der brennende Frachter „Fremantle Highway“
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Sorge um Wattenmeer

Autofrachter könnte noch Tage brennen

Seit über einem Tag steht ein Frachtschiff vor der niederländischen Nordsee-Küste in Flammen. Auf dem Frachter mit mehr als 3.500 Autos an Bord war in der Nacht auf Mittwoch ein Feuer ausgebrochen. Löschversuche der Besatzung scheiterten. Auch die niederländische Küstenwache konnte den Brand bisher nicht unter Kontrolle bringen. Eines der obersten Ziele ist, ein Kentern des Schiffs – und damit eine mögliche Umweltkatastrophe – zu verhindern. Am Donnerstagabend entschied die niederländische Küstenwache, das Frachtschiff zu drehen.

Was kann passieren, wenn ein voll betanktes und mit Hunderten Autos beladenes Frachtschiff sinkt, und das nahe einer Küstenregion, die Heimat für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ist? Mit dieser Möglichkeit müssen sich zurzeit Einsatzkräfte und Behörden in den Niederlanden und Deutschland beschäftigen. In der Nacht auf Mittwoch hatte das Frachtschiff „Fremantle Highway“ vor der niederländischen Küste Feuer gefangen. Alle Versuche, den Brand unter Kontrolle zu bringen, scheiterten bisher. Laut der niederländischen Küstenwache könnte das Feuer auf dem rund 200 Meter langen Frachter noch Tage, wenn nicht sogar Wochen wüten.

Das Löschen des Brandes von außen gestaltet sich derzeit schwierig, wenn nicht gar unmöglich. „Das ist ja eine große Hülle, in der es innen brennt. Ich kann nur von außen Wasser draufgeben, ich komme also nicht rein, ich habe keine Öffnung, wo ich irgendwo sinnvoll Löschmittel einsetzen kann“, sagte etwa Lars Tober von der Gesellschaft für Sicherheitstechnik und Schiffssicherheit Ostsee im ZDF-„Morgenmagazin“. Die Herausforderung und „eigentlich die Hauptaufgabe jetzt“ sei, „dass ich das Schiff stabil halte, dass es keine Schlagseite kriegt, dass es nicht kentert und dass es keine Risse in der Außenhaut kriegt“, so der Experte.

Kampf gegen Brand auf Frachter

Vor der niederländischen Wattenmeerinsel Ameland wird der Kampf gegen das Feuer auf einem Frachtschiff mit mehr als 3.700 Autos fortgesetzt. Eine Person kam ums Leben, 22 wurden verletzt. Die Behörden überlegen nun, wie man das etwa 200 Meter lange Schiff bergen kann. Bei einem Sinken des Frachters wird eine Umweltkatastrophe befürchtet.

Derzeit keine Flammen sichtbar

Wie die niederländische Küstenwache am Donnerstagabend dazu mitteilte, soll der brennende Autofrachter nun mit Hilfe eines Schleppers gedreht werden. Da die Strömung sich ändere, könne das Schiff wieder kontrolliert Richtung Osten treiben, teilte die Küstenwache dazu weiter mit. Durch den Schlepper bleibe die „Fremantle Highway“ außerhalb der Fahrrouten und in sicherem Abstand zum regulären Schiffsverkehr.

Wenig später teilte die Küstenwache zudem mit, dass auf dem Fracher nun keine Flammen mehr zu sehen seien. Für eine Entwarnung sei es aber zu früh. Das Feuer könne auch wieder aufflammen. Zudem sei es auch weiterhin nicht unmöglich, dass Bergungsspezialisten die „Fremantle Highway“ betreten.

Kühlung mit Wasser gestoppt

Nach Ausbruch des Brandes konzentrierten sich die Einsatzkräfte auch vor allem darauf, das Frachtschiff zu kühlen, und besprühten die Seiten – aber nicht das Deck – der „Fremantle Highway“ mit Meerwasser. Im Laufe des Donnerstags stellten die Löschboote aber auch diese Kühlversuche ein. Die Gefahr sei zu groß, dass zu viel Meerwasser ins Schiff gelange, teilte die Küstenwache mit.

Rauch kommt aus dem brennendes Frachtschiff
AP/Coast Guard Netherlands/Kustwachtvliegtuig
Aus dem Bauch des Frachtschiffs steigt weiterhin dichter Rauch auf

Laut einem Sprecher der niederländischen Küstenwache müssen die Bergungsexperten nun abwarten, bis die Temperaturen auf dem Schiff sinken. Der Frachter liege aber stabil, sagte der Sprecher. Bereits am Mittwoch konnte die Küstenwache das Frachtschiff mit einem Kabel an einem Schlepper befestigen. So soll zumindest verhindert werden, dass das 18.500 Tonnen schwere Schiff abdriftet. Die Küstenwache teilte überdies mit, dass der Frachter nicht länger im Norden der Insel Ameland liege, sondern rund 16 Kilometer nördlich der westlichen Nachbarinsel Terschelling.

Minister sieht derzeit keine Gefahr für Ölpest

Bisher ist nach Angaben der Behörden kein Öl aus dem brennenden Frachter geströmt. Ein Schiff der Wasserbehörde für die Bergung von Öl liegt bei dem Frachter und könnte sofort eingreifen, falls das nötig ist. Auf den Inseln und in den Küstenorten geht dennoch die Sorge davor um, was passiert, sollte das Frachtschiff sinken oder auseinanderbrechen. Auch Umweltschutzorganisationen befürchten in so einem Fall eine Umweltkatastrophe.

Brennendes Frachtschiff in der Nordsee

Vor der niederländischen Küste ist auf einem Frachtschiff, auf dem sich 4000 Autos befinden, ein Feuer ausgebrochen. Auch nach 24 Stunden ist das Feuer noch immer nicht unter Kontrolle.

Der niederländische Minister für Infrastruktur und Wasserverwaltung, Mark Harbers, war am Donnerstag freilich um Beruhigung bemüht. Die Gefahr einer Ölpest für das Wattenmeer sei derzeit gering, sagte Harbers vor dem Parlament in Den Haag. „Die heutigen und für die kommenden Tage vorhersehbaren Wind- und Wellenrichtungen sind so, dass eine mögliche Verschmutzung sich Richtung Norden verbreiten würde und also nicht zu den Wattenmeerinseln“, so der Minister. Auch das deutsche Havariekommando teilte am Donnerstag diese Ansicht.

Deutschland: „Alles zur Verfügung stellen, was helfen kann“

Deutlich besorgter hatte sich zuvor die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke geäußert. Ein ganz normaler Autotransport auf dem Seeweg entwickle sich möglicherweise zu einer Umweltkatastrophe ungekannten Ausmaßes. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das verunglückte Schiff sinke. „Sollte das passieren, können große Mengen Treibstoff und weitere umweltschädliche Schadstoffe aus der Ladung des Frachters das empfindliche Ökosystem der Nordsee großflächig verschmutzen“, warnte die Grünen-Politikerin.

Der einzigartige Nationalpark Wattenmeer sei dann „ernsthaft in Gefahr“. Das müsse mit allen Kräften verhindert werden. „Deutschland wird alles zur Verfügung stellen, was helfen kann“, sagte die deutsche Ministerin. Dem Bundesumweltministerium zufolge befinden sich an Bord 1.600 Tonnen Schweröl sowie weitere 200 Tonnen Marinediesel. Hinzu kämen mögliche Tankinhalte der transportierten Fahrzeuge sowie Verbrennungsrückstände.

E-Auto-Batterie als möglicher Auslöser

Noch ist nicht restlos geklärt, was das Feuer auslöst hatte. Bereits kurz nach Ausbrechen des Brands hieß es von der niederländischen Küstenwache, dass der Akku eines Elektroautos Feuer gefangen hätte. Laut der japanischen Reederei Kawasaki Kisen K.K. hat die „Fremantle Highway“ 3.875 Autos geladen; neben Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auch rund 25 Elektroautos. Das Schiff hätte von Bremerhaven nach Port Said in Ägypten und danach weiter nach Singapur fahren sollen, so die Reederei.

Am Donnerstag veröffentlichte der niederländische TV-Sender RTL Teile des Funkverkehrs der Rettungskräfte aus der Nacht auf Mittwoch. „Das Feuer hat in der Batterie eines elektrischen Autos begonnen“, heißt es darin von den Rettungskräften, nachdem sie Kontakt mit dem Kapitän des Frachters hatten. Im Funkverkehr ist weiter davon die Rede, dass „auch ein elektrisches Auto explodiert“ sei. Die Explosion soll das Schiff aber nicht beschädigt haben.

Dramatische Stunden an Bord

Der Funkverkehr gibt auch einen Eindruck in die ersten Stunden nach Ausbruch des Feuers. Die Temperatur an Bord des Schiffes sei sehr schnell gestiegen, die Besatzung hätte aber keine Möglichkeit gehabt, zu den Rettungsbooten zu gelangen, geht aus den Funksprüchen hervor. Die Küstenwache vereinbarte dann mit den Besatzungsmitgliedern, dass diese ins Wasser springen sollten.

Sieben Mitglieder der 23-köpfigen Besatzung wagten den Sprung rund 30 Meter in die Tiefe. Einer von ihnen kam dabei ums Leben, mehrere weitere wurden von den Rettungskräften verletzt aus dem Wasser geholt. „Es ist zu hoch, um zu springen. Es gibt zu viele Verletzte“, heißt es im Funkverkehr. Die übrigen 16 Besatzungsmitglieder blieben deshalb vorerst auf dem Schiff und wurden später mit zwei Hubschraubern von Bord geholt.

Gleicher Besitzer wie „Ever Given“

Die „Fremantle Highway“ ist im Eigentum der japanischen Shoei Kisen K. K. Die Reederei Kawasaki Kisen K.K. hatte das Schiff von dem Unternehmen gechartert. Shoei Kisen K. K. ist auch Eigner des Containerschiffes „Ever Given“, das im März 2021 im Sueskanal auf Grund gelaufen war und weltweit Schlagzeilen gemacht hatte. Tagelang hatte der 400 Meter lange Frachter die wichtige Wasserstraße zwischen Asien und Europa blockiert. Er fuhr ebenfalls unter der Flagge Panamas und war vor der Havarie von einem in Taiwan ansässigen Unternehmen gechartert worden.

Erinnerungen an Frachterbrand in Atlantik

Der Brand der „Fremantle Highway“ weckt auch Erinnerungen an die „Felicity Ace“. Der Frachter war – ebenfalls mit Hunderten Autos beladenen – auf dem Weg von Deutschland in die USA, als ein Feuer ausbrach. Die Mannschaft konnte das Schiff verlassen, das daraufhin aufgegeben wurde. Ein Bergungsteam konnte den Frachter zwar so lange kühlen, bis das Feuer ausgebrannt war, das Schiff sank schließlich aber rund 400 Kilometer vor den portugiesischen Azoren. Auch bei der „Felicity Ace“ war spekuliert worden, dass defekte E-Auto-Akkus für den Brand verantwortlich waren.

Zwar ist die Brandgefahr von Elektroautos laut Fachleuten nicht höher als bei herkömmlichen Fahrzeugen. Doch fängt einmal ein Akku eines E-Autos Feuer, könne das die Löschsysteme von Frachstchiffen überfordern, heißt es von Experten.

„Die Schiffe sind in den vergangenen Jahrzehnten immer größer geworden, mit entsprechenden Veränderungen bei den Brandlasten. Die Löschsysteme haben mit dieser Entwicklung aber nicht Schritt gehalten und sind häufig veraltet“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, etwa am Donnerstag der dpa. „Das muss sich grundlegend ändern. Vor allem Brände von Lithium-Ionen-Akkus auf Schiffen bleiben sonst weitgehend unbeherrschbar“, so Asmusen.