Arbeiter in einer Produktionshallen
ORF/Christian Öser
IHS-Prognose

Wirtschaft wächst wieder, aber „verhalten“

Das Nachlassen der Inflation und das Abklingen der Folgen des Ukraine-Krieges dürften die österreichische Wirtschaft auf einen „verhaltenen Wachstumskurs“ zurückführen, erwartet das Institut für Höhere Studien (IHS) in seiner am Donnerstag präsentierten Mittelfristprognose. „Die Inflation bleibt hoch, aber mit einer eindeutig fallenden Tendenz“, sagte IHS-Ökonom Helmut Hofer.

Heuer rechnet das IHS noch mit einer Inflationsrate von 7,5 Prozent, bis 2027 werde sie aber voraussichtlich auf 2,3 Prozent zurückgehen. Für den Zeitraum 2023 bis 2027 geht das Institut von einer durchschnittlichen Inflationsrate von 3,8 Prozent aus.

Die Wirtschaft wird dieses Jahr noch stagnieren (plus 0,5 Prozent), für die Jahre 2024 und 2025 werden Zuwächse von 1,4 Prozent und 1,5 Prozent gesehen. 2026 und 2027 dürfte sich die Wirtschaftsleistung aber wieder auf jeweils 1,2 Prozent abschwächen. Für den Prognosezeitraum 2023 bis 2027 erwartet das IHS eine Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts von durchschnittlich 1,2 Prozent pro Jahr. Damit dürfte die heimische Wirtschaftsleistung mit demselben Tempo wie jene im Euro-Raum zulegen. In der Fünfjahresperiode davor betrug das Wachstum im Schnitt 1,3 Prozent.

Eine Grafik zeigt die österreichische Wirtschaftsprognose bis 2027
Grafik: APA/ORF; Quelle: IHS

Arbeitslosigkeit geht zurück

Die mittelfristige Projektion des IHS orientiert sich am Produktionspotenzial, das heißt: der bei Normalauslastung der Produktionsfaktoren erreichbaren Wirtschaftsleistung. Das beinhaltet die Zahl der Arbeitsstunden, die Verfügbarkeit von Kapital sowie den technischen Fortschritt. Das Arbeitsvolumen dürfte um 0,9 Prozent pro Jahr wachsen. Zwar wird die durchschnittliche Wochenarbeitszeit weiter sinken, ebenso aber die Arbeitslosigkeit.

Bis zum Jahr 2027 rechnet das IHS mit einem Rückgang der Arbeitslosenquote auf 5,8 Prozent. Zugleich dürfte die Beschäftigung um durchschnittlich 0,9 Prozent pro Jahr zulegen. Allerdings, sagte IHS-Chef Holger Bonin, brauche es umfassende Strategien gegen den steigenden Fachkräftemangel. Bei Frauen, Älteren und Personen mit Migrationshintergrund müsse das vorhandene Arbeitskräftepotenzial besser ausgeschöpft werden, etwa durch mehr und bessere Kinderbetreuung und Qualifizierungsoffensiven.

IHS: Inflation bis 2027 wieder auf 2,3 Prozent

Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat zur Teuerungswelle eine Mittelfristprognose vorgestellt. Laut IHS wird die Inflation heuer noch bei 7,5 Prozent liegen. Bis 2027 soll die Teuerung dann auf 2,3 Prozent zurückgehen.

Besser als zuletzt werde sich der private Konsum entwickeln. „In den vergangenen fünf Jahren war die Entwicklung des privaten Konsums in Österreich durch die coronabedingten Einschränkungen und die darauffolgenden Aufholeffekte geprägt“, sagte Hofer. Heuer dämpfe die hohe Inflation den Konsum zwar noch, insgesamt gesehen stelle der private Konsum mit einem durchschnittlichen Wachstum von 1,3 Prozent pro Jahr aber eine wesentliche Stütze der Wirtschaft dar.

Appell an Politik

Die Entwicklung des Produktionspotenzials wurde durch die Krisen der letzten Jahre erheblich beeinträchtigt. Vor allem die „zeitweise Investitionsschwäche und die träge Entwicklung des technischen Fortschritts“ haben laut IHS zur Folge, dass heuer das Potenzial um 4,3 Prozent niedriger ausfällt, als es vor der Pandemie erwartet worden war.

Die Politik sollte sich aus Sicht des IHS nicht mit dem prognostizierten „verhaltenen mittelfristigen Trendwachstum“ zufriedengeben. Ein höheres Potenzialwachstum würde mehr Spielräume schaffen, um die „anstehenden großen gesellschaftlichen Herausforderungen“ zu bewältigen. Das IHS führt hier die Dekarbonisierung und die Alterung der Gesellschaft an. Besondere Aufmerksamkeit sollte den digital- und datenbasierten neuen Schlüsseltechnologien geschenkt werden.

Kritik an „überschießenden Lohnabschlüssen“

Die Prognose des IHS sei mit erheblichen Risiken behaftet. Als einen Punkt nannten die Ökonomen „überschießende Lohnabschlüsse“, die die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen verringern und die Qualität des Wirtschaftsstandorts verschlechtern könnten. Das IHS schaute sich den Zusammenhang zwischen der Höhe der Löhne und der Inflation genauer an und sah für Österreich zwar nicht die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Ein Lohnanstieg um einen Prozentpunkt zieht laut IHS-Berechnungen eine zusätzliche Inflation von 0,5 oder 0,6 Prozentpunkten nach sich. Die Nationalbank gehe hier von nur 0,3 Prozentpunkten aus.

Die Sozialpartner sollten aus Sicht des IHS-Chefs aber über längere Laufzeiten der Kollektivverträge (derzeit zwölf Monate) nachdenken und auch darüber, ob sich die Lohn- und Gehaltsverhandlungen am Verbraucherpreisindex (VPI) oder am BIP-Deflator orientieren sollten. Der BIP-Deflator ist ein Inflationsmaß, das als Quotient aus nominellem und realem (preisbereinigtem) Bruttoinlandsprodukt (BIP) errechnet wird.

ÖGB verzichtet auf „Zurufe“

Als Ausgangspunkt der KV-Verhandlungen wird derzeit die durchschnittliche Inflation der letzten zwölf Monate herangezogen, zuletzt waren das 8,6 Prozent. Hätte man den BIP-Deflator herangezogen, wären es 4,9 Prozent gewesen. Für die Beschäftigten hätte das einen realen Einkommensverlust bedeutet. Weniger Lohnsteigerung bedeute aber höhere Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit, so das IHS.

„Was wir brauchen, sind gerechte Lohn- und Gehaltserhöhungen, und genau dafür werden die Gewerkschaften im Herbst wie auch in der Vergangenheit kämpfen. Was wir nicht brauchen, sind Zurufe ohne Faktenbasis“, reagierte ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann auf die IHS-Aussagen.

Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ nahmen die Prognose zum Anlass, um Kritik an der Regierung zu üben. Österreich habe die höchste Teuerungsrate in Westeuropa. Die SPÖ forderte einmal mehr, die Mieten zu senken und die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel auszusetzen, die FPÖ sprach sich für eine Preisbremse, Steuersenkungen auf Grundnahrungsmittel, Energie und Treibstoffe sowie ein sofortiges Ende der Russland-Sanktionen aus.