aufsteigender Rauch verdeckt die Sonne
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Angst, Ohnmacht – Hoffnung

Wenn die Klimakrise ins Bewusstsein drängt

Von Bränden in Urlaubsregionen bis zu außergewöhnlichen 36,1 Grad, die in einer Juni-Nacht im österreichischen Oberndorf an der Melk gemessen wurden: Die Folgen der Klimakrise bekommt Europa diesen Sommer in aller Deutlichkeit zu spüren. In der Bevölkerung kann das Angst, Panik oder auch Verdrängungsmechanismen auslösen, sagt die Klimapsychologin Katharina van Bronswijk. Was es mit jenen Gefühlen auf sich hat und was gegen unangenehme Emotionen helfen kann, erklärt sie gegenüber ORF.at.

„Plötzlich hat der Klimawandel ein Gesicht“, hält die deutsche Psychologin, Psychotherapeutin und Autorin („Klima im Kopf“) fest. War die Erderwärmung in der Vergangenheit für viele abstrakt und nur schwer vorstellbar, so ist sie nun auch im Globalen Norden zunehmend sicht- und spürbar. Bilder verheerender Brände auf Rhodos und Sizilien gingen zuletzt mit Warnungen vor Temperaturen weit über 40 Grad in Südeuropa einher. Im niederöstereichischen Oberndorf an der Melk wurden in der Nacht auf den 23. Juni sogar 36,1 Grad gemessen.

„Praktisch unmöglich“ seien die Hitzewellen in Europa, USA und China ohne den menschengemachten Klimawandel, unterstrich das Forschungsnetzwerk World Weather Attribution (WWA). Immer wieder wird geklagt, dass bisherige Klimaschutzmaßnahmen nicht genügen würden. Die Pariser Klimaziele seien nicht mehr erreichbar, sagte vergangene Woche der neue Chef des UNO-Klimarates (IPCC) Jim Skea.

Junge und die Klimaangst

Dass Warnungen vor der Klimakrise bei manchen auf das Gemüt schlagen und Emotionen wie Trauer, Hilfslosigkeit, Angst und Panik auslösen können, ist daher kaum verwunderlich. Auch einen Namen gibt es dafür: „Climate Anxiety“, also „Klimaangst“. Vor allem unter Kindern und Jugendlichen werde das beobachtet, sagt van Bronswijk – sie ist auch Sprecherin der deutschen „Psychologists for Future“.

Ein Mann trägt ein Kind bei der Evakuierung eines durch die Brände gefährdeten Gebietes.
AP/Damianidis Lefteris
Extremhitze und Brände in Europa: Auch in der Psyche hinterlässt das Spuren

45 Prozent der Jungen im Alter von 16 bis 25 Jahren fühlen sich von ihrer Klimaangst im täglichen Leben beeinträchtigt, ging aus einer internationalen Studie aus dem Jahr 2021 hervor. Befragt wurden insgesamt 10.000 junge Menschen in Australien, Brasilien, Finnland, Frankreich, Indien, Nigeria, den Philippinen, Portugal, Großbritannien und den USA.

Erwachsene würden derartige Sorgen in der Therapie weniger zur Sprache bringen, sagt van Bronswijk, diese würden oftmals aber mitschwingen. Gerade jene Personen, die ohnehin unter Weltschmerz und Ohnmachtsgefühlen leiden, könne die Klimakrise nach Worten der Expertin zusätzlich belasten.

Der Sinn von Gefühlen

Gänzlich negativ sind Emotionen wie Angst oder Panik aber nicht: „Der evolutionäre Sinn von Gefühlen ist ja erstens, uns ins Handeln zu bringen – also zu motivieren, Dinge zu tun, die wichtig für uns sind. Und zweitens, uns bei Dingen, die wir nicht ändern können, zu helfen, die Situation zu verdauen“, sagt sie. Natürlich helfe es auch, „über diese Gefühle zu sprechen“, so die Expertin. „Das ist ein bisschen wie bei Liebeskummer.“

Vor allem aber rät sie, sich die eigenen Einflussmöglichkeiten bewusst zu machen. „Wir alle sind Teil dieser Gesellschaft und in Demokratien auch der Souverän“, sagt sie. Von der Änderung des eigenen Konsumverhaltens über Gespräche mit Freunden, Kollegen und Bekannten bis hin zur Teilhabe an Bürgersprechstunden und der Beteiligung an der Klimabewegung sieht sie einige Optionen, um sich für den Klimaschutz zu engagieren und seine Gefühle zu verarbeiten. Es gehe darum, „kollektive Wirksamkeit“ zu erleben.

Die kollektive Verdrängung

Bei den meisten Menschen führt die Konfrontation mit den Folgen der Klimakrise allerdings nicht automatisch zum Handeln. Vielmehr wird die Problematik aus dem Bewusstsein verbannt. Konkret ist von Verdrängung die Rede, einem bewährten psychologischen Schutzmechanismus.

Gerade in Situationen, in denen man mit einem „globalen, komplexen Problem“ konfrontiert sei, „für sich aber keine Handlungsmöglichkeiten sieht“, dagegen vorzugehen, sei die Gefahr groß, dass „Menschen nicht ins Handeln kommen, weil sie sich dafür nicht zuständig oder in der Lage sehen“, sagt van Bronswijk.

Proteste und Trotzverhalten

Interessant ist in dem Zusammenhang auch die Rolle von medial heftig diskutierten Klimaprotesten: Werden Verdrängungsmechanismen nämlich von Protestaktionen „gestört“ und die Lücke zwischen Glaubensansätzen und eigenem Handeln spürbar, dann sei das zunächst einmal „unbequem“. Um jenen Widerspruch aufzulösen, könne man van Bronswijk zufolge entweder sein Verhalten „anpassen“ oder seine Einstellungen ändern. „Das nennt sich kognitive Dissonanzreduktion.“

Während manche also aufgrund der Auseinandersetzung mit Protestierenden, die sich auf die Straße kleben, ins Handeln kommen, löst ebenjener Protest bei anderen, die sich in ihren Freiheiten eingeschränkt fühlen, Trotzverhalten (Stichwort Reaktanz) aus.

Mit Verleugnung gegen Ohnmachtsgefühle

Mit Verleugnung des menschengemachten Klimawandels reagiere hingegen nur ein „sehr geringer Anteil der Bevölkerung“, so die Expertin. Aus der Forschung sei bekannt, dass Menschen durch die Leugnung des Klimawandels versuchen würden, „ihre Privilegien und ihren Status quo zu schützen“.

Ursachen dafür gebe es einige – unter anderem spiele dabei das Gefühl, „auf systemischer Ebene“ nichts bewirken zu können und anderen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert zu sein, eine Rolle. Indem alternativen Erzählungen Glauben geschenkt wird oder solche gar eigenhändig in die Welt gesetzt werden, könnten Betroffene ein Gefühl von Kontrolle wiederherstellen, erklärt die Expertin.

Wunsch nach nachhaltigerem Leben

Bewusst umwelt- und klimaschädlich möchten aber die wenigsten leben. 71 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich gar eine deutliche Ausweitung der Klimaschutzmaßnahmen vor dem Hintergrund wachsender sozialer Ungleichheit. Das zeigte eine repräsentative SORA-Studie, die im Frühling im Auftrag von Global 2000 und der Volkshilfe durchgeführt worden war.

Auch ein Blick auf diverse weitere Umfragen macht deutlich, dass viele Menschen einen Beitrag für den Klimaschutz leisten möchten – etwa indem nachhaltiger konsumiert, Müll getrennt, häufiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren und weniger mit dem Flugzeug verreist wird.

Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln

Gleichzeitig gibt es eine Diskrepanz, was das Wissen und Handeln der Menschen betrifft. „Geht es um Klimaschutz, klaffen Anspruch und Realität gerade in Österreich auf allen Ebenen massiv auseinander“, sagte der Psychologe und Autor („Die Kunst der Ausrede“) Thomas Brudermann im „profil“-Interview. Die Problematik scheint zu komplex und die Wirkung des eigenen Handelns nicht unmittelbar spürbar, erklärte er darin.

„Wir sind einfach keine rationalen Wesen. Bedrohliche Nachrichten führen häufig dazu, dass Menschen Ersatzhandlungen tätigen“, sagte Psychologin Isabella Uhl-Hädicke von der Universität Salzburg in einem „Standard“-Interview. Wenngleich Klimaschutz vor allem von Politik und Wirtschaft vorangetrieben werden sollte – davor, sich selbst aus der Verantwortung zu nehmen und den Kopf in den Sand zu stecken, raten Fachleute ab.

Appell zu mehr Hoffnung

Moderne Gesellschaften hätten „ein Stück weit verlernt“, wie Krise funktioniere und dass „bisherige Verhaltensmuster nicht mehr helfen“, kritisiert van Bronswijk abschließend. In Richtung Politik und Gesellschaft appelliert die Klimapsychologin für mehr Kooperation. In der Medienberichterstattung sollte wiederum mehr Fokus auf hoffnungsvolle Geschichten und Lösungsorientierung gelegt werden, hält sie fest. Zu oft gehe es um Verzichtsdebatten und nicht um Alternativen.

Zwischen Kritik und Hoffnung wechselte am Donnerstag auch der neue IPCC-Chef Skea. Kritik übte er an unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen – zugleich aber betonte er, dass sich der Kampf gegen den CO2-Ausstoß auszahle. „Es zahlt sich weiterhin aus, etwas zu unternehmen, außer man will, dass es noch schlimmer wird als derzeit.“ Ein Aufgeben im Kampf gegen die menschengemachte Klimaerwärmung ist aus seiner Sicht keine Option.