Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)
ORF
„Kein glaubwürdiger Verhandlungspartner“

Nehammer legt bei Kritik an Kickl nach

ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer hat am Mittwochabend seine Kritik an FPÖ-Chef Herbert Kickl erneuert. In der ZIB2 bestätigte er, dass er eine Koalition mit den Freiheitlichen unter Kickl ausschließe. Dieser ist für Nehammer „kein glaubwürdiger Verhandlungspartner“. Die blau-schwarzen Landesregierungen in Niederösterreich und Salzburg sieht Nehammer nicht als sein Thema.

Nach dem Hintergrundgespräch am Dienstag bezeichnete Nehammer in der ZIB2 Kickl einmal mehr als „Sicherheitsrisiko“ und bezog sich auf Kickls ablehnende Haltung gegenüber dem Raketenschutzschirm „Sky Shield“. „Wenn es darauf ankommt“ – etwa wenn es darum gehe, „neue Wege zu gehen“ –, würde Kickl „kneifen, da will er nicht mitmachen, und das ist das Sicherheitsrisiko, von dem ich gesprochen habe“, so Nehammer.

Auf die Frage, warum ausgerechnet die fehlende Zustimmung zu „Sky Shield“ als rote Linie für Nehammer diene und nicht etwa die Forderung Kickls, eine Streichung der Europäischen Menschenrechtskonvention aus der Verfassung zu überlegen, wich Nehammer aus und verwies in erster Linie auf die veränderte Situation seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Kanzler Nehammer im Studiogespräch

ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) schließt eine Koalition unter Beteiligung von FPÖ-Chef Herbert Kickl aus.

Die Ablehnung Kickls an der FPÖ-Spitze sei dabei nicht Nehammers Privatmeinung, sondern „die Linie der Bundespartei“, so der ÖVP-Chef weiter. Angesprochen auf die Landesregierungen in Niederösterreich und Salzburg, an denen die FPÖ beteiligt ist, sagte Nehammer, dass der Ansprechpartner für ihn der Bundesparteiobmann der FPÖ sei – Salzburg und Niederösterreich sieht Nehammer nicht als sein „Thema“.

Nehammer sieht schlechte Umfrageergebnisse gelassen

Auch die schlechten Umfrageergebnisse, die Kickls FPÖ seit geraumer Zeit auf Platz eins sehen und die ÖVP deutlich dahinter, sah Nehammer eher gelassen. Er verwies auf verschiedene Umfragen, etwa aus eigenem Haus, bei denen das Ergebnis nicht so klar sei. Die einzigen Zahlen, die ihn interessierten, seien die, „wie es dem Land geht“, und er verwies etwa auf die Inflation.

Die Verlässlichkeit seines Wortes werde man letztlich prüfen können, „wenn die Wahl geschlagen ist und ich tatsächlich den Regierungsbildungsauftrag bekomme“, so Nehammer. Dann, so der ÖVP-Chef weiter, werde wohl auch Kickl „keine wesentliche Rolle mehr in der FPÖ spielen“.

Gegen Diskussion über „normal“

Auch auf den von der ÖVP Niederösterreich ins Spiel gebrachten Begriff der „Normaldenkenden“ wurde Nehammer angesprochen – er bezeichnete die Debatte darüber als „absurd“. Er akzeptiere keine „Scheindiskussion“, es gehe stattdessen darum, „für die Menschen da zu sein“, so Nehammer. Er finde es schlecht, wenn die „Ausnahme zur Regel“ werde und damit für „die Mehrheit als Verpflichtung gesehen wird“, so der ÖVP-Chef weiter.

Eine vorzeitige Neuwahl sieht Nehammer weiterhin nicht. Gefragt, was abseits von Kickl rote Linien für ihn seien, sagte er, dass seine „rote Linie das Wahldatum“ sei. Dieses „sei nächstes Jahr“, bis dahin habe man sich vorgenommen, gemeinsam mit den Grünen zusammenzuarbeiten.

Haslauer: „Ton auf Ebene des Bundes ein anderer“

In jenen Bundesländern, in denen die ÖVP mit der FPÖ regiert, hatte es davor am Mittwoch relativ harmonische Reaktionen auf die Äußerungen Nehammers gegeben. „Der Ton auf Ebene des Bundes ist ein anderer als in Salzburg. Das färbt nicht auf die Koalition ab – das eine ist Kickl, das andere die Salzburger FPÖ“, sagte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) gegenüber dem „Standard“. Aus Niederösterreich hieß es gegenüber dem Blatt, dass man auf die Landespolitik reagieren wolle, und Nehammers Linie jetzt für die Bundesebene gelte.

Unterstützung von Karner und Tanner

Am Mittwoch kritisierte auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) den FPÖ-Chef und stellte sich damit hinter ihren Parteichef. Dem freiheitlichen Parteichef und Klubobmann sei der Schutz der eigenen Landsleute egal, konstatierte die ÖVP-Ministerin am Mittwoch. „Bei Herbert Kickl wundert mich schon lange nur mehr wenig. Vor allem nach seiner Performance als Innenminister verwundert es nicht, dass Kickl auch die österreichische Beteiligung an Sky Shield für billigen Populismus opfern will“, so Tanner.

Am Donnerstag stimmte auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in die Kritik an Kickl ein. In einer Aussendung kritisiert er, dass Kickl als Ressortchef den Verfassungsschutz in Österreich in Trümmer gelegt habe. Die FPÖ reagierte auf die Angriffe abwehrend. Karner sagte, dass es erst mit der Neugründung der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst gelungen sei, wieder eine Schutzmauer für die Republik Österreich hochzuziehen: „Die DSN musste sich mühsam Schritt für Schritt wieder das Vertrauen der internationalen Partner erarbeiten und sich völlig neu aufstellen.“

Von einer „roten Linie“ gegenüber Kickl hat unter den ÖVP-Regierungsmitgliedern zuletzt schon Verfassungsministerin Karoline Edtstadler gesprochen. ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher hat eine Beteiligung an einer Regierung unter der Kanzlerschaft des aktuellen FPÖ-Chefs ebenso ausgeschlossen wie Außenminister Alexander Schallenberg. Auf Anti-Kickl-Linie war am Dienstag auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker gefahren. Er bezeichnete ihn als sicherheitspolitischen Geisterfahrer und führte Kickls Umgang mit dem Staatsschutz und seine Haltung zu Russlands Präsident Wladimir Putin als Argumente an.

FPÖ reagierte gelassen

Gelassen hatte schon am Dienstag FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker auf die Aussage Nehammers, wonach dieser eine Zusammenarbeit mit Kickl nach der nächsten Wahl ausschließe, reagiert. „Die Frage wird sich gar nicht stellen, weil nach der zu erwartenden Schlappe für die korruptionsgebeutelte ÖVP wohl auch Nehammer nicht mehr Parteichef sein wird und er damit in der Kanzlerfrage keine Rolle mehr spielen wird.“ Die ÖVP habe in Sachen Obmann traditionell eine sehr kurze Halbwertszeit, so Hafenecker.

Am Donnerstag legte Hafenecker nach. Für ihn ist nicht Kickl, sondern Nehammer „nicht nur ein Sicherheitsrisiko, sondern insgesamt ein kapitaler Schaden“ für das Land. Er hielt dem Regierungschef in einer Aussendung unter anderem vor, dass zu dessen Zeit als Innenminister eine „Völkerwanderung“ nach Österreich begonnen habe. Auch der Terroranschlag in Wien habe in dessen Amtszeit stattgefunden, und es habe sich gezeigt, dass im Vorfeld ausreichend Hinweise vorgelegen wären, um den islamistischen Attentäter vor seiner Tat zu stoppen.