Fotoabzug von Schaf „Shrek“ im Jahr 2004
APA/AFP/Dean Treml
Löwin, Schaf und Krokodil

Jedem Jahr sein Sommerlochtier

Spitzen aus Politik und Wirtschaft weilen im Urlaub, die Schlagzeilen füllen sich mit Naturkatastrophen und meist ebenso trostlosen Auslandsmeldungen. Als willkommener Lückenfüller fungiert inzwischen fast alljährlich das Sommerlochtier. Ein Rückblick über die Berühmtheiten darunter.

War es eine Löwin oder doch ein Wildschwein? Auch wenn noch nicht restlos geklärt ist, welches Wildtier diesen Juli Berlin in Aufregung versetzt hat, die Geschichte ging um die Welt. Ein Handyvideo eines Augenzeugen hatte in der deutschen Hauptstadt eine spektakuläre Suche samt Drohnen, Hubschraubern und Fährtenhunden nach sich gezogen, doch gefunden wurde nichts.

Bald ließen die Behörden wissen, es könnte auch ein Wildschwein sein, obwohl das Tier auf dem Video so gar nicht danach aussah. Die DNA-Analyse von gefundenen Haaren und Kot ergab, es könne zumindest keine Löwin sein. Das ominöse Wildtier dürfte sich von Pflanzen ernähren. Das endgültige Ergebnis von Laboranalysen durch das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung steht noch aus.

Polizei und Jäger auf der Suche nach der angeblich gesichteten Löwin.
picturedesk/dpa/Fabian Sommer
Die Suche nach der vermeintlichen Löwin in Berlin blieb ergebnislos

Die „Wildschweinlöwin“ steht in einer inzwischen etablierten Tradition, beinahe jedes Jahr im Sommer schafft es ein Tier über Tage oder Wochen in die Schlagzeilen, dann fiebert mitunter die ganze Welt mit dem jeweiligen Schicksal mit.

Florian, der Donau-Kaiman

Auch in Österreich gab es schon Sommerlochtiere, eines der bekannteren war Florian, der Donau-Kaiman: Anders als viele andere der geheimnisvollen Wesen wurde dieser auch tatsächlich gefunden. Der Kaiman dürfte 2001 in Klosterneuburg bei der Rollfähre ausgesetzt worden sein, ein Matrose dieser Fähre sichtete als erste Person das Tier im Wasser.

Feuerwehrtaucher retteten Florian schließlich, die Zollfahndung nahm Ermittlungen nach dem Besitzer auf. Nach einer Übergangsphase in Schönbrunn wurde der Kaiman nach Luxemburg in einen Zoo überstellt. Doch verendete er an einer Infektion.

Kaiman „Florian“
APA/Roland Schlager
Florian, der Kaiman aus der Donau, wurde durch die Feuerwehr eingefangen

Zu etwas mehr Bekanntheit kam das Krokodil von Kärnten 2012: Zwei Kinder hatten beim Baden am Ufer der Drau – im Fischwasser des damals designierten FPK-Parteiobmanns Kurt Scheuch – ein vermeintliches Krokodil gesichtet, das sie angegriffen haben soll. Als Beleg dienten ein verschwundener und ein kaputter Schuh. Die Kinder schlugen Alarm und versetzten die ganze Region um den Ort Sachsenburg in Aufruhr.

Nach einer DNA-Analyse der übrig gebliebenen Sandale konnte nach mehreren Wochen der Suche aber Entwarnung gegeben werden – einzig menschliche Spuren wurden festgestellt. Im darauffolgenden Faschingsumzug ging Scheuch übrigens als Krokodil „Sachsi“ verkleidet.

27 Kilogramm Wolle

Weit über das eigene Land hinaus erlangte Shrek, das Merinoschaf, 2004 Berühmtheit: Shrek, wohnhaft auf einer neuseeländischen Farm, gelang es sechs Jahre lang, sich vor der Schur zu drücken, indem er sich in Höhlen versteckte. Seine Ergreifung und die anschließende Schur wurden live im Fernsehen übertragen.

Als Shrek schließlich von seiner wollenen Last befreit wurde, war er um 27 Kilogramm leichter. Shrek wurde dadurch derart prominent, dass er sogar die damalige Premierministerin Helen Clark traf. 2011 musste das Schaf jedoch eingeschläfert werden, es steht nun ausgestopft im neuseeländischen Nationalmuseum von Te Papa.

Schaf „Shrek“
Reuters
Das Schaf Shrek endete nach seiner Medienkarriere im Museum

Zur Heldin des Sommers 2011 wurde Kuh Yvonne: Ihr Freiheitsdrang führte damals zur Flucht vor dem Schlachthof, sie verließ ihren Stall im bayrischen Mühldorf am Inn und machte sich offenbar auf, fortan allein zu leben. 98 Tage lang war sie auf Solopfaden unterwegs, während Medien und Publikum jede Sichtung und jeden Einfangversuch durch Helfer des Gnadenhofs Gut Aiderbichl verfolgten. Man versuchte es mit Futterfallen, anderen Rindern und sogar einem Hubschrauber mit Wärmebildkamera.

Kuh „Yvonne“
APA/dpa/Andreas Gebert
Kuh Yvonne hatte einen friedlichen Lebensabend

Zum Erfolg führte erst eine Ruhepause. Nachdem einige Tage nicht gesucht wurde, ließ sich Yvonne an einem lauen August-Abend grasend erwischen und betäuben. Sie wurde auf das Gut Aiderbichl zu ihrem Sohn Friesi gebracht. Den Rest ihres Lebens – mit Ausnahme von TV-Auftritten, etwa als WM-Orakel – verbrachte Yvonne friedlich auf einem Hof in Niederbayern, wo sie 2019 im Alter von 14 Jahren eingeschläfert wurde.

Auch Drews konnte Heidi nicht locken

Eine ebenfalls flüchtige Bayerin war Känguru Heidi. Sie büxte 2004, offenbar aus Langeweile, aus ihrem Gehege aus und verschwand in den Wäldern des idyllischen Örtchens Eggenfelden. Dort streifte das Tier rund zwei Wochen frei umher, alle Versuche durch Dorfbewohner und Polizei, Heidi zu fangen, scheiterten. Die Medien sprangen schnell auf, eine australische Brauerei setzte eine Fangprämie von 500 Euro aus.

Der deutsche Schlagerbarde Jürgen Drews lockte Heidi – im Kängurukostüm, „Ein Bett im Kornfeld“ singend kameragerecht für das Privatfernsehen –, doch Heidi wollte nicht. Ein Jäger entdeckte das Känguru schließlich im Wald und betäubte es. Heidi wurde zurück zu ihrem Halter gebracht, über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Nudisten auf Wildschweinjagd

Im Sommer 2020 erheiterte nicht ein spezielles Tier die Öffentlichkeit, sondern ein Foto: Am Grunewalder Teufelssee in Berlin trieben damals bereits die Wildschweine ihr Unwesen. Auf einem Campingplatz stahl eine Rotte mit Frischlingen einer Gruppe Nudisten ihr Gepäck samt Laptop. Weil die Szene per Handy festgehalten wurde, ging sie um die Welt.

Wildschwein am Teufelsee in Berlin.
APA/AFP/Adele Landauer
Ein Foto geht um die Welt: Das Wildschwein verschwand samt Beute im Wald

Besonders gewichtig in puncto Sommerlochtiere war das Vorjahr: 2022 ging das sonnenverliebte Walross Freya um die Welt. Freya wurde bekannt, weil sie rund um die Nordsee wiederholt auf kleine Boote kletterte, um sich zu sonnen. Die Boote aber sanken mitunter.

Freya war eine Reisende, sie war schon in den Jahren zuvor in verschiedenen Ländern gesehen worden. Ihren Namen erhielt sie durch einen Wettbewerb, den ein niederländischer Sender abgehalten hatte. Freya wurde in sozialen Netzwerken schnell zum Shootingstar. Doch erste Berichte von versuchten Angriffen auf Schaulustige in Norwegen machten die Runde, woraufhin der Abschuss des 600 Kilo schweren Tiers gefordert wurde. Wegen Gefahr für Leib und Leben wurde Freya auch tatsächlich von der norwegischen Fischereibehörde getötet.

Walross „Freya“
APA/AFP/NTB/Tor Erik Schrøder
Freya wurde voriges Jahr von den Behörden getötet

Seit vorigem Jahr versuchen indes in Wien einige Krähen das Glasdach des Parlamentsgebäudes zu zerstören. Die intelligenten Vögel holten sich erstmals 2022 kleine Steine vom Boden und ließen sie auf die Glaselemente des gerade sanierten Hauses fallen. Auch im heurigen Sommer wiederholten sie dieses Spiel, mehrere Glaselemente wurden beschädigt und mussten nun ausgetauscht werden. Ein herbeigerufener Ornithologe attestierte ein artentypisches Verhalten für verspielte Jungkrähen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Eine Anfrage von ORF.at ergab, dass die Parlamentsdirektion nun überlegt, ein Netz zu spannen. Mit Hagel habe man übrigens bis dato keine Probleme gehabt.

Otter auf einem Surfbrett in Kalifornien
AP/Hefti Brunhold
Das Otterweibchen stiehlt Surfbretter – die Behörden wollen es fangen

International kam heuer ein anderes Sommerlochtier zum Zug: der kalifornische Surf-Otter. Ein aggressives Weibchen machte zuletzt den Surferinnen und Surfern vor der Küste von Santa Cruz das Leben schwer. Auf diversen Videos war das etwa fünf Jahre alte Tier zu sehen, wie es Menschen attackiert und ihre Surfbretter stiehlt.

Die Szenen wiederholten sich über Wochen, die Attacken wurden dreister und gefährlicher. Die Behörden stuften den Otter schließlich als „Risiko für die öffentliche Sicherheit“ ein. Ein Team der kalifornischen Naturschutzbehörde und des Monterey Bay Aquarium wurden losgeschickt, um das Tier einzufangen. Ernsthaft verletzt wurde bisher niemand.