Demonstranten werden nahe der Knesset in Jerusalem von der Polizei mit einem Wasserwerfer beschossen
Reuters/Ammar Awad
Justizumbau

Wasserwerfereinsatz bei Protest vor Knesset

Kurz vor der für Montag angesetzten Abstimmung über ein Kernelement des umstrittenen israelischen Justizumbaus ist die Lage vor dem israelischen Parlament eskaliert. Nachdem Hunderte Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes versucht hatten, die Eingänge zur Knesset zu blockieren, setzte die Polizei Wasserwerfer ein. Der Justizumbau wurde von Anfang an von einer beispiellosen Protestwelle begleitet. Auch am Montag wurde weiter nach einem Kompromiss gesucht – Oppositionsführer Jair Lapid erklärte dieses Vorhaben gegen Mittag für gescheitert.

„Mit dieser Regierung ist es unmöglich, Vereinbarungen zu treffen, die die israelische Demokratie bewahren“, sagte Lapid laut Medienberichten kurz vor Beginn des wohl entscheidenden Abstimmungsprozesses. Am Vorabend hatte Präsident Jizchak Herzog der Koalition und Opposition einen Kompromissvorschlag zu dem Gesetz unterbreitet.

Begleitet von großen Protesten soll das bereits seit dem Vortag tagende Parlament am Montag nun über ein Kernstück des Gesetzesvorhabens der rechts-religiösen Regierung abstimmen. Banken, Einkaufszentren und andere Geschäfte blieben als Zeichen des Widerstands gegen das Vorhaben geschlossen.

Proteste und Wasserwerfer vor Knesset

Überschattet von neuen Protesten entscheidet das israelische Parlament in Jerusalem über einen Kernteil des umstrittenen Umbaus der Justiz durch die rechts-religiöse Regierung von Benjamin Netanjahu. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, nachdem Demonstrierende eine zur Knesset führende Straße blockiert hatten.

Bereits am Sonntag versammelten sich sowohl Gegner als auch Befürworter des Justizumbaus. Agenturangaben zufolge kam es am Montagvormittag auch zu Ausschreitungen. Einige Menschen seien festgenommen worden, berichtete unter anderem die Agentur AFP. Auch in anderen Städten des Landes kam es erneut zu großen Protesten.

In der Küstenstadt Tel Aviv gingen am Sonntag Zehntausende Unterstützer des Umbaus auf die Straße – in Jerusalem versammelten sich Zehntausende, um gegen das Gesetzespaket zu protestieren. In Jerusalem fand Sonntagmittag zudem eine Demonstration für einen Konsens beider Lager statt.

Luftansicht zeigt Hunderte Zelte der Demonstranten nahe der Knesset in Jerusalem
Reuters/Ilan Rosenberg
Zeltlager der Gegnerinnen und Gegner des Justizumbaus nahe dem israelischen Parlament

Netanjahu aus Spital entlassen

Mit der Justizreform will Regierungschef Benjamin Netanjahus rechts-religiöse Koalition die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs beschränken. Bei der Abstimmung geht es um einen Passus, der dem Höchstgericht die Möglichkeit nehmen würde, Entscheidungen der Regierung als „unangemessen“ zu kippen. Die Opposition lehnt die Reform als einen gefährlichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz und als Einfallstor für Korruption und Machtmissbrauch ab.

Kurz vor der Abstimmung wurde Netanjahu aus dem Krankenhaus entlassen. Der 73-jährige Regierungschef war am Samstagabend wegen Herzrhythmusstörungen eingeliefert worden und hatte bei einer Operation in der Nacht auf Sonntag einen Herzschrittmacher bekommen. Später erklärte er in einer Videoansprache, er sei bei „exzellenter Gesundheit“ und werde am Montag zur Debatte über die Justizreform ins Parlament zurückkehren.

Kompromissvorschlag der Gewerkschaft

Bisherige Verhandlungen zwischen der Koalition und der Opposition über das Gesetz unter Herzogs Federführung waren ohne Erfolg geblieben. Netanjahus Likud-Partei hatte zudem erst am Sonntag einen vor einigen Tagen vom Dachverband der Gewerkschaften (Histadrut) eingebrachten Vorschlag über eine Einigung abgelehnt.

Der Verteidigungsminister gab jüngst bekannt, sich um einen „Konsens“ in dem Streit über das Gesetz zu bemühen. Aus den Reihen der Armee wächst der Widerstand gegen das Vorhaben der Regierung. Rund 10.000 Reservistinnen und Reservisten kündigten am Wochenende an, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen, sollte die Koalition ihre Pläne nicht stoppen. Berichten zufolge könnte das die Einsatzbereitschaft des Militärs erheblich beeinträchtigen.

Politisches Überleben und Grundsatzfragen

Netanjahu hat wegen mehrerer Anklagen – unter anderem wegen Korruption – starkes Eigeninteresse, die Justiz zu schwächen. Dazu kommen seine rechten bis rechtsradikalen Koalitionspartner, die sich seit Jahren die Schwächung der Justiz auf die Fahne geheftet haben und ohne die Netanjahu sich nicht an der Macht halten kann. Die Basis zu allen gemäßigten und Mitte-links-Parteien hat Netanjahu in früheren Koalitionen zerstört. Keine von ihnen ist bereit, mit Netanjahu nochmals eine Koalition zu bilden.

Im Hintergrund geht es – nicht zuletzt aufgrund eines demografischen Wandels (steigender Anteil von Religiösen und Palästinensern, Anm.) – um grundsätzliche Fragen für das Land: Wie säkular bzw. wie religiös soll das öffentliche Leben sein? Wie viele Rechte sollen Minderheiten, etwa die rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung umfassenden israelischen Palästinenserinnen und Palästinenser, haben? Und, anhand des Konflikts um jüdische Siedlungen in besetzten Gebieten: Wie soll das Zusammenleben mit den Palästinensern und eine dauerhafte Lösung des Konflikts aussehen?