Blitz schlägt in Berg ein in Salzburg
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Unwetter

Die Ursachen der Gewitterfronten

In den vergangenen Wochen haben sich in Österreich und anderen Teilen Europas heftige Gewitter entladen – mit Hagel und Sturmböen. Hierzulande gehen die Schäden allein in der Land- und Forstwirtschaft in die Millionen. Sind die Gewitter heuer besonders stark, und wie werden sie sich im Zuge der Klimaerwärmung in Zukunft verhalten?

Abgedeckte Dächer, umgeknickte Bäume und verwüstete Äcker und Felder in mehreren Bundesländern: Im Kärntner St. Marxen wurde letzte Woche sogar das Dach eines Kirchturms abgerissen. In Tirol entstanden im Juli durch Sturmschäden – gemäß Schätzungen des Landes – rund 600.000 Festmeter Schadholz. Bäume wurden etwa auf dem Brenner wie Streichhölzer geknickt. Die Hagelversicherung meldete binnen weniger Tage Schäden von über zehn Millionen Euro in der Landwirtschaft.

An mehreren Wetterstationen wurden zuletzt die stärksten Windgeschwindigkeiten seit Aufzeichnungsbeginn registriert, neben Tirol etwa auch in Salzburg, Oberösterreich und Kärnten. Die Winddaten aus Bad Eisenkappel im Süden Kärntens bringen selbst Fachleute ins Staunen. 120 km/h erreichte der Wind hier im Zuge einer Gewitterlinie, bis heuer lag der Juli-Rekord bei 64 km/h.

Nicht mehr, aber stärkere Gewitter

Laut Daten des Austria Lightning Detection & Information Systems (ALDIS) liegt das Jahr 2023 in Österreich mit knapp 50.000 Blitzeinschlägen bisher im Schnitt der vergangenen Jahre. Kärnten und die Steiermark sind dabei die Bundesländer mit der höchsten Blitzdichte. Das verwundert nicht, befindet sich doch im Süden Österreichs sowie in Slowenien und Oberitalien die Zone in Europa mit den meisten Gewittern über das Jahr gesehen.

Für starke Gewitter sind mehrere Zutaten nötig: schwül-heiße Luft auf dem Boden und große Kälte in höheren Wolkenschichten (Labilität), viel Wind hoch oben in den Wolken und noch einen Auslöser, der die Luft zum Aufsteigen bringt. Gerade im südlichen Alpen-Raum sind diese Voraussetzungen besonders häufig erfüllt.

Hier prallen oft unterschiedliche Luftmassen aufeinander, die Berge erzeugen Sogwirkungen und bieten den Gewittern optimale Entfaltungsmöglichkeiten. Das nahe Mittelmeer spielt zudem eine Rolle und liefert die nötige Feuchtigkeit für die Unwetter.

Rekordhagel in Italien

Im italienischen Veneto und im Friaul wurde in diesem Juli schon zweimal europäische Geschichte geschrieben. Am 19. Juli wurde der bis dahin größte Hagelstein in Europa dokumentiert, der Eisklumpen hatte einen Durchmesser von 16 Zentimetern. Dieser Rekord wurde aber an diesem Montag schon wieder in den Schatten gestellt. Bei einem Unwetter in der Nähe der Stadt Pordenone donnerte ein Hagelstein mit einer Größe von 19 Zentimetern vom Himmel, so das Europäische Unwetterinstitut (ESSL) mit Sitz in Wiener Neustadt.

Solche Eisbrocken fallen mit Geschwindigkeiten von über 150 km/h vom Himmel, sie haben ein enormes Schadenspotenzial und stellen eine Gefahr für Leib und Leben dar. Die Schadenspalette der zweiwöchigen Unwetterserie in Italien reichte von komplett demolierten Autos über kaputte Dächer und durchschlagene Photovoltaikpaneele bis hin zu beschädigten Fassaden von Gebäuden. Es gab Hunderte Verletzte und sogar Tote. Bauernvertreter sprachen von enormen Schäden in der Landwirtschaft von bis zu 80 Prozent in einigen Weingütern und im Getreideanbau.

Klimawandel als Energielieferant

Heftige Gewitter und Unwetter sind an und für sich nichts Neues. Es hat sie auch schon früher gegeben, und sie gehören zum Sommer praktisch wie der Schnee zum Winter. Aber die Wetterlagen mit Unwetterpotenzial werden mehr, hat schon 2020 eine Untersuchung der GeoSphere Austria (ehemals ZAMG) ergeben. Seit den 2000er Jahren ist ein deutlicher Anstieg um 30 bis 50 Prozent erkennbar, vor allem im Süden und Osten Europas. In Österreich liegt die Zunahme des Gewitterpotenzials seit den 2000er Jahren bei etwa 20 Prozent.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Die Ergebnisse lassen sich mit der Klimaerwärmung in einen physikalischen Zusammenhang bringen: Pro Grad Erwärmung kann Luft um etwa sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen, kurzzeitig in Gewittern auch bis zu 14 Prozent. Dieses Plus an Wasserdampf führt zu größeren Energiemengen, die den Auftrieb in Gewitterwolken verstärken und damit auch indirekt entsprechend heftigere Wettererscheinungen ermöglichen.

Zunehmend großer Hagel

Diese Theorie wird mittlerweile auch schon durch gemessene Zahlen bestätigt. Laut einer Auswertung von Francesco Battaglioli vom ESSL haben die Tage mit sehr großem Hagel über fünf Zentimeter in Europa in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, der Hotspot ist die Po-Ebene in Norditalien. Hier hat sich die Wahrscheinlichkeit für sehr großen Hagel in den vergangenen zehn Jahren gegenüber den 1950er Jahren bereits verdreifacht.

Hagelschlag am Dienstagfrüh in Feldkirchen
Günther Walcher
In den vergangenen Tagen richteten auch große Hagelkörner enormen Schaden an

Neben der Erwärmung und der dadurch zunehmenden Schwüle kam in den letzten Jahren häufig auch kräftige Windscherung dazu, also die Zunahme des Windes mit der Höhe. Je stärker der Wind in den oberen Bereichen der Gewitter ist, umso länger können Hagelkörner in der Luft verbleiben und wachsen, bevor sie fallen.

Außergewöhnliche Wetterlage

Die extreme Hitze im Mittelmeer-Raum und das damit verbundene Hochdruckgebiet im Süden Europas hatten bei der jüngsten Gewitterserie im Alpen-Raum die entscheidende Rolle. Weil zur selben Zeit im Norden Europas eher kühles Wetter und Tiefdruckeinfluss herrschten, waren die Luftdruckgegensätze quer über den Kontinent besonders groß und somit der Jetstream, also der Wind in der Höhe, ungewöhnlich stark.

Die Hitzewelle im Süden Europas, die ohne den menschengemachten Klimawandel in dieser Form nicht möglich wäre, ließ auch das Mittelmeer so warm werden wie noch nie. Das Mittelmeer erreichte am Montag an der Oberfläche eine durchschnittliche Temperatur von 28,7 Grad, teilte das in Barcelona ansässige Institut für Meereswissenschaften (ICM) mit. Das Mittelmeer lieferte über die Verdunstung riesige Mengen an Feuchtigkeit, also den Treibstoff für die Unwetter.

Die Zukunft ist unklar

Das Unwetterpotenzial nimmt wahrscheinlich auch in der Zukunft zu. Zwei von drei Zutaten, nämlich Feuchtigkeit und Labilität, werden durch das weitere Ansteigen der Temperaturen noch anwachsen, sagt Marc Olefs, Leiter des Departments Klima-Folgen-Forschung an der GeoSphere Austria. Unsicher sei aber, wie es mit dem Auslösemechanismus der Gewitter aussieht.

Das hänge ganz von den Wetterlagen der Zukunft im Sommer ab, und die sind maßgeblich vom Jetstream abhängig, der für die Schwere der Gewitter eine wichtige Rolle spielt, so der Forscher. Wie sich der Jetstream entwickelt, können auch die Klimamodelle noch nicht wirklich auflösen.

Fix scheint aber, dass es in Mitteleuropa zu einer Ausdehnung der Blitzsaison mehr in den Frühling und in den Herbst kommt. Gewitter starten im Frühjahr früher, weil der Schnee früher schmilzt und weil es früher wärmer wird. Diesen Trend kann man bereits jetzt erkennen. In den hoch gelegenen Bereichen der Ostalpen beginnt die Blitzsaison im Vergleich zu den 1980er Jahren schon um einen Monat früher, so eine Studie der Universität Innsbruck vom Juni dieses Jahres.