Kongress: 4.000 Anarchisten in 5.000-Seelen-Ort erwartet

Ein kleines Schweizer Uhrmacherdorf wird in den kommenden Tagen zur Anarchistenhochburg. In Saint-Imier mit rund 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern werden bis zu 4.000 Anarchistinnen und Anarchisten aus zahlreichen Ländern erwartet.

Sie feiern mit einem Jahr Verspätung 150 Jahre Antiautoritäre Internationale. Die Bewegung wurde 1872 bei einem Kongress in dem Dorf gegründet. Er fand aus Protest gegen Karl Marx und seinen als autoritär empfundenen Führungsstil der Arbeiterbewegung statt.

Die geplante Feier im vergangenen Jahr wurde wegen der Pandemie verschoben. Schon vor dem Auftakt gestern stellte der Verein „150 Jahre Kongress von Saint-Imier“ klar: Anarchisten lehnten staatliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Autorität zwar ab, aber Anarchie bedeute nicht Chaos. Deshalb gab es klare Ansagen: „Campingplätze sind Schlaf- und nicht Partyplätze: Ab 23.00 Uhr ist mit einer ruhigen Atmosphäre zu rechnen“, schrieb der Verein auf seiner Website.

Auf dem Programm bis Sonntag stehen Konzerte, Film- und Theatervorführungen sowie mehr als 300 Workshops, etwa zu Massenüberwachung.

Im 19. Jahrhundert hatte der russische Revolutionär und Marx-Gegner Michail Bakunin in Saint-Imier im Jura Station gemacht. „Die Zerstörung aller politischen Macht ist die erste Pflicht des Proletariats“, erklärten er und seine Mitstreiter auf dem Gründungskongress, beschlossen die Anarchie als Ziel und revolutionäre Streiks, um das zu erreichen.