Danone-Yoghurtbecher in russischem Supermarkt
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Zwangsverwaltung

Kadyrows Neffe Chef von Danone Russland

Per Dekret hat Moskau kürzlich Anteile der europäischen Unternehmen Danone und Carlsberg unter Staatsverwaltung gestellt. Danone soll nun von einem Neffen des tschetschenischen Despoten Ramsan Kadyrow geleitet werden. Der 32-Jährige war bisher Vizepremier und Agrarminister in Grosny. Jetzt könnten die noch in Russland verbliebenen westlichen Firmen erneut überlegen, das Land zu verlassen.

Am Sonntag unterzeichnete Russlands Präsident Wladimir Putin das Dekret, das die Anteile der dänischen Brauerei Carlsberg und des französischen Lebensmittelkonzerns Danone an ihren russischen Tochtergesellschaften unter russische Verwaltung stellt. Darin hieß es, der Staat werde „vorübergehend“ die Anteile von Danone Russia und der Carlsberg-Filiale Baltika verwalten. Beide Unternehmen wurden damit vor vollendete Tatsachen gestellt, obwohl sie ihre Absicht bekundet hatten, den russischen Markt in absehbarer Zeit zu verlassen.

Danone hatte Ende Oktober mitgeteilt, man beende den Großteil der Aktivitäten in Russland. Das Unternehmen werde sich aus seinem Geschäft mit Milchprodukten und pflanzlichen Produkten zurückziehen und nur das Geschäft mit Säuglingsnahrung aufrechterhalten.

Tschetschenischer Minister bestätigte Entscheidung

Nun wurde Danone die Entscheidung abgenommen. Der neue Generaldirektor der russischen Tochtergesellschaft heißt Jakub Sakrijew und ist ein Neffe des tschetschenischen Machthabers. Die Bestellung wurde vom tschetschenischen Informationsminister Achmed Dudajew via Telegram bestätigt.

Sakrijew als Danones Generaldirektor zeige, „dass das Team des tschetschenischen Präsidenten und Helden Russlands, Ramsan Achmatowitsch Kadyrow, talentierte und erfolgreiche Manager sind“. Der bisherige Landwirtschaftsminister verfüge „über große Erfahrung in der Arbeit in den verantwortungsvollsten Positionen“, hieß es weiter.

Der „liebe Neffe“

Kadyrow ist ein enger Verbündeter Putins, er führt die islamisch geprägte russische Teilrepublik im Nordkaukasus mit harter Hand. In den 1990er Jahren hatte das damals nach Unabhängigkeit strebende Tschetschenien zwei Kriege gegen Russland geführt. Moskau schaffte es aber, die Kontrolle über die Region zurückzuerlangen. 2007 wurde Kadyrow als Präsident der russischen Teilrepublik installiert. Putin selbst hatte sich für den Sohn des früheren tschetschenischen Präsidenten Achmat Kadyrow starkgemacht, der 2004 ermordet worden war.

Kadyrow baute sich eine Privatarmee ähnlich jener der Wagner-Söldner auf. Diese Achmat-Gruppe hat nach eigenen Angaben in den vergangenen 15 Monaten Zehntausende Freiwillige vorbereitet und in den Krieg gegen die Ukraine geschickt.

Bürgerrechtlerinnen und -rechtler beklagten wiederholt eklatante Menschenrechtsverstöße, darunter Folter und Verfolgung. Kadyrow etablierte zudem einen auf ihn zugeschnittenen Personenkult in Tschetschenien und versorgte bereits in der Vergangenheit etliche Verwandte und Handlanger mit hoch dotierten Posten. In sozialen Netzwerken bezeichnete er Sakrijew, Sohn seiner älteren Schwester Sulai, wiederholt als „lieben Neffen“.

Russischer Präsident Wladimir Putin mit tschetschenischem Regierungschef Kadyrow
Reuters/Sputnik
Kadyrow (r.) ist ein enger Vertrauter Putins. Seit 2007 steht er an der Spitze Tschetscheniens.

Carlsberg wollte noch verkaufen

Auch die Carlsberg-Gruppe, einer der größten Brauereikonzerne der Welt, verlor einen Teil ihrer Firma. Am Mittwoch teilte sie mit, die Kontrolle über Führung und Betrieb der Baltika-Brauereien in Russland abgegeben zu haben. Der Führungswechsel habe ohne Carlsbergs Wissen oder Zustimmung stattgefunden. Es sei unklar, welche Folgen diese Entwicklung für den laufenden Betrieb der Brauereien sowie den aktuellen Verkaufsprozess des Russland-Geschäfts haben werde. Baltika gilt als größter Bierbrauer Russlands.

Einen Monat nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hatte der Konzern im März 2022 angekündigt, sich komplett aus Russland zurückzuziehen und sein dortiges Geschäft rund um die Baltika-Brauereien zu verkaufen. Baltika gilt als größter Bierbrauer Russlands. Vor knapp vier Wochen hatte Carlsberg verkündet, einen Käufer für sein Geschäft in Russland gefunden zu haben, allerdings wartete man da noch auf die notwendigen Genehmigungen der russischen Behörden.

Bierbräuerei in Russland
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Carlsbergs Tochtergesellschaft Baltika gilt als größter Bierbrauer Russlands

„Strafe für Unentschlossenheit“

Mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine haben etliche westliche Firmen Russland verlassen. Ein großer Teil aber blieb, etwa auch Raiffeisen. Laut der Denkfabrik Kiew School of Economics bescherten die verbliebenen westlichen Firmen dem russischen Staat im Vorjahr mehr als drei Milliarden US-Dollar an direkten Steuereinnahmen – Geld, das den Krieg gegen die Ukraine letztlich mitfinanziert.

Die Koautorin der Studie, Eleanor Nichol, sagte kürzlich dem Ö1-Radio, der Rückzug aus Russland sei für Firmen ein wirtschaftliches Risiko. Doch im Land zu bleiben sei weitaus riskanter. Der russische Staat könne sie jederzeit etwa dazu verpflichten, auch an die Front zu liefern – und dann würden sich diese Firmen der direkten Komplizenschaft mit den Kriegsherren schuldig machen, so Nichol.

Jeff Sonnenfeld von der Yale School of Management nannte die verbliebenen Unternehmen gegenüber dem EUObserver naiv: „Sie hätten es wirklich kommen sehen müssen.“ Es wäre nicht verwunderlich, wenn als Nächstes Unilever oder Benetton oder Pepsi an der Reihe wären, ihre Anteile hergeben zu müssen. „Das ist die Strafe für Unentschlossenheit“, so Sonnenfeld. Er erwarte eine verstärkte Fluchtbewegung der Firmen aus Russland. „Es ist lächerlich riskant und dumm, dort zu bleiben“. Denn die Chancen, Geld zurückzubekommen, sei verschwindend.