Szene aus „Madame Butterfly“
Bregenzer Festspiele/Karl Forster
Bregenzer Festspiele

Geglücktes Unglück für „Madame Butterfly“

Im zweiten Anlauf hat es für „Madame Butterfly“ in Bregenz geklappt: Bei der Wiederaufnahme, die am Donnerstag Premiere feierte, blieb es trocken – das tragische Ende der Geisha konnte damit auf der Seebühne seine volle Wirkung entfalten. Die weltberühmte Puccini-Oper kam in der Inszenierung von Andreas Homoki (fast) ohne große Effekte aus – vor allem eine Performance stach am ersten Abend hervor.

In den Tagen vor der Wiederaufnahme werden wohl einige in Bregenz nervös auf die Wetterprognose geschaut haben, bis zuletzt schien Regen zumindest möglich. Am Donnerstag zeigte sich aber schon untertags, dass diesmal alles gutgehen könnte – als sich am Abend die Tribüne füllte, war klar, dass das überdimensionale Stück Papier, das seit vorigem Jahr aus dem See ragt, über die kommenden zwei Stunden trocken bleiben wird.

Die Inszenierung blieb für die Wiederaufnahme praktisch unberührt und ging nun mit einer Festspielsaison Erfahrung in ihre erste ungestörte Premiere. Die Geschichte der japanischen Geisha Cio-Cio-San, die Butterfly genannt wird, und ihrer unglücklichen Ehe mit dem Amerikaner B. F. Pinkerton gehört zu den bekanntesten Opernstoffen – und machte in den vergangenen Jahren vielerorts einen Wandel durch.

Heikle Themen in Puccinis Oper

Themen wie Kolonialismus, Prostitution und Missbrauch, Exotismus und kulturelle Aneignung: Sie alle spielen auf verschiedenen Ebenen in der vor knapp 120 Jahren uraufgeführten Oper von Giacomo Puccini eine Rolle. Manche davon werden auf der eindrucksvollen Bühne recht deutlich dargestellt: etwa dann, wenn sich gleich zu Beginn die überdimensionale Flagge der USA durch das Papier bohrt, um die Ankunft von Pinkerton in Japan zu symbolisieren.

Szene aus „Madame Butterfly“
Bregenzer Festspiele/Karl Forster
Viele Klischees gibt es in „Madame Butterfly“ – aus der Distanz gehen sie im Farbmeer unter

Andere gehen in der Produktion in Bregenz aber auch unter und werden nur im Programmheft ausführlich kontextualisiert – vor allem das Japan-Bild Puccinis gilt heutzutage als problematisch und ließ bereits einige Opernhäuser einen Bogen um die beliebte Oper machen. Puccini war selbst nicht in Japan, ließ sich von Kabuki-Vorführungen im Westen und dem damals vorherrschenden Japan-Bild in Europa inspirieren – was dazu führte, dass Puccinis Japan praktisch ähnlich repräsentativ wie das überzeichnete Disneyland für die USA ist.

Das äußert sich auf der Bühne in vielen Stereotypen, von Makeup bis zu Frisuren, die auch in Bregenz teils präsent sind. Dass für die Inszenierung die Handlung in die 1950er Jahre verlegt wurde, verstärkt das Problem noch eher.

Farbspektakel auf der Seebühne

Die große Fläche, die die Seebühne bietet, kaschiert gemeinsam mit dem größeren Abstand zum Publikum diese Klischees aber gut – und das Bühnenbild von Michael Levine gleicht bei allem Minimalismus (im Vergleich zu den letzten Produktionen am See) auch viel aus. Mit Hilfe von Projektionen werden die Darstellerinnen und Darsteller zu Teilen eines eindrucksvollen Farbspiels gemacht, auch die Lichtstimmung entsteht in erster Linie durch Bilder, die auf das überdimensionale Papier projiziert werden.

Szene aus „Madame Butterfly“
Bregenzer Festspiele/Karl Forster
Trotz der großen Bühne waren viele Momente überraschend intim

Besonders eindrucksvoll ist das, wenn an die 50 Personen gleichzeitig auf der Bühne verteilt sind – auch wenn die emotionalsten Momente ausgerechnet dann entstehen konnten, wenn es kaum Darsteller, aber viel Raum zwischen ihnen gab – und gerade dadurch Intimität vermittelt wurde.

Ismatullaeva als Star des Abends

Ganz vorne reiht sich dabei neuerlich Barno Ismatullaeva als Butterfly ein. Mit ihrer Stimme dürfte sie bei vielen für Gänsehaut gesorgt haben – spätestens mit „Un bel di, vedremo“, einer der wohl bekanntesten Arien Puccinis. Zum Schluss gab es dafür auch den längsten Applaus des Abends. Auch Butterflys Dienerin Suzuki (Annalisa Stroppa) konnte stimmlich überzeugen. Otar Jorjikia als Pinkerton passte gut zu Ismatullaeva, Brett Polegato gab einen überzeugenden Konsul Sharpless.

Im Gegensatz zur Premiere 2022 wurden die Wiener Symphoniker diesmal über die ganze Länge aus dem Festspielhaus zugespielt, erneut unter der Leitung von Enrique Mazzola, der tags zuvor bereits „Ernani“ dirigiert hatte. Die Soundanlage am See wurde damit zum Knackpunkt: Am Anfang wirkte es so, als wären die Lautstärken nicht ideal abgestimmt, das pendelte sich jedoch schnell ein. Die Symphoniker vermochten mit ihrer präzisen Kraft die dramatischsten Momente, vor allem gegen Ende, zu unterstreichen.

Hinweis

„Madame Butterfly“ ist noch bis 20. August auf der Seebühne in Bregenz zu sehen.

Untergang im Flammenmeer

Ganz ohne Effekte und Nutzung des Bodensees blieb die Wiederaufnahme freilich nicht: Diesmal konnte das riesige Papierboot wie geplant anlegen, Fürst Yamadori (Omer Kobiljak) wurde per Sänfte über das Wasser getragen, während Heiratsvermittler Goro (Taylan Reinhard) baden gehen musste. Zum dramatischen Schluss wurden erst Flammen auf die Bühne projiziert, ehe auch echte Pyrotechnik gezündet wurde, die selbst weit weg vom See noch als warm zu spüren war.

Szene aus „Madame Butterfly“
Bregenzer Festspiele/Anja Köhler
Auch der See konnte diesmal genutzt werden

Nachdem Butterfly im Flammenmeer untergegangen war, gab es für alle Beteiligten kräftigen Applaus, mit Bravorufen für Cio-Cio-San und Pinkerton. Es war eine geglückte Premiere nach der unfreiwillig abgekürzten Erstaufführung im Vorjahr. Dass seither viel Routine dazugekommen ist, war spürbar – und hat sie letztlich über jene von 2022 erhoben.