Freispruch für „Zehn-Sekunden-Grapscher“ empört Italien

Der Freispruch eines Schulwarts, der eine Schülerin an einer italienischen Schule unsittlich berührt hat, sorgt für landesweite Empörung. Mit Videos in sozialen Netzwerken zeigen Italiener und Italienerinnen, wie lange zehn Sekunden tatsächlich sind, wenn man gegen den eigenen Willen berührt wird.

Vor einem Gericht in Rom hatte das Opfer den Vorfall vor über einem Jahr geschildert. Der 66-jährige Schulwart habe die damals 17-Jährige am Gesäß berührt, ihre Unterwäsche gepackt und hochgezogen, als sie eine Treppe hinaufging. Zeugenaussagen bestätigten die sexuelle Belästigung.

„Das ist zumindest für mich kein Scherz“

Der Mann gestand zwar die Tat, meinte aber, es habe sich dabei um einen „Scherz“ gehandelt. Ähnlich sah es auch das Gericht und bewertete die Tat als „ungeschickte Handlung ohne Triebhaftigkeit“, wie die Tageszeitung „Corriere“ aus der Urteilsbegründung zitierte. Der Vorgang, der fünf bis zehn Sekunden dauerte, sei zu kurz für eine Straftat, so das Gericht.

„Das ist zumindest für mich kein Scherz“, kommentierte die mittlerweile 18-Jährige das Urteil, wie der „Corriere“ in einem weiteren Artikel schrieb. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren gefordert, da sie die Absicht in den Schilderungen der Schülerin deutlich sah.

„Wir sind empört“

Nach dem Freispruch meldete sich die Studenten- und Studentinnenvereinigung zu Wort: „Wir sind empört. Wieder einmal wird eine Belästigung aus einem absurden Grund nicht als solche anerkannt, dieses Mal sogar aufgrund ihrer Dauer.“

Die Koordinatorin der örtlichen Studierendenvereinigung Rete degli Studenti Medi kommentierte: „Wir wollen uns überall sicher fühlen, vor allem aber in den Schulen, in denen wir lernen sollten, geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung zu erkennen und abzubauen.“

In sozialen Netzwerken solidarisierten sich viele Menschen mit der Schülerin und posteten Videos, auf denen sie sich zehn Sekunden lang selbst angreifen. Den Anfang machte der für seine Rolle in „The White Lotus“ bekannte italienische Schauspieler Paolo Camilli.

Das Urteil könnte auf andere junge Frauen, die sexuell belästigt werden, abschreckend wirken, sagte die Schülerin. Sie hofft nun, dass die Staatsanwaltschaft Berufung einlegt.