Menschen schauen vor einer Wahllokal in Madrid auf Listen
AP/Andrea Comas
Keine Mehrheit für PP

Spanien droht Patt im Parlament

Spanien steuert nach der Parlamentswahl am Sonntag auf ein Patt von rechtem und linkem Lager zu. Weder das linke Lager um Ministerpräsident Pedro Sanchez noch die Rechte um den Herausforderer Alberto Nunez Feijoo kam auf eine absolute Mehrheit im Parlament. Der viertgrößten Volkswirtschaft der EU steht damit eine Hängepartie und womöglich eine weitere Wahl bevor.

Nunez Feijoos konservative Volkspartei (PP) gewann zwar deutlich hinzu und wurde stärkste Partei, erreichte aber auch zusammen mit der als möglicher Partner gehandelten Rechtsaußenpartei Vox und einer weiteren Partei keine Mehrheit im Parlament.

Diese Parteien erhalten nach Auszählung fast aller Stimmen zusammen 170 der 350 Sitze. Umfragen zufolge war erwartet worden, dass Vox als Unterstützer der PP als erste Rechtsaußenpartei seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 eine direkte Regierungsmacht erhalten würde.

„Übernehme die Aufgabe, Verhandlungen aufzunehmen“

Nunez Feijoo reklamierte vor Tausenden jubelnden Anhängerinnen und Anhängern in Madrid trotz fehlender Mehrheit das Amt des Regierungschefs für sich. Er sei zum Dialog bereit, um eine Regierung auf die Beine zu stellen. „Ich übernehme die Aufgabe, Verhandlungen zur Bildung einer Regierung aufzunehmen“, sagte der 51-Jährige.

Alberto Nunez Feijoo (Partido Popular)
APA/AFP/Oscar Del Pozo
Nunez Feijoo reklamierte am Abend den Wahlsieg und das Amt des Premiers für sich

Die Volkspartei gewann bei der Wahl 47 Mandate dazu und ist mit 136 Sitzen nun stärkste Kraft im spanischen Parlament. Vox verlor 19 Sitze und hat nun 33 Mandate. Zu Nunez Feijoos Unterstützern wird außerdem eine konservative Regionalpartei gezählt, die einen Sitz erhielt.

Sanchez: „Reaktionärer Block ist gescheitert“

Auch der sozialistische Amtsinhaber Pedro Sanchez dürfte große Probleme haben, eine Neuauflage seiner linken Minderheitsregierung in die Wege zu leiten. Seine PSOE konnte sich zwar um zwei Sitze auf 122 Sitze verbessern. Und sein Linksaußen-Partner, das Wahlbündnis Sumar, kam aus dem Stand auf 31 Sitze. Zusammen mit kleineren Regionalparteien, mit deren Hilfe er 2019 ins Amt gewählt worden war, käme der Sozialist aber auch nur auf 172 Stimmen.

Sanchez zeigte sich dennoch erleichtert. „Der reaktionäre Block ist gescheitert“, sagte er am Abend vor jubelnden Anhängern in Madrid. Die Sozialisten bilden derzeit mit der linken Unidas Podemos (UP) eine Minderheitsregierung. UP trat bei der Wahl als Teil von Sumar an.

Pedro Sanchez (PSOE)
AP/Europa Press/Alejandro Martínez Velez
Die PSOE von Sanchez ging mit einem leichten Plus aus der Wahl, ist aber nur noch die zweitstärkste Kraft

Katalanische Junts mit klarer Ansage

„Das voraussichtliche Wahlergebnis kennt zwar einen klaren Sieger: den Partido Popular unter dem Vorsitz von Alberto Nunez Feijoo“, sagte der deutsch-spanische Historiker Carlos Collado Seidel, der an der deutschen Universität Marburg als außerplanmäßiger Professor tätig ist. Seine Wahl als Regierungschef und damit eine Regierungsbildung stünden allerdings in den Sternen.

Eine Große Koalition könne ausgeschlossen werden. Auch sei nicht zu erwarten, dass sich die Sozialisten bei der Wahl des Regierungschefs enthielten und damit eine Minderheitsregierung der PP als kleineres Übel tolerieren würden.

Eine Grafik zeigt das vorläufige Ergebnis der Spanien-Wahl
Grafik: APA/ORF; Quelle: El Pais

Auch die katalanische Separatistenpartei Junts des 2017 abgesetzten früheren Regionalregierungschefs Carles Puigdemont kommt wohl als Mehrheitsbeschafferin kaum infrage. Der im belgischen Exil lebende Puigdemont hatte aber zuvor schon eine Unterstützung sowohl der PP als auch der PSOE abgelehnt.

Junts-Spitzenkandidatin Miriam Nogueras nannte am Montag in einem Radiointerview bereits den Preis ihrer Stimmen: „Amnestie“ für die Verurteilten und Flüchtigen des illegalen Unabhängigkeitsreferendums von 2017 und eine ausgehandelte Volksbefragung über die Abspaltung Kataloniens von Spanien.

Vox will Stimmen „nicht verschenken“

Auch Vox, die 19 Sitze verlor, stellte gleich in der Wahlnacht klar, dass sie in eine Regierung mit Nunez Feijoo wolle oder zumindest Einfluss auf deren Programm. Man werde die eigenen Stimmen „nicht verschenken“, sagte Vox-Generalsekretär Ignacio Garriga. Vox-Chef Santiago Abascal machte auch Nunez Feijoo für das schlechte Abschneiden des rechten Lagers verantwortlich. Der PP-Kandidat habe die PSOE aufgewertet, indem er ihr einen Pakt angeboten habe, dass jede der beiden großen Parteien den Kandidaten mit den meisten Stimmen unterstützen solle, kritisierte Abascal.

Spanien vor schwieriger Regierungsbildung

Spanien befindet sich nach der Parlamentswahl in einer Pattsituation. Die Regierungsbildung dürfte sehr schwierig werden, denn weder das rechte Lager um Herausforderer Nunez Feijoo noch das linke Lager um Premier Sanchez kam auf eine absolute Mehrheit.

Erinnerung an 2015 und 2019

Sollte es Nunez Feijoo nicht gelingen, eine Regierung zu bilden, könnte eine weitere Wahl notwendig werden. Damit könnte Spanien eine Hängepartie bevorstehen. Ein „Bloqueo“, eine politische Blockade, wie es sie bereits nach den Wahlen von 2015 und 2019 zweimal in Folge gab, was jeweils eine zweite Wahlrunde nötig machte, erscheint nicht ausgeschlossen.

Die Wahl des Parlaments war eigentlich erst für Ende des Jahres vorgesehen. Doch Sanchez rief Neuwahlen aus, nachdem die Linke bei den Regionalwahlen im Mai eine Schlappe erlitten hatte. Die Rechnung von Sanchez, sich mit der vorgezogenen Neuwahl eine weitere Amtszeit zu sichern, ging nicht auf.

2018 war Sanchez der erste Politiker in Spanien, der eine amtierende Regierung durch einen Misstrauensantrag stürzte. Später übernahm er das Amt des Ministerpräsidenten von seinem konservativen Vorgänger Mariano Rajoy und gewann anschließend zwei Wahlen.