Ukrainischer Soldat mit Funkgerät vor einer Haubitze
AP/Evgeniy Maloletka
Kampf um Bachmut

Hinweise auf geänderte Vorzeichen

Seit fünf Wochen läuft die ukrainische Gegenoffensive – zwischenzeitlich war von Kiew selbst ein langsames Vorankommen gemeldet worden. Doch gehen neueste Einschätzungen von erheblichen Rückeroberungen aus – laut dem aktuellen Bericht des US-Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) habe die Ukraine fast so viel Gelände befreit, wie Russland zuvor im Zuge seiner Winteroffensive in einem halben Jahr besetzen konnte. Und auch bezüglich der Lage in Bachmut gibt es Hinweise auf geänderte Vorzeichen.

Die russischen Truppen hatten die mittlerweile völlig zerstörte Stadt Ende Mai nach langem Kampf nach eigener Darstellung eingenommen, nachdem sie von den Invasoren zum strategisch wichtigen Eroberungsziel erklärt worden war. Auch die aktuell marginalisierte Gruppe Wagner hatte im Kampf um die Stadt eine zentrale Rolle gespielt. Nachdem die Kämpfe im Juni weniger wurden, nahmen die Kampfhandlungen neuerdings wieder deutlich zu, wie Quellen beider Seiten übereinstimmend berichten.

Kiew meldet „langsames Einkesseln“

Und zuletzt meldete die Ukraine Fortschritte rund um Bachmut – man habe die Kontrolle über wichtige Anhöhen unweit der Stadt im Gebiet Donezk übernommen, hieß es. Seit einigen Tagen seien „Eingänge, Ausgänge und Feindbewegungen in der Stadt unter Feuerkontrolle“, meldete Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar. Armeechef Olexandr Syrskyj sprach davon, dass sich der Feind „in der Falle befinde“.

Auf diese Weise könne man die russischen Truppen in der Stadt und an ihren Flanken „langsam einkesseln“, so die ukrainische Darstellung. Das ISW ordnete dazu ein, dass sowohl ukrainische als auch russische Quellen in den letzten Tagen angedeutet hätten, dass die Ukraine in der Gegend von Bachmut und an ihren südwestlichen Flanken an Boden gewinne, dazu zählten auch „spezifische Geländemerkmale“, die der Ukraine einen Feuervorteil verschaffen könnten.

Zerstörte Gebäude in Bachmut (Ukraine)
Reuters/93rd Kholodnyi Yar Brigade
Bachmut ist von Kampfhandlungen enorm gezeichnet. Das Bild wurde Mitte Juni aufgenommen.

Russischer Blog Rybar rechnet mit „erbitterten Kämpfen“

Auch seitens russischer Militärblogger wird eine entsprechende Befürchtung geäußert: Im aktuellen Rybar-Bericht von Montag ist von „neuen, erbitterten Kämpfen“ die Rede, auf die sich die russische Seite vorbereite. Gleichzeitig würden die ukrainischen Streitkräfte unentwegt versuchen, die Südflanke der Stadtverteidigung zu durchbrechen, wie der reichweitenstarke russische Militärblog in seiner Einschätzung via Telegram mitteilte. Doch ist auch davon die Rede, dass die Angriffe gestoppt worden seien.

Das ISW weist in seiner neuesten Einschätzung gleichzeitig darauf hin, dass die seit mindestens Februar von russischen Quellen erhobene Behauptung, wonach man die Stadt unter Feuerkontrolle habe, bei ukrainischen Quellen und der Armee „keine Besorgnis“ ausgelöst habe, wie es hieß. In diesem Umstand sieht das ISW einen Hinweis, wonach die ukrainischen Angaben zur Lage in Bachmut in diesem Fall als „glaubwürdiger“ einzuschätzen seien, so das ISW.

ISW: Hinweise auf „Gefährdung“ von russischem Einfluss

Die anhaltenden Signale der ukrainischen Seite zu den operativen Absichten in Bachmut sowie die Besorgnis der russischen Blogger darüber, was genau diese Absichten sein könnten, deuten möglicherweise darauf hin, dass die Offensive den russischen Einfluss in Bachmut „glaubhaft gefährden“ könnte, so das ISW. Es sei aber viel zu früh, eine ukrainische Befreiung der russisch besetzten Stadt zu prophezeien.

Zuletzt hatten Militärfachleute des britischen Geheimdiensts in Bezug auf die Lage in Bachmut eingeschätzt, dass die russische Armee trotz intensivierter Kämpfe kaum über Reserven verfüge, um den Sektor um Bachmut zu verstärken. Die Stadt sei in der vergangenen Woche erneut Schauplatz der heftigsten Kämpfe an der Front geworden. Die ukrainischen Streitkräfte hätte hier sowohl im Norden als auch im Süden der Stadt stetige Fortschritte gemacht, hieß es.

Verluste für Moskau wohl „inakzeptabel“

Die russische Seite habe „höchstwahrscheinlich“ mit dem Problem der Mischung unterschiedlicher Einheiten und der begrenzten Fähigkeit, die ukrainische Artillerie anzugreifen sowie mit schlechter Moral zu kämpfen, hieß es. Die Führung in Moskau hielte es aber „mit ziemlicher Sicherheit für inakzeptabel“, Verluste in Bachmut einzugestehen – schließlich stehe die Stadt für eine der „wenigen russischen Errungenschaften in den letzten zwölf Monaten“ und habe „symbolisches Gewicht“.