Lastkraftwagen neben einem Getreidefeld in der Ukraine
Reuters/Nina Liashonok
Gipfel mit NATO

Suche nach Wegen für ukrainisches Getreide

Auf Ersuchen Kiews kommt am Mittwoch der erst kürzlich ins Leben gerufene NATO-Ukraine-Rat zusammen. Thema des Treffens ist maßgeblich die Frage, wie die Ukraine weiterhin Getreide über das Schwarze Meer exportieren kann. Russland hatte das entsprechende Abkommen dafür letzte Woche nicht mehr verlängert und indirekt mit Angriffen auf Schiffe gedroht. Auch die Donau ist mittlerweile zum Ziel geworden.

Das Getreideabkommen mit der Ukraine, vermittelt von der UNO und der Türkei und im Juli des Vorjahres abgeschlossen, war Montag vor einer Woche ausgelaufen, Russland weigerte sich wegen der westlichen Sanktionen, es zu verlängern. Später erklärte Moskau Schiffe im Schwarzen Meer als potenziell feindliche Ziele.

Am Dienstag hieß es aus Großbritannien, die Geheimdienste verfügten über Informationen, wonach „das russische Militär möglicherweise seine Angriffe auf ukrainische Getreideanlagen ausweitet, einschließlich Angriffe auf zivile Schiffe im Schwarzen Meer“.

Russische Angriffe auf Häfen an der Donau

Am Montag hatte die russische Armee erneut Ziele in der Region der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer und auch Häfen an der Donau nicht weit von der rumänischen Grenze in der Ukraine angegriffen.

Schwer beschädigtes, brennendes Getreidelager in der Region Odess
Reuters/Ukrainian Armed Forces
Brennendes Getreidelager in der Region Odessa

Entsprechend schwierig ist die Ausgangslage für neue Verhandlungen über den Getreideexport. Das von Russland aufgekündigte Abkommen hatte es Kiew ermöglicht, trotz des Krieges seit Juli des Vorjahres knapp 33 Millionen Tonnen Getreide auf dem Seeweg zu exportieren. Das Land ist neben Russland einer der wichtigsten Getreideproduzenten der Welt, mehrere, vor allem wirtschaftlich schwächere Länder, etwa in Afrika und dem Nahen Osten, sind von Lieferungen aus der Ukraine abhängig.

„Nahrungsmittel als Waffe“

Ziel des NATO-Ukraine-Rats, der am Mittwoch auf Botschafterebene in New York stattfindet, sei es nun, über die jüngsten Entwicklungen zu beraten und den Transport von ukrainischem Getreide auf dem Seeweg zu erörtern, sagte Bündnissprecherin Oana Lungescu am Wochenende.

Am Mittwoch tagt in Brüssel der erst kürzlich ins Leben gerufene NATO-Ukraine-Rat. Hauptthema des Treffens der 31 Staaten ist maßgeblich die Frage, wie die Ukraine weiterhin Getreide über das Schwarze Meer exportieren kann.

Kurz vor der Ankündigung hatte NATO-Generalsekretär Stoltenberg mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Stoltenberg teilte danach mit: „Wir verurteilen Moskaus Versuch, Nahrungsmittel als Waffe einzusetzen, auf das Schärfste.“ Die Verbündeten stünden der Ukraine so lange wie nötig zur Seite. Der NATO-Ukraine-Rat war beim Gipfel der 31 Mitglieder des Militärbündnisses Mitte Juli in der litauischen Hauptstadt Vilnius aus der Taufe gehoben worden. Kiew drängt vehement auf eine Aufnahme in die NATO.

Kreml sah Bedingungen nicht erfüllt

Der Kreml hatte das Abkommen über die ukrainischen Ausfuhren von Getreide mit dem Argument aufgekündigt, der Westen halte Vereinbarungen mit Russland nicht ein, etwa solche, die die Exporte von Düngemitteln und Agrargütern als Ausnahme von den Sanktionen beträfen.

Baggerfahrer verlädt Getreide in der Region Saporischschja, Ukraine
Reuters
Die Ukraine konnte mit dem Abkommen über 30 Millionen Tonnen Getreide exportieren

Der ukrainische Präsident Selenskyj drängt – auch ohne Abkommen – auf die Weiterführung der Getreideexporte über das Schwarze Meer. „Jede Destabilisierung in dieser Region und die Störung unserer Exportrouten bringt Probleme mit entsprechenden Folgen für alle Menschen auf der Welt mit sich“, sagte er zuletzt. „Die Welt weiß, dass die Sicherheit der Schwarzmeer-Häfen der Schlüssel zu Frieden und Stabilität auf dem globalen Lebensmittelmarkt ist“, sagte er in seiner Videoansprache.

Appell aus Peking und EU-„Solidaritätsrouten“

Auch aus China kamen zuletzt Appelle für eine rasche Einigung auf Ausfuhren nicht nur von Getreide aus der Ukraine, sondern auch von Agrargütern und Dünger aus Russland. Peking hoffe, dass die Betroffenen mit den zuständigen UNO-Gremien zusammenarbeiteten, um eine ausgewogene Lösung für die berechtigten Anliegen aller Parteien zu finden, sagte Chinas stellvertretender Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, Geng Shuang, nach einem Bericht des chinesischen Staatsfernsehens am Wochenende in New York. Das sei notwendig, um die internationale Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Die Ukraine war trotz Krieges 2022 der weltweit größte Weizenlieferant des Welternährungsprogramms (WFP) der UNO.

Die EU kann nach eigenen Angaben fast alle landwirtschaftlichen Produkte aus der Ukraine transportieren, die wegen des russischen Ausstiegs aus dem Getreideabkommen nun nicht mehr über deren Schwarzmeer-Häfen exportiert werden können. Das könne über Schienen- und Straßenverkehrsverbindungen durch EU-Mitgliedstaaten geschehen, die an die Ukraine grenzen, sagte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski. Er bezeichnet die Wege als „Solidaritätsrouten“.

Nach Angaben der EU-Kommission wurden im April, Mai und Juni 2,1 Millionen Tonnen, 3,4 Millionen Tonnen beziehungsweise drei Millionen Tonnen Getreide über diese Wege exportiert. Der bisherige Höchststand lag im November 2022 bei 4,2 Millionen Tonnen.