Schäden in einem Gebäude in Odessa, Ukraine
Reuters/Ukrainian Armed Forces
Ukraine

Wieder Angriffe auf Hafenstädte

Der Süden und Osten der Ukraine sind in der Nacht auf Dienstag laut ukrainischen Angaben Ziel russischer Luftangriffe gewesen. Die Hafenstädte Odessa und Mykolajiw sowie die Regionen Donezk, Cherson, Saporischschja und Dnipro waren Drohnenangriffen ausgesetzt, teilten die ukrainischen Luftstreitkräfte auf Telegram mit. Zuvor hatte Russlands Präsident Wladimir Putin Vergeltung für eine Explosion auf der Kertsch-Brücke auf die Krim angekündigt.

Bei dem Angriff auf den Hafen von Odessa handelt es sich nach Angaben aus Moskau um einen solchen „Vergeltungsschlag“. Die russische Armee habe in der Nacht einen Gegenschlag gestartet „auf Einrichtungen, in denen Terrorakte gegen Russland unter Verwendung von Marinedrohnen vorbereitet wurden“, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Dienstag. Dabei sei auch der Herstellungsort der Drohnen in einer Werft nahe Odessa getroffen worden, hieß es weiter.

In mehreren ukrainischen Regionen ertönte in der Nacht stundenlang Luftalarm. Im Hafen von Mykolajiw sei ein Feuer ausgebrochen, meldete der Bürgermeister der Stadt, Olexandr Sjenkewytsch, auf Telegram. Die Lage sei ernst. Die Luftabwehr habe sechs russische Marschflugkörper vom Typ Kalibr und 25 Schahed-Drohnen iranischer Bauart abgeschossen, erklärte das Südkommando der ukrainischen Streitkräfte.

Infrastruktur und Wohnhäuser in Odessa getroffen

Allerdings seien in Odessa „Einrichtungen der Hafeninfrastruktur“ und „mehrere Wohnhäuser“ von Raketentrümmern und der beim Abschuss entstandenen Druckwelle beschädigt worden. Ein Mann sei verletzt worden. Raketen wie Drohnen seien vor Odessa vom Schwarzen Meer aus gestartet, erklärte das ukrainische Südkommando weiter. Regionalgouverneur Oleh Kiper hatte die Bevölkerung zuvor aufgerufen, bis zur Aufhebung des Luftalarms in den Schutzräumen zu bleiben. Gegen 4.30 Uhr (Ortszeit) wurde die Warnung aufgehoben.

Schäden in einem Gebäude in Odessa, Ukraine
Reuters/Ukrainian Armed Forces
In Odessa wurden Häuser stark beschädigt

Kiper, sagte, dass die Luftabwehr mehrere Angriffswellen abgefangen habe. Russland setzte möglicherweise auch ballistische Waffen ein, um die Regionen Poltawa, Tscherkassy, Dnipro, Charkiw und Kirowohradska anzugreifen. Die Berichte konnten nicht unabhängig überprüft werden. Bilder zeigten jedoch, dass es zu Angriffen kam.

Wichtige Handelsstädte

Odessa und Mykolajiw bieten der Ukraine Zugang zum Schwarzen Meer für die Ausfuhr von Getreide. Das Abkommen zum Getreideexport aus der Ukraine war vonseiten Russlands nicht verlängert worden. Die festgelegte Frist endete am Montag um 23.00 Uhr MESZ. Zuvor hatte Russland die Vereinbarung für vorläufig beendet erklärt.

Am Dienstag hob Russland die Sicherheitsgarantien für ukrainische Getreideexporte auf. Das bedeute, dass es im Nordwesten des Schwarzen Meeres wieder „eine temporär gefährliche Zone“ gebe, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow nach Angaben seines Ministeriums. Auch das Koordinierungszentrum zur Umsetzung des Getreideabkommens erklärte Russland für aufgelöst.

Russischer Luftangriff auf Hafen von Odessa

In der Nacht auf Dienstag ist es in der ukrainischen Hafenstadt Odessa zu Luftangriffen gekommen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuvor Vergeltung für den Angriff auf die Krim-Brücke angekündigt. Odessa ist ein wichtiger Schwarzmeer-Hafen für die Ausfuhr von Getreide.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hatte am Montag noch gesagt, Russland wolle die Einigung „sofort“ wieder aufleben lassen, sobald die Abmachungen gegenüber der russischen Seite eingehalten würden. Er fügte hinzu, dass Moskaus Ablehnung einer Verlängerung des Abkommens nichts mit dem in der Nacht auf Montag erfolgten Angriff auf die strategisch und symbolisch bedeutende russische Krim-Brücke zu tun habe.

Beschädigung der Brücke

Am Montag wurde die Brücke, die Russland mit der 2014 annektierten Halbinsel Krim verbindet, durch eine Explosion beschädigt. Moskau sprach von einem Angriff ukrainischer Seedrohnen und drohte mit Vergeltung. Der Nachrichtenagentur AFP gegenüber hieß es aus Kreisen des ukrainischen Inlandsgeheimdiensts SBU, der SBU und die Marine hätten den Angriff mit Marinedrohnen ausgeführt.

Beschädigte Krim-Brücke nach einem Anschlag
Reuters
Die Krim-Brücke wurde am Montag erheblich beschädigt, wie Fotos von Aufnahmen aus einem vorbeifahrenden Zug zeigen

Die Brücke über die Straße von Kertsch ist die wichtigste Straßen- und Bahnverbindung zwischen dem russischen Festland und der von Russland besetzten ukrainischen Halbinsel Krim. Nach dem Angriff läuft der Straßenverkehr russischen Angaben zufolge teilweise wieder. Der Fahrzeugverkehr sei auf einer Spur wieder aufgenommen worden, teilte der stellvertretende russische Ministerpräsident Marat Chusnullin Dienstagfrüh auf Telegram mit.

Russland wehrte indes nach eigenen Angaben einen ukrainischen Drohnenangriff auf die annektierte Halbinsel ab. 17 Drohnen seien „zerstört“, elf weitere mit elektronischen Mitteln unschädlich gemacht worden, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Dienstag. Es habe keine Verletzten oder Schäden gegeben. Der von Russland eingesetzte Gouverneur der Krim, Sergej Axjonow, bestätigte die Angaben auf Telegram.

Blinken: „Lebensmittel als Waffen“

Das im Juli 2022 in Istanbul unterschriebene und nun abgelaufene Getreideabkommen wurde bereits zweimal verlängert, zuletzt bis zum 17. Juli. Die Übereinkunft ermöglichte es der Ukraine, über das Schwarze Meer Getreide zu exportieren. Im zurückliegenden Jahr wurden so fast 33 Millionen Tonnen Getreide aus ukrainischen Häfen ausgeführt.

US-Außenminister Antony Blinken sprach von einem „skrupellosen“ Vorgehen. Die Entscheidung Moskaus, „Lebensmittel als Waffen“ zu nutzen, werde die Lieferung von Lebensmitteln an Orte, die sie dringend benötigen, erschweren und zu höheren Preisen führen. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen verurteilte das „zynische“ Vorgehen Russlands „aufs Schärfste“.

Kiew will trotzdem exportieren

Kiew will auch ohne das Abkommen mit Moskau seine Getreideexporte aufrechterhalten. „Auch ohne die Russische Föderation muss alles dafür getan werden, dass wir diesen Schwarzmeer-Korridor weiter nutzen können“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Onlinediensten.

Die Ukraine, die UNO und die Türkei könnten gemeinsam den Betrieb des Lebensmittelkorridors und die Kontrolle der Schiffe sicherstellen, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. „Wir sind von Unternehmen angesprochen worden, die Schiffe besitzen. Sie haben gesagt, dass sie bereit sind, die Transporte fortzusetzen“, fügte er hinzu.

Edtstadler verurteilt Russland vor UNO-Sicherheitsrat

Unterdessen verurteilte EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Montag (Ortszeit) im UNO-Sicherheitsrat in New York den russischen Angriffskrieg. Sie rief laut Redetext Russland auf, seine Truppen unverzüglich und bedingungslos aus der ganzen Ukraine – innerhalb der international anerkannten Grenzen – abzuziehen.

Edtstadler kritisierte Russlands „grundlosen und nicht zu rechtfertigenden Angriffskrieg“ als unverhohlene Verletzung der Charta der Vereinten Nationen, die nicht unbeantwortet bleiben dürfe. „Ein Angriff gegen ein Mitglied dieser Organisation ist eine Angriff gegen uns alle.“ Edtstadler übte auch Kritik am UNO-Sicherheitsrat selbst, dem Russland als permanentes Mitglied angehört. „Das Schweigen dieses Rates, des mächtigsten Gremiums in dieser Organisation, angesichts der russischen Aggression ist zutiefst beunruhigend.“