ein Polizist und ein Jäger beim durchsuchen eines Waldstückes
Reuters/Annegret Hilse
Vermeintliche Löwin

Zweifel an Berliner Wildschwein-Theorie

Die Suche nach einer vermeintlichen Löwin in Kleinmachnow südlich von Berlin wurde am Freitagnachmittag eingestellt, die Polizei bleibt dennoch mit verstärkten Kräften präsent – das „subjektive Sicherheitsgefühl“ der Bürgerinnen und Bürger müsse gestärkt werden. Der Erkenntnis, dass es sich bei dem bei gesichteten Tier nicht um eine Großkatze, sondern um ein Wildschwein gehandelt habe, schenken nicht alle Glauben.

Der Einsatz von mehr Polizeibeamten im Raum Kleinmachnow soll zumindest noch am Wochenende aufrechterhalten werden, hieß es am Samstag. Am Freitagmittag hatte die Polizei eine großangelegte Suche mit einer Hundertschaft Polizeibeamten, Hubschraubern, Drohnen und Wärmebildkameras nach rund 30 Stunden eingestellt. Fachleute hatten zuvor erklärt, dass es sich bei einem in der Nacht zum Donnerstag gesichteten Tier nicht um eine Großkatze handle.

Ein Videoschnipsel mit dem vermeintlichen Raubtier hatte Donnerstagfrüh die Runde durch die sozialen Netzwerke gemacht. Die Ermittlungsbehörden schätzten das Video als echt ein. Polizisten gaben nach Angaben einer Behördensprecherin an, ebenfalls ein Wildtier „gesichert“ gesehen zu haben.

Ein Mann mit einem Betäubungsgewehr während einer Suchaktion nach einem freilaufenden Wildtier im Bereich der südlichen Landesgrenze von Berlin
APA/dpa/TNN/Sven Käuler
Suche nach dem Tier mit Betäubungsgewehr

„Ich kann mir das nicht vorstellen“

Die Potsdamer Tierärztin Michaela Ebeling zweifelt indes an der Einschätzung von Fachleuten, dass es sich doch um ein Wildschwein gehandelt habe. „Wenn man das Video, wie die Behörden, als echt einstuft, sieht man: Das Tier darin hat einen kurzen runden Kopf und runde Ohren – wie der Kopf einer Raubkatze“, sagte Ebeling der „Märkischen Allgemeinen“.

„Wildschweine haben einen langen Kopf mit kurzen spitzen Ohren. Das wäre schon ein sehr mutiertes Wildschwein.“ Nach ihrer Einschätzung würden erst die nächsten Tage Klarheit bringen. Die Ärztin war nach eigenen Angaben an der Suche nach dem möglichen Raubtier beteiligt.

Der Zeuge, der das Video gemacht hatte, meldete auf Anfrage von T-Online ebenfalls Zweifel an, dass es sich bei dem von ihm gefilmten Tier um ein Wildschwein handelt. „Ich kann mir das nicht vorstellen.“ Für ihn sehe das Tier immer noch nicht aus wie ein Schwein.

Analyseergebnisse erst am Montag

Die Ergebnisse einer Analyse von Spuren, die bei der Suche gefunden wurden, werden voraussichtlich erst am Montag vorliegen. „Die Laboranalyse der an der ersten Sichtungsstelle gesicherten Haar- und Kotproben ist leider noch nicht abgeschlossen, wie am Vormittag vom zuständigen Veterinäramt zu erfahren war“, teilte Stadtsprecherin Martina Bellack am Samstag mit. „Ergebnisse sind leider erst am Montag zu erwarten.“

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen verteidigte indessen den Großeinsatz der Polizei. „Die Sicherheit der Bevölkerung hat oberste Priorität“, sagte Stübgen der dpa. „Nach den ersten Hinweisen konnte nicht ausgeschlossen werden, dass wir es mit einem Raubtier zu tun haben – und es wäre auch nicht das erste gefährliche Tier gewesen, das in unserer Region ausgerissen ist.“ Die Maßnahmen seien daher „absolut angemessen“ gewesen.

Debatte über Einsatzkosten

Weil der Einsatz noch nicht ausgewertet sei, könnten derzeit keine Aussagen zu den Gesamtkosten gemacht werden, teilte Ministeriumssprecher Martin Burmeister mit. Der Vizechef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, hatte in der „Bild“-Zeitung die Kosten kritisiert. „Bei diesem Einsatz handelt es sich zweifelsfrei um die teuerste Safari, die es in Deutschlands Wäldern je gegeben hat“, sagte er. Ein solcher Einsatz mit Hubschraubern, Drohnen und mehreren hundert Einsatzkräften koste die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler schnell mehrere 100.000 Euro.

In ausländischen Zeitungen sorgte die abgeblasene Löwenjagd teils für spöttische Kommentare: „Kleinlaut blasen die Deutschen die Jagd auf die Bestie von Berlin ab, nachdem sie zugegeben haben, dass es sich NICHT um eine Löwin handelt“, schrieb die „Daily Mail“. Die französische „Liberation“ hielt fest: „Die Bürger von Kleinmachnow können ihre Dackel wieder hervorholen. Es besteht keine Gefahr mehr, dass die Löwin, die von Donnerstag bis Freitag 30 Stunden lang von über 300 Polizisten gesucht wurde, ihr Haustier frisst.“