Demonstration in Manipur, Indien
APA/AFP/Arun Sankar
Indien

Gewalt gegen Frauen setzt Modi unter Druck

Ein Video über eine Zurschaustellung von Frauen durch einen hinduistischen Mob wirft ein grelles Schlaglicht auf den ethnischen Konflikt im indischen Bundesstaat Manipur. Indiens oberstes Gericht forderte strenge Strafen für die Täter, nachdem das Video auf sozialen Netzwerken Verbreitung fand, wie der Pressedienst UCA News berichtete. Der Umgang mit dem Vorfall setzt nun auch Premierminister Narendra Modi unter Druck, der sich am Donnerstag erstmals zu dem Konflikt zwischen den Stammesgemeinschaften äußerte und harte Strafen ankündigte.

„Ich versichere der Nation, dass das Gesetz mit aller Macht seinen Lauf nehmen wird. Was mit den Töchtern von Manipur geschehen ist, kann niemals verziehen werden“, sagte Modi am Donnerstag vor indischen Medien und brach damit mehr als zwei Monate nach dem Ausbruch der Gewalt sein Schweigen über Manipur. Der Vorfall habe „Schande über Indien gebracht“, und „kein Schuldiger wird verschont“. Während er neben dem „Tempel der Demokratie stehe“, sei sein Herz „mit Schmerz und Wut erfüllt“.

Modi war im Vorfeld dafür kritisiert worden, dass er zu dem Konflikt und der Gewalt geschwiegen hatte, die Anfang Mai zwischen der hinduistischen Bevölkerungsmehrheit der Meitei und der überwiegend christlichen Minderheit der Kuki ausgebrochen war. Der Konflikt forderte bisher mehr als 150 Todesopfer. Etwa 50.000 Menschen wurden vertrieben und Tausende Häuser niedergebrannt, darunter mehr als 200 Kirchen.

Ministerpräsident: Erste Verhaftung vorgenommen

Zuvor war die Parlamentssitzung unterbrochen worden, da die Abgeordneten eine Debatte zu diesem Thema forderten. Gerade als Modi seine Erklärung beendete, twitterte der Ministerpräsident von Manipur, Biren Singh, dass die Polizei des Bundesstaates die erste Verhaftung in dem Fall vorgenommen habe.

„Eine gründliche Untersuchung ist derzeit im Gange, und wir werden sicherstellen, dass gegen alle Täter streng vorgegangen wird, einschließlich der Möglichkeit der Todesstrafe“, sagte Singh, dem vorgeworfen wird, die Gewalt nicht zu bekämpfen. Singh sagte kurz darauf, dass zwei Personen, darunter der Hauptverdächtige, von der Polizei in Manipur festgenommen wurden. Die Behörden nahmen Ermittlungen wegen Gruppenvergewaltigung auf und verhörten mehr als drei Dutzend Männer.

Indiens Premierminister Narendra Modi
AP/Manish Swarup
Modi kündigte am Donnerstag am Eröffnungstag der Monsunsitzung des indischen Parlaments harte Strafen an

Scharfe Worte von oberstem Richter

Der oberste Richter Indiens, Dhananjaya Y. Chandrachud, äußerte sich ebenfalls besorgt über den Übergriff und erklärte, der Oberste Gerichtshof sei „zutiefst beunruhigt über das Video“. Der oberste Richter forderte die Regierung auf, das Gericht über die gegen die Angeklagten eingeleiteten Schritte zu informieren, und sagte: „Wir werden Maßnahmen ergreifen, wenn Sie das nicht tun.“

Chandrachud sagte laut UCA News, es sei zutiefst beunruhigend, dass Frauen in gesellschaftlichen Konflikten mit sexueller Gewalt instrumentalisiert würden. Das sei eine grobe Menschenrechtsverletzung. Das höchste Gericht forderte weiters die Regionalregierung von Manipur auf, es über alle Schritte zu informieren, um die Täter der Justiz zuzuführen.

Proteste gegen Gewalt gegen Frauen

In Delhi haben zahlreiche Menschen gegen sexuelle Übergriffe auf Frauen protestiert. Auslöser war ein Video, in dem zwei Frauen der sexuellen Gewalt eines hinduistischen Mobs ausgesetzt waren. Der Umgang mit dem Vorfall setzt auch Premierminister Narendra Modi unter Druck.

Grausames Video fand auf sozialen Netzwerken Verbreitung

Das grausame Video der beiden Frauen wurde in sozialen Netzwerken weit verbreitet. Es zeigt, wie sie von einem Mob von Männern gezerrt und betatscht werden, die sie dann in ein Feld stoßen. Die Regierung hat laut BBC-Angaben alle Social-Media-Unternehmen aufgefordert, das Video von ihren Plattformen zu löschen. Die Echtheit des Videos konnte bisher nicht überprüft werden.

Laut Polizeiangaben gehören die Frauen der überwiegend christlichen Bevölkerungsgruppe der Kuki an. Mindestens eine von ihnen sei Opfer einer Gruppenvergewaltigung geworden. Die beiden Frauen wurden von Männern der Meitei-Gruppe angegriffen. Nach Angaben der Polizei fand der Angriff auf die Frauen am 4. Mai statt, machte aber erst am Donnerstag international Schlagzeilen, nachdem das Video verbreitet wurde.

Fahrzeugkontrolle einer ethnischen Gruppe in Manipur, Indien
AP/Altaf Qadri
Fahrzeugkontrolle einer ethnischen Gruppe in Manipur

Indigenous Tribal Leaders’ Forum fordert Maßnahmen

Auch das Indigenous Tribal Leaders’ Forum (ITLF) erklärte in einer Erklärung, die „New Indian Express“ veröffentlichte, dass die abscheulichen Gräueltaten in einem Dorf im Bezirk Kangpokpi an Frauen aus der Stammesgemeinschaft der Kuki begangen worden seien, und forderte rasche und drastische Maßnahmen.

„Die Tortur, die diese unschuldigen Frauen erlitten haben, wird durch die Entscheidung der Täter, das Video, das die Identität der Opfer zeigt, in den sozialen Netzwerken zu verbreiten, noch verschlimmert“, so die Organisation. Die Regierung von Manipur, die Nationale Kommission für Frauen und die Nationale Kommission für unterdrückte Stämme müssten die Straftat zur Kenntnis nehmen und die notwendigen Maßnahmen gegen die Schuldigen einleiten.

Demonstration in Manipur, Indien
IMAGO/Hindustan Times
Mitglieder der Katholischen Vereinigung organisieren einen Marsch für Manipur, um Frieden zu erreichen

Oppositionskoalition bringt sich gegen Modi in Stellung

Auch andere Minister aus Modis Regierung verurteilten den Vorfall. Die Frauenministerin Smriti Irani bezeichnete den Vorfall als „geradezu unmenschlich“ und sagte, die Täter würden vor Gericht gestellt werden, berichtet der britische „Guardian“.

Die Situation dürfte in weiterer Folge auch von der politischen Opposition instrumentalisiert werden. So beschuldigte der Präsident der oppositionellen Kongresspartei, Mallikarjun Kharge, die Regierung am Donnerstag, sie würde aus einer Demokratie eine „Mobokratie“ machen. Abgeordnete der Opposition reichten in beiden Häusern des Parlaments Anträge ein, um über die anhaltende Gewalt in Manipur zu diskutieren.

Bereits am Mittwoch hatte zudem eine neue Koalition aus mehreren Oppositionsparteien versucht, sich gegen die hindu-nationalistische Regierungspartei BJP von Modi in Stellung zu bringen. In den am Freitag beginnenden Parlamentssitzungen steht die Koalition mit dem Namen INDIA (kurz für Indian National Developmental Inclusive Alliance) vor ihrem ersten Test.

Niedergebranntes Haus in Manipur, Indien
AP/Altaf Qadri
Der Rohbau eines niedergebrannten Hauses nach ethnischen Zusammenstößen in Sugnu

Opposition will „Demokratie und Verfassung schützen“

Parteivertreter diskutierten diese Woche in der Stadt Bengaluru im Bundesstaat Karnataka über ein gemeinsames Programm für die anstehende Wahl im Frühjahr 2024. „Wir sind zusammengekommen, um die Demokratie und die Verfassung zu schützen“, sagte dazu Kharge auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Seit 2014 ist Modi Premierminister Indiens. Im Frühjahr 2024 wird ein neues Parlament gewählt. Es wird erwartet, dass Modi eine Wiederwahl anstrebt. Kritiker sagen, dass es weniger Demokratie in Indien unter Modi gibt. Die BJP gewann 2019 mehr als 300 der 543 Sitze im Unterhaus und regiert in rund der Hälfte der indischen Bundesstaaten.