein Redner der Traurigkeit noch jemand, der zart mit der Konkurrenz umgeht. Für Lacher sorgte er in der Vergangenheit zum Beispiel dann, wenn er die FPÖ Richtung Deutschland verweist („Mit Deutschland hat die FPÖ ja eine besonders enge Beziehung“), der ÖVP attestiert, nicht richtig zuzuhören („In diesem türkisen Gehörgang ist irgendeine Bohne drin“), und den Grünen vorhält, sie würden die ÖVP-„Reibungswärme“ fälschlicherweise als „Nestwärme“ wahrnehmen.

Tatsache ist auch, dass eine Rede im Parlament von den Reaktionen lebt, die darauf folgen. Abgeordnete, die hinter dem Rednerpult stehen und vom Zettel ablesen, werden kaum über die gesamte Redezeit die Aufmerksamkeit auf sich lenken können. „Die Kunst liegt ja darin, die Abgeordneten, die seit acht Stunden auf ihren Plätzen sitzen, von der eigenen Rede zu überzeugen“, sagt Loacker. Ein bisschen Schmäh könne dabei helfen. Zudem hätten die Zuseherinnen und Zuseher auch lieber eine „humorige als trockene Rede“.

„Moment, ohne Aufregung!“

Neben Loacker bringen FPÖ-Chef Herbert Kickl, ÖVP-Klubobmann August Wöginger und SPÖ-Mandatar Jörg Leichtfried den Plenarsaal oft zum Lachen. Auch Christian Hafenecker (FPÖ) und Nurten Yilmaz (SPÖ) zählen zu jenen, die mit ihren Reden für Lacher sorgen. Als Yilmaz zum Ende des „Ibiza“-U-Ausschusses im Juli 2021 der ÖVP eine „erotische Beziehung“ zum Schreddern attestierte und die Grünen „Was ist mit euch?“ fragte, konnte sich der Saal nicht mehr halten.

Eigentlich steht auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) weit oben auf der Liste der „lustigsten“ Abgeordneten. Als Nationalratspräsident hält er aber kaum Reden, sondern meldet sich zu Wort, um für Ruhe und Ordnung im Plenarsaal zu sorgen und um einen reibungslosen Ablauf der Debatte zu gewährleisten. Beispielsweise musste er im März 2022 eingreifen, weil das Mikrofon des Rednerpults nicht funktionierte. „Moment, ohne Aufregung! Es dürfte an der Technik liegen“, sagte er. Die SPÖ rief: „Na geh.“ Es folgte Gelächter.

Finanzminister Magnus Brunner, Wirtschaftsminister Martin Kocher und Außenminister Alexander Schallenberg lachend im Parlament
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Auch Regierungsmitglieder zeigen manchmal Humor und sorgen für Lacher oder lachen selbst

FPÖ-Klubobmann Kickl hält hingegen sehr wohl Reden. Er ist für seine Rundumschläge gegen die Regierung bekannt. Während seiner Reden lachen insbesondere die eigenen Klubmitglieder. Im September 2020 übte Kickl scharfe Kritik an der Coronavirus-Politik der Regierung und machte sich über die Maßnahmen lustig. Die verordnete Maskenpflicht bezeichnete er als den „einzigen Maskenball, der das ganze Jahr noch stattfindet“, die Sozialdemokraten als „Komplizen“ der ÖVP-Grünen-Bundesregierung. Aus den Reihen der FPÖ tönte Lachen.

Dass Abgeordnete eher lachen, wenn Parteifreunde sprechen, liegt auf der Hand. In den Plenardebatten müssen die Klubs ihren Mitgliedern unterstützend zur Seite stehen. Von 2019 bis 2022 verzeichnete der Stenografische Dienst aber „allgemeine Heiterkeit“ am öftesten. In den Debatten wurde also auch parteiübergreifend gelacht, wie etwa bei der „Eierantrag“-Rede von Grünen-Mandatarin Fischer. Was sich wohl alle dachten, sprach sie aus: „Lachen ist ja hin und wieder erfrischend.“