Luftaufnahme des Kraters in Lassing 1998
APA/Hans Techt
Grubenunglück

25 Jahre „Wunder von Lassing“

Im Sommer 1998 ereignete sich im obersteirischen Lassing die größte Bergwerkskatastrophe der österreichischen Nachkriegsgeschichte. Ein Trupp aus neun Bergleuten und einem Geologen war in das örtliche Bergwerk abgestiegen. Kumpel Georg Hainzl war zuvor bei einem Schlammeinbruch eingeschlossen worden. Am Ende überlebte nur Hainzl. Am Mittwoch jährt sich das „Wunder von Lassing“ zum 25. Mal.

Am 17. Juli 1998, zehn Tage vor dem „Wunder“, nahm das Unglück seinen Lauf, als der damals 24-jährige Hainzl am Vormittag infolge eines Schlammeinbruchs in dem Talkbergwerk in gut 60 Meter Tiefe eingeschlossen wurde. Ein Krater, Pinge genannt, entstand. An der Oberfläche war das daran erkennbar, dass ein Haus im Ortsteil Moos, unter dem sich das Bergwerk befand, langsam in dieser Pinge versank.

Zehn Männer fanden den Tod

Noch am selben Tag stieg ein Team aus neun Bergleuten und einem Geologen in das Talkbergwerk von Lassing hinab, davor war der telefonische Kontakt zu Hainzl abgerissen. Am Nachmittag ahnte noch niemand den dramatischen Verlauf. Denn der Abstieg in das Bergwerk erwies sich als fatale Fehleinschätzung – ein Schlammeinbruch ließ die Grube implodieren und riss das zehnköpfige Rettungsteam mutmaßlich sofort in den Tod. Allerdings hieß bei der Aufarbeitung des Unglücks, dass die zehn Männer eher in die Grube geschickt wurden, um einen Stollen abzusichern.

Luftaufnahme des Kraters in Lassing 1998
APA/Hans Techt
Dieses Bild ging – wie jenes des geborgenen Georg Hainzl – um die Welt

Durch den Einbruch einer illegalen Sohle und einen Wassereinbruch, der fast das gesamte Stollensystem zum Einsturz brachte, sackte das Erdreich nach und nach ab und begrub das Rettungsteam unter sich. Die Hoffnungen auf eine Rettung der verschütteten Trupps erfüllten sich nicht. Einen Monat lang lief der Rettungseinsatz, bevor er am 17. August schließlich eingestellt wurde – auch der Bergeeinsatz wurde letztlich abgesagt.

Keine Chance mehr eingeräumt

Unmittelbar nach dem Schlammeinbruch liefen aber die Bemühungen weiter auf Hochtouren, alle Verschütteten zu finden. Tags darauf wurde mit der Bohrung zur Jausenkammer begonnen, in der man Hainzl vermutete. In der Folge wurde Wasser aus der Pinge gepumpt und es wurden diverse Messungen vorgenommen. Diese wiesen auf eine CO2-Konzentration in der Jausenkammer hin, die das Atmen unmöglich zu machen schien – Hainzl wurde keine Überlebenschance mehr gegeben.

ZIB-Liveeinstieg zur Rettung von Georg Hainzl (26. Juli 1998)

„Ja, i bin’s, da Georg Hainzl“

Die Rettung stand vor dem Abbruch – doch tags darauf, am 26. Juli, sollte sich das Blatt in den Abendstunden dramatisch wenden. Es trugen sich jene Momente zu, die in der Folge als das „Wunder von Lassing“ in die Geschichte eingehen sollten: als nämlich die Bohrung einen Vorraum der Jausenkammer erreichte und Hainzl auf den Zuruf der Retter („Is da wer?“) antwortete: „Ja, i bin’s, da Georg Hainzl.“ Rund zwei Stunden später wurde er geborgen und ins LKH Graz eingeliefert.

ZIB-Liveeinstieg zur Rettung von Georg Hainzl (26. Juli 1998)

„Ein wunderbares Gefühl, wieder zu leben“

Es gehe ihm gut, nur die Füße machten Probleme, hieß es von den Ärzten in Graz. „Ein wunderbares Gefühl, wieder zu leben“, sagte Hainzl. Zu diesem Zeitpunkt war er aber vom Umstand noch nicht unterrichtet, dass zehn seiner Retter vom Einsatz nicht mehr zurückgekommen waren.

Georg Hainzl kurz nach seiner Rettung
AP/Gerhard Gradwohl
Hainzl unmittelbar nach seiner Rettung

Das mediale Interesse an der tagelang andauernden Rettungsaktion war enorm – auch international wurde darüber sehr ausführlich berichtet. Mehrmals betonte der Obersteirer später, aus den Interviews, die er nach seiner Entlassung zunächst noch gab, keinen Profit schlagen zu wollen – vielmehr wolle er seine Ruhe haben.

Nachspiel vor Gericht

Doch hatte das Unglück ein längeres Nachspiel vor Gericht: Gegen fünf Personen wurde ein Strafantrag eingebracht. Letztlich wurde der Betriebsleiter der Naintscher Mineralwerke zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, acht Monate davon unbedingt. Er soll sich seit Jahren nicht mehr an die Betriebspläne und den Notfallplan gehalten haben.

Gedenkstätte am Ort des Grubenunglücks von Lassing
IMAGO/Elmar Gubisch
Die Gedenkstätte am Ort des Grubenunglücks

Das Kartenwerk sei unzureichend gewesen, und die Grube sei nicht einmal ordentlich vermessen worden. Der Leobener Berghauptmann wurde zu sechs Monaten bedingt verurteilt, weil eine jahrelange Vernachlässigung der Prüf- und Aufsichtspflicht festgestellt wurde und weil er fünf Genehmigungsbescheide erteilt hatte, ohne die entsprechenden Stellen besichtigt zu haben. Die drei anderen Angeklagten wurden freigesprochen.

TV-Hinweis

In tvthek.ORF.at sind derzeit zwei Sendungen zum Thema abrufbar: von 2018 „Lassing: Wunder und Trauma“ und von 2013 „Das Wunder von Lassing: Ein Rückblick“.

„Wir im Ort wissen ja, was passiert ist“

2002 wurde an der Stelle der ehemaligen Pinge eine Gedenkstätte eingeweiht. Gut zwanzig Jahre später wurde in Lassing der Opfer zuletzt nur privat gedacht, organisiert von den Angehörigen selbst. Nicht mehr alle Familien wohnen im Ort. Anlässlich des Gedenkens sagte Lassings Bürgermeister Engelbert Schaunitzer (ÖVP): „Wir im Ort wissen ja, was passiert ist, wir fahren ja täglich vorbei an der Gedenkstätte.“ Hainzl, der einzige Überlebende, lebt heute zurückgezogen.