Frau mit Sonnenhut auf Kopf liegt auf einer Hängematte
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Wegen Hitze

Siesta für Deutschland denkbar

Wegen der anhaltenden Sommerhitze gibt es in Deutschland nun eine Debatte über das Mittagsschläfchen: Nachdem der Amtsärzteverband am Dienstag zur Siesta geraten hatte, hieß es kurz darauf vom deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach, dass das „kein schlechter Vorschlag“ sei. Er sieht allerdings nicht die Politik in der Pflicht.

„Wir sollten uns bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags Siesta machen ist ein Konzept, das wir in den Sommermonaten übernehmen sollten“, sagte der Vorsitzende des deutschen Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nießen, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Dienstag-Ausgaben).

„Bei starker Hitze sind Menschen nicht so leistungsfähig wie sonst“, sagte Nießen weiter: „Schlechter Schlaf bei fehlender Abkühlung in der Nacht führt zusätzlich zu Konzentrationsproblemen.“ Komplexe Arbeitsanforderungen sollten aus Sicht des Mediziners besser in die frühen Morgenstunden verschoben werden.

Lauterbach sieht Arbeitgeber gefordert

„Siesta in der Hitze ist sicherlich kein schlechter Vorschlag“, schrieb Lauterbach am Dienstag auf Twitter. Der SPD-Politiker sieht in der Frage allerdings nicht die Politik gefordert. „Das sollten aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst aushandeln“, so der Gesundheitsminister. „Medizinisch sicher für viele Berufe sinnvoll.“

Für Schulen wäre eine Siesta aus Sicht des Präsidenten des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, nicht nötig: Die meisten Schülerinnen und Schüler hätten schon Schulschluss, bevor es richtig heiß wird. Wichtig seien aber Lüftungsanlagen, um in der Nacht die Gebäude wieder zu kühlen.

Die Bau-Agrar- und Umweltgewerkschaft (IG BAU) in Deutschland ist für die Forderung recht offen. „Natürlich müssen wir die Beschäftigten schützen, die bei dieser Gluthitze draußen unter freiem Himmel arbeiten müssen“, so der Vorsitzende, Robert Feiger. Etwa für Bau und Erntehilfe sei das Modell aber nichts.

Spanien als deutsches Vorbild

Mit dem Vorstoß zur ausgedehnten Mittagspause orientiert sich Deutschland an Spanien – dort ist die Siesta durchaus üblich. Wenn die Hitze am größten ist – also üblicherweise zwischen 14.00 und 18.00 Uhr –, zieht man sich zurück. Büros machen dann längere Pausen, in den meisten Geschäften werden „Geschlossen“-Schilder aufgehängt. Anders als früher gibt es inzwischen in Spanien zwar fast überall Klimaanlagen, aber die Tradition hält sich.

Fast leere Straße während der Siesta in Pamplona, Spanien
IMAGO/Pond5/Xlkonyax
In Spanien bleiben am Nachmittag viele Geschäfte zu

Während der Siesta halten allerdings heutzutage die wenigsten Spanierinnen und Spanier noch wie früher ein Mittagsschläfchen. Man geht ins Fitnessstudio oder ins Schwimmbad oder isst mit Familie oder Kollegen ausgiebiger. Dafür muss man abends natürlich länger arbeiten. Auch in anderen warmen Ländern Europas ist die Pause zur heißesten Zeit des Tages üblich – von Griechenland über Süditalien bis nach Portugal.

Zahlreiche Verbesserungen gefordert

Von dem Arbeitsmediziner kommen zahlreiche weitere Vorschläge angesichts anhaltend hoher Temperaturen: „Zudem braucht es ausreichend Ventilatoren und leichtere Kleidung, auch wenn die Kleiderordnung im Büro das nicht erlaubt.“ Wichtig sei auch, grundsätzlich viel mehr zu trinken und leichtes Essen in mehreren kleineren Portionen zu sich zu nehmen. „Ein kaltes Fußbad unter dem Schreibtisch wäre eine weitere Möglichkeit, um im Homeoffice für Abkühlung zu sorgen“, sagte Nießen.

Deutscher Gesundheitsminister Karl Lauterbach
Reuters/Nadja Wohlleben
Der deutsche Gesundheitsminister Lauterbach sieht die Arbeitgeber in der Pflicht

Anja Piel vom Deutschen Gewerkschaftsbund forderte die Arbeitgeber unterdessen auf, während der Sommermonate regelmäßig Hitze-Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen, um Arbeitsschutz während hoher Temperaturen zu gewährleisten. „Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten vor Hitze schützen – Arbeit bei Hitze ist für Beschäftigte belastend und gefährdet im schlimmsten Fall ihre Gesundheit“, sagte sie den RND-Zeitungen. „Gefährdungsbeurteilungen sind Grundlage für passgenauen Schutz.“

Diese seien immer noch kein Standard in Betrieben, fuhr Piel fort. Sie sprach von einem „Versäumnis der Arbeitgeber, das angesichts des Klimawandels und der extrem heißen Sommer vollkommen inakzeptabel ist“. Piel forderte zudem, Büroräume mit Temperaturen von mehr als 35 Grad zu schließen, sofern der Arbeitgeber keine Hilfsmittel wie Luftduschen anbietet.