General Sergej Surowikin, 2022
Reuters/Sputnik
Moskaus Probleme mit Militärs

General Surowikin laut Bericht in Gewahrsam

Seit dem Ende des Wagner-Aufstands gibt es Spekulationen über eine mögliche Umstrukturierung der militärischen Führung in Russland. Mehrere hochrangige Militärs sind von der Bildfläche verschwunden. Während der Generalstabschef Waleri Gerassimow Anfang der Woche wieder auf seinem offiziellen Posten auftauchte, fehlte von seinem Stellvertreter Sergej Surowikin bisher jede Spur. Wie das „Wall Street Journal“ („WSJ“) nun berichtete, soll er in Moskau festgehalten und verhört werden.

Surowikin, der wegen seiner brutalen Bombenangriffe in Syrien auch als „General Armageddon“ bekannt ist, wurde bisher keines Verbrechens angeklagt, zitiert das „WSJ“ anonyme Quellen aus Moskau. Surowikin habe von den Plänen für den Aufstand gewusst, sei aber nicht an der Meuterei vom 24. Juni beteiligt gewesen.

Offiziell gibt es für die Verhaftung Surowikins keine Bestätigung. Der Chef des Verteidigungsausschusses im Parlament, Andrej Kartapolow, erklärte allerdings in einem Video, das auf Social Media zirkulierte, Surowikin ruhe sich aus und sei „im Moment nicht erreichbar“. Laut „WSJ“ sollen insgesamt etwa 15 Generäle nach dem Aufstand festgenommen worden sein, einige davon seien bereits entlassen worden, teils danach suspendiert, teils wieder im Amt.

Surowikins Stellvertreter häufiger zu sehen

Zuletzt sah der britische Geheimdienst weitere Anzeichen dafür, dass er nach der Wagner-Meuterei kaltgestellt wurde. Sein Stellvertreter als Chef der russischen Luft- und Weltraumkräfte, Viktor Afsalow, trete immer stärker in die Öffentlichkeit, teilte das Verteidigungsministerium in London in seiner Einschätzung von Mittwoch mit.

„Afsalows erhöhte öffentliche Bekanntheit, während Surowikins Aufenthaltsort unklar bleibt, verleiht der Hypothese, dass Surowikin nach der Meuterei ins Abseits gedrängt wurde, noch mehr Gewicht“, hieß es in dem Update. Surowikin fungierte nach britischer Einschätzung für Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin als Verbindungsmann zum russischen Verteidigungsministerium. US-Geheimdienste hatten mitgeteilt, dass Surowikin in die Pläne Prigoschins eingeweiht gewesen sei.

Der Aufenthaltsort Prigoschins ist nach wie vor unklar. Die Zukunft seines Firmenkonglomerats und der Einsätze seiner Söldner unter anderem in Syrien, Mali und der Zentralafrikanischen Republik ist ungewiss. Dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko zufolge ist Prigoschin nicht mehr in Belarus, sondern in Russland. Vor wenigen Tagen teilte das Präsidialamt in Moskau mit, Putin habe sich am 29. Juni mit Prigoschin getroffen – nur fünf Tage nach der Meuterei.

Geschasster General übte öffentlich Kritik

Öffentliche Kritik an der russischen Militärführung hat zuletzt im Aufstand der Wagner-Gruppe gegipfelt – wenn auch vorübergehend. Doch das Ende solcher Verwerfungen war das nicht: So wurde jetzt bekannt, dass die Militärführung General Iwan Popow, Oberbefehlshaber in der Südukraine, entließ – laut dessen Angaben deshalb, weil er Fehler in der Artillerieaufklärung bemängelte. Nach seiner Entlassung legte er am Mittwoch nach – öffentlich, per Sprachnachricht.

Er sei wegen seiner Kritik an der ineffizienten Kriegsführung seines Postens enthoben worden, gab Popow in einer auf dem Telegram-Kanal des Duma-Abgeordneten Andrej Guruljow verbreiteten Sprachnachricht an, die direkt an die russischen Soldaten (er sprach von „Gladiatoren“) gerichtet war. Guruljow ist ein ehemaliger Armeekommandant, der regelmäßig im staatlichen Fernsehen auftritt.

Popow sagte: „Ich habe die Aufmerksamkeit auf die größte Tragödie des modernen Krieges gelenkt – auf das Fehlen der Artillerieaufklärung und -bekämpfung und die vielfachen Toten und Verletzten durch die feindliche Artillerie.“ Er habe die Wahl gehabt zu schweigen oder die Dinge anzusprechen, sagte der entlassene General weiter. Seine Vorgesetzten hätten ihn deswegen wohl als Gefahr gesehen.

General Ivan Popov
Der entlassene General Popow

„Hat uns verräterischen Schlag versetzt“

Popow, dessen Armee im südukrainischen Gebiet Saporischschja kämpft, richtete direkte Vorwürfe an Gerassimow. „Die Soldaten der ukrainischen Streitkräfte konnten unsere Front nicht durchbrechen, aber von hinten hat uns der Oberbefehlshaber einen verräterischen Schlag versetzt, indem er die Armee im schwersten Moment der höchsten Anspannung enthauptet hat.“

Popow soll zuvor gegenüber Gerassimow auf einen schnelleren Ersatz für seine angeschlagenen Truppen gepocht haben, wie russische Militärblogger berichteten. Gerassimow habe Popow aus diesem Grund als „Panikmacher“ bezeichnet und ihn abgelöst. Eine Darstellung, die auch wie alle anderen Vorgänge in und rund um die russische Armee nicht unabhängig überprüfbar ist. Das Verteidigungsministerium äußerte sich nicht zur Tonaufnahme.

Bild der Unzufriedenheit

Die Entlassung und Kritik Popows fügt sich in das Bild, das Militärexperten von der russischen Armee gut 16 Monate nach Beginn des von Kreml-Chef Wladimir Putin befohlenen Angriffskrieges gegen die Ukraine zeichnen. Es herrscht in großen Teilen der russischen Streitkräfte Unzufriedenheit mit der eigenen Militärführung und deren geschönten Lageberichten.

General Valery Gerasimov
Reuters/Sputnik
Generalstabschef Gerassimow steht als Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine in der Kritik

Auch der am Ende missglückte Aufstand der lange für Moskau kämpfenden Söldnergruppe Wagner richtete sich explizit gegen Verteidigungsminister Sergej Schoigu, dem Söldnerchef Prigoschin ebenfalls öffentlich Korruption und Unfähigkeit vorwarf.

Russisches Staatsfernsehen bestätigt Tod von General

Am Mittwoch wurde der Tod des russischen Generals Oleg Zokow gemeldet. Der stellvertretende Chef von Russlands Wehrkreis Süd sei nach Angaben des staatlichen Fernsehens durch eine ukrainische Rakete getötet worden. Der Duma-Abgeordnete Guruljow sprach zuletzt in der Propagandasendung „60 Minuten“ von einem „heldenhaften“ Tod. Offiziell bestätigte das Verteidigungsministerium den Tod noch nicht.