Strand in Cornwall (England)
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Klimakrise

Hitze dürfte Tourismus verändern

In Europa ist es derzeit heiß wie kaum zuvor, im Mittelmeer-Raum könnten in den nächsten Wochen die bisherigen Höchstwerte übertroffen werden. Das dürfte künftig auch Folgen für den Sommerurlaub haben, meinen Tourismusverbände. Urlauberinnen und Urlauber könnten sich andere Reisezeiten und Reiseziele suchen.

Wenn, dann ist die Prognose – auf Europa bezogen – eher eine langfristige, aber kühlere Reiseziele als der Süden oder das Frühjahr und der Herbst als bevorzugte Reisezeit könnten an Bedeutung gewinnen, so die Einschätzung der European Travel Commission (ETC), der Dachorganisation von 37 Tourismusmarketingorganisationen in Europa.

Daten des Verbandes zeigten schon jetzt, dass die Anzahl der Menschen, die zwischen Juni und November in südeuropäische Länder reisen möchten, im Vergleich zum Vorjahr, als große Hitze zu Dürren und zahlreichen Waldbränden führten, um zehn Prozent gesunken ist, hieß es von der ETC am Dienstag.

Nachfrage steigt in Richtung Norden

Auf der anderen Seite verzeichneten Länder wie Tschechien, Dänemark und Irland eine höhere Nachfrage. „Wir gehen davon aus, dass unvorhersehbare Wetterbedingungen in Zukunft einen größeren Einfluss auf die Entscheidungen von Reisenden in Europa haben werden“, sagte ETC-Leiter Miguel Sanz.

Ein Bericht der ETC zeigt außerdem, dass mittlerweile 7,6 Prozent der Reisenden extreme Wetterereignisse als Hauptproblem bei Reisen zwischen Juni und November ansehen. Italien etwa litt letzten Sommer unter großer Trockenheit, in Spanien, Portugal und Griechenland brannte es mehrfach.

Feuerwehrleute bekämpfen einen Brand in Irini (Griechenland)
APA/AFP/Valerie Gache
Extremereignisse wie Dürre und häufige Waldbrände wirken abschreckend

Es gab einen frühen extremen Hitzeeinbruch in Süd- und Zentraleuropa im Juni 2022, auch in Österreich und Deutschland stiegen die Temperaturen auf Höchstwerte, im Juli traf eine zweite Hitzewelle vor allem Spanien und Frankreich, in Großbritannien wurde erstmals die 40-Grad-Marke überschritten.

Hoffen auf Veränderung statt Rückgang

Der Trend gehe aktuell weg vom stärksten Monat August hin zum Herbsturlaub, sagte Sanz. Zu einem ähnlichen Schluss kam das italienische Umweltministerium in einem Bericht dieses Jahr. Die Bilanz werde „negativ sein“, weil sich ein Teil der Urlauber weniger heiße Destinationen suchen werde.

Eine Hoffnung im Tourismus sei, dass es nur zu einer Verlagerung im Reiseverkehr kommen werde, nicht zu einem Rückgang. Für einige griechische Destinationen, an denen die Strände im Sommer überfüllt sind, könnte der Trend zu Urlaub im Frühling oder Herbst dieses Problem entschärfen.

Verzichten für den Urlaub

Die Lust zu reisen bzw. im Ausland Urlaub zu machen sei in diesem Jahr weiter gestiegen, trotz hoher Inflation und gleichfalls höheren Reisekosten, hatte es in einer früheren Presseaussendung der ETC vor einer Woche geheißen. Die Ankunftszahlen für ganz Europa hätten inzwischen 95 Prozent des Vor-Pandemie-Niveaus. Für ein Drittel der Destinationen lägen sie bereits über dem Wert von 2019.

Strand in Split (Kroatien)
IMAGO/HANZA MEDIA/Ante Cizmic
Mittlerweile bewegen sich die Touristenzahlen (fast) wieder auf dem Niveau von 2019 vor der CoV-Pandemie

Ausweichen auf günstigere Destinationen und Nebensaison

Notfalls würden zugunsten einer Reise auch andere, nicht unbedingt notwendige Investitionen zurückgestellt, schrieb die ETC. Folglich sei es keine Überraschung, dass vergleichsweise günstige Destinationen stärker nachgefragt würden und relativ die größten Zuwächse erzielten, darunter etwa Serbien, Bulgarien, Montenegro und die Türkei.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Auch eine Umfrage des Autofahrerclubs ÖAMTC vom Mai kam im Wesentlichen zu einem ähnlichen Ergebnis. Trotz – in Österreich besonders – hoher Inflation wollten laut dieser acht von zehn Befragten im Sommer zumindest einmal verreisen. Allerdings passte mehr als ein Drittel sein Reiseverhalten der Teuerung an: etwa mit Ausweichen auf günstigere Destinationen und die Nebensaison. Laut Zahlen des Deutschen Statistischen Bundesamts vom Dienstag wurden für Touristen relevante Europaflüge um über 30 Prozent teurer, die Preise für Pauschalreisen stiegen nach unterschiedlichen Schätzungen um zwischen zehn und 15 Prozent.

Die beliebtesten Ziele der Österreicher

Nach dem Ende der Coronavirus-Pandemie sei die Reiselust in diesem Sommer noch höher als im letzten Jahr, ist immer wieder von Tourismusverbänden und Reiseveranstaltern zu hören. Bei Österreicherinnen und Österreichern ist in diesem Jahr laut einer Umfrage des Fachverbands der Reisebüros aus dem Frühjahr Kroatien die beliebteste Destination, wenn sie mit Pkw, Bus oder Bahn verreisen wollen, gefolgt von Italien und Urlaub in Österreich. Bei Flugreisen ist Griechenland das Reiseziel Nummer eins, gefolgt von Spanien und der Türkei, und auf der Fernstrecke sind es Thailand, die Malediven und die USA.

Überfüllter Strand bei Palermo
Reuters/Igor Petyx
Bisher locken die südeuropäischen Mittelmeer-Länder jeden Sommer Millionen von Urlaubern an

Neue Höchsttemperatur für Europa möglich

Speziell in Südeuropa sind die Temperaturen aktuell extrem hoch, die Wetterdienste rechnen damit, dass sie in der kommenden Woche den aktuellen europäischen Höchstwert von 48,8 Grad Celsius, der im August 2021 auf Sizilien gemessen wurde, noch übersteigen könnten.

In Italien und Andalusien (Spanien) gelten wegen Hitzewellen höchste Warnstufen. In Rom wurden am Dienstag 41,8 Grad gemessen. Auf der griechischen Insel Kreta wurden am Wochenende über 44 Grad gemessen, in Athen wurde die Akropolis zu deren Schutz vorübergehend für Besucher geschlossen.

Tourismusforscher: Alpenraum als „Gewinner“

Was einen hitzebedingten Umbruch im Massentourismus betrifft, zeigte sich Tourismus- und Zukunftsforscher Peter Zellmann im Ö1-Morgenjournal hingegen skeptisch. „Solche Entwicklungen dauern viel länger, als die Lifestyle-Berichterstattung das oft darlegt. Aber es ist ein Umdenken nachweisbar, wenn auch zunächst nur im Ein- oder Zweiprozentbereich der Urlauberströme“, sagte er. Im Zusammenhang mit der Vor- und Nachsaison würden sich aber „nachhaltig Veränderungen ergeben“.

Der Alpenraum sei seinen Worten nach der „Gewinner“. „Österreich rechnet sich da große Chancen aus, als kühlende, erholsame Oase inmitten eines heißer werdenden Mittelmeer-Raums zu gelten.“ Größeres Interesse sei auch in Skandinavien, im baltischen Raum und generell an der Ostsee zu verzeichnen – auch Schottland und Island würden zunehmend als Alternative gesehen.

Gewohnheit sei überhaupt das, „was unser Urlaubsverhalten prägt“, sagte er zu den vollen Stränden in beliebten Urlaubsländern wie Italien und Griechenland. Veränderungen bei Urlauberströmen fänden sehr langsam statt. Es müssten fünf bis zehn Jahre vergehen, um diese konkret benennen zu können.