Stacheldraht auf einer Mauer des ehemaligen KZ Mauthausen
IMAGO/Daniel Scharinger
Novelle des Verbotsgesetzes

Viel Zuspruch, aber auch Kritik

Nach sechs Wochen endet am Mittwoch die Begutachtung der Novelle des Verbotsgesetzes. Mit der Verschärfung soll eine „bessere Rechtsgrundlage für die Bekämpfung nationalsozialistischer (Wieder-)Betätigung“ geschaffen werden, wie die Regierung ankündigte. Obwohl die Novelle auf viel Zuspruch stößt, gibt es Kritik an einzelnen Regeln, die zum einen als zu milde und zum anderen als „überschießend“ angesehen werden.

Bereits im vergangenen November hatten ÖVP und Grüne die Novelle angekündigt, der Entwurf wurde Anfang Juni fertiggestellt und in Begutachtung geschickt. Geplant ist, dass künftig jede rechtskräftige Verurteilung nach dem Verbotsgesetz für Beamte und Beamtinnen zum Amtsverlust führen soll. Darüber hinaus soll es strafbar werden, wenn Verstöße aus dem Ausland (auch über das Internet) begangen werden. Damit wolle man der bisher „beschränkten Verfolgbarkeit“ entgegenwirken.

Außerdem soll es durch eine neue Regelung im Verbotsgesetz Behörden in Zukunft ermöglicht werden, NS-Devotionalien – etwa einen Ehrenring der SS – auch ohne Strafverfahren aus dem Verkehr zu ziehen. Derzeit ist es so, dass Gegenstände nur eingezogen werden können, wenn Wiederbetätigung vorliegt. Bloßer Besitz ist nicht strafbar. Auch soll durch eine Anpassung der Kampf gegen die Verharmlosung von NS-Terror verschärft werden.

So soll zum Beispiel gegen das Tragen von u. a. gelben modifizierten Judensternen, wie es im Zuge der „Coronavirus-Demonstrationen“ der Fall war, effektiver vorgegangen werden können. Ein weiteres Ziel ist es, die Verurteilungsquote bei Verstößen gegen das Verbotsgesetz zu erhöhen. Ermöglicht werden soll auch die Diversion bei Erwachsenen.

Diversion für Erwachsene wird in Zweifel gezogen

Vor allem dieser Punkt stößt bei vielen auf Kritik. „Jeder Eindruck einer Bagatellisierung dieser Straftaten muss vermieden werden. Zumeist handeln schon erwachsene Ersttäter aufgrund einer gefestigten NS-Ideologie“, heißt es in der Stellungnahme des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ). Größtenteils sei die Novelle zwar eine Verbesserung, das MKÖ übt jedoch in zwei weiteren Punkten Kritik: Wer den Holocaust leugnet, kann dafür nur bestraft werden, wenn er das vor mindestens zehn Personen tut.

Laut MKÖ war im ersten Entwurf des Justizministeriums noch von „vor mehreren Menschen“ die Rede. „Es lässt sich – auch im Sinne einer wirksamen Bekämpfung des Antisemitismus – nicht argumentieren, dass beispielsweise das Zeigen des Hitler-Grußes vor einer einzigen Person strafbar sein soll, die Leugnung oder Gutheißung des Holocaust vor neun Personen aber nicht“, heißt es weiter.

Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen hielt zunächst fest, dass sie nicht in der Arbeitsgruppe, die im Vorfeld des Entwurfs tätig wurde, involviert war. Grundsätzlich wird die Verschärfung begrüßt, allerdings stellt sich die Gedenkstätte ob der geplanten Diversion für Erwachsene einige Fragen. Nach welchen Qualitätsstandards sollten die Maßnahmen stattfinden? Wer trägt die Kosten für die zu entwickelnden Programme? Zudem seien die Mehrkosten für solche Maßnahmen auch gar nicht in den Dokumenten abgebildet.

Sorge wegen des budgetären Mehraufwands

Unterstützung für die Novelle kam vom Oberlandesgericht Wien. Jedenfalls sei aber mit einer Mehrbelastung zu rechnen, der nur mit mehr Personal begegnet werden könne. „Sollten die dafür notwendigen Ressourcen nicht zur Verfügung stehen, kann von diesem Gesetzesvorhaben nur abgeraten werden.“ Mit einer Mehrbelastung rechnen auch das Landesgericht Klagenfurt und die Vereinigung der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen.

Das Finanzministerium hingegen geht davon aus, dass sich der Arbeitsanfall für die örtlich zuständigen Landesgerichte und Staatsanwaltschaften über das gesamte Bundesgebiet verteilen und „sich mit den in der Justiz vorhandenen personellen Ressourcen bewältigen lassen“ wird. Das Ministerium setzt voraus, dass der budgetäre Mehraufwand „jedenfalls im vorgegebenen Personal- und Budgetrahmen bedeckt wird“.

Begrüßt wird von den Staatsanwälten und Staatsanwältinnen die Neuregelung bei der Einziehung von NS-Devotionalien, sei es doch in der Vergangenheit mangels entsprechender Befugnis wiederholt notwendig gewesen, einschlägige Gegenstände zurückzugeben – auch an Personen, die als „Gesinnungstäter“ galten.

Jobverlust wird von Arbeiterkammer begrüßt

Auch die Gewerkschaft lobt grundsätzlich die Intention der Novelle. „Völlig verfehlt“ sei jedoch die Möglichkeit der Diversion für Erwachsene. „Abseits davon, dass jeder Anschein der Bagatellisierung jener Straftaten vermieden werden muss, handeln erwachsene Ersttäter meist vor dem Hintergrund einer gefestigten Ideologie, welche im Zuge der Ermittlungen vehement bestritten wird“, schreibt der ÖGB in seiner Stellungnahme.

Die Arbeiterkammer begrüßt den automatischen Jobverlust für Beamte und Beamtinnen, die nach dem Verbotsgesetz verurteilt werden. Das stelle einen „wichtigen Lückenschluss“ dar. Allerdings verweist man darauf, dass die diversionelle Erledigung in der Praxis eine erhebliche Rolle spielen würde, da dieser nur bei rechtskräftigen Verurteilungen droht. Jegliches verbotsgesetzeswidrige Handeln eines Beamten, das geeignet ist, die demokratische Republik Österreich in Zweifel zu ziehen, sollte zu einem Amtsverlust führen, so die Kammer.

Unterstützt wird die Novelle in Stellungnahmen weiters vom Obersten Gerichtshof sowie den zuständigen Ämtern der Wiener sowie der Salzburger Landesregierung. Aus Vorarlberg wünscht man sich eine Konkretisierung, dass der Jobverlust bei einer Verurteilung auch Beamte und Beamtinnen im Landesdienst betrifft.

Staatsanwälte unterschiedlicher Meinung

Ganz anders betrachtet die Staatsanwaltschaft Wels den neuen Paragrafen. Mit Verweis auf das Strafgesetzbuch, in dem bereits ein Amtsverlust bei einer Verurteilung geregelt ist, wird die neue Regelung im Verbotsgesetz als „entbehrlich“ bezeichnet. Es bestehe ohnedies „die Möglichkeit, den/die Beamten/Beamtin, den/die Vertragsbedienstete/n im Rahmen des Disziplinarverfahrens aus dem Bundesdienst zu entfernen“, so die Staatsanwaltschaft.

Dass NS-Devotionalien einzuziehen sind, selbst wenn keine Wiederbetätigung vorliegt, bezeichnet die Staatsanwaltschaft Wels als „überschießend“. Auch hier zweifeln die Staatsanwälte an der Verhältnismäßigkeit. Damit würde „ein Generalverdacht dahingehend etabliert werden, dass mit jeglichem Besitz von etwa Erinnerungsstücken an Großeltern wie z. B. Wehrdienstbücher, Hochzeitsbilder, Orden etc. die Begehung einer strafbaren Handlung indiziert ist“, heißt es.

Die Vereinigung der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen begrüßt die neue Bestimmung hingegen. In der Vergangenheit sei es mangels entsprechender Befugnis wiederholt zur Rückausfolgung einschlägiger Gegenstände selbst an Personen, die als Gesinnungstäter galten, gekommen. „Diese Lücke kann durch die nunmehr in Aussicht genommene Regelung geschlossen werden.“