Ein Arbeiter kontrolliert einen Parmesan
Reuters/Stefano Rellandini
Stall mit Sprinkler

Parmesankühe im Hitzestress

Italien hat mit extremer Hitze und Trockenheit zu kämpfen. Das bringt auch eine Delikatesse in die Bredouille: den Parmigiano Reggiano. Genug Parmesankäse kann nur noch produziert werden, wenn Milchbauern ihren Kühen ein kühles Ambiente bieten. Ventilatoren und Sprinkleranlagen sind in den Ställen im Dauerbetrieb. Ob es den Tieren damit aber besser geht, ist auch aus anderen Gründen fraglich.

Kühe mögen keine Hitze. „Für sie liegt das ideale Klima zwischen 22 und 24 Grad“, so der Landwirtschaftsverband Coldiretti. Temperaturen darüber stellten eine hohe Belastungsprobe für die Tiere dar: „Sie fressen weniger, trinken mehr und geben geringere Mengen Milch ab.“ Laut dem Verband produzieren hitzegestresste Kühe um bis zu zehn Prozent weniger Milch.

Daher ergriffen viele Milchbauern Gegenmaßnahmen und installierten Ventilatoren, um für etwas Luftzug in ihren Stallungen zu sorgen. Moderne Betriebe verfügen über Sprinkleranlagen, die Wasser als feinen Nebel in der Luft verteilen. Dadurch entsteht Verdunstungskälte, die den Tieren in den Hitzeperioden Linderung bietet.

Kühe in einem Stall mit Ventilatoren
Getty Images/Massimo Colombo
Kaum Abkühlung in den Ställen

Sommermilch dünner als Wintermilch

Vor einem Jahrzehnt seien diese nur in den heißesten Stunden der beiden wärmsten Monate gelaufen, sagte der Präsident der Agrarvereinigung Confagricoltura und selbst Milchlieferant für den Parmigiano Reggiano, Roberto Gelfi der „Financial Times“. „Mittlerweile sind die Kühlsysteme in der Regel fünf Monate im Jahr bis zu 16 Stunden am Tag in Betrieb“, so Gelfi.

Die Situation sei dramatisch: Zum Rückgang der Milchproduktion käme ein höherer Energieverbrauch hinzu – „und das zu erheblichen Kosten“, so Gelfi. Neben der zusätzlichen Kühlung brauchen Kühe auch mehr Wasser. Von 80 bis 90 Litern am Tag im Winter steige ihr Bedarf in der Sommerhitze auf 140 Liter. Um eine ausreichende Wasserversorgung zu gewährleisten, braucht es entsprechenden Zufluss und größere Tröge.

Parmesan in einem Lager
Reuters/Alessandro Bianchi
520 Liter Milch für einen Laib

Sommermilch sei dünner als Wintermilch, was bedeute, dass für die Herstellung jedes 40-Kilo-Käselaibs im Sommer mehr Milch benötigt werde, um den strengen Normen zu entsprechen und die gleiche Menge Käse herzustellen, zitierte die „Financial Times“ den Parmesanhersteller Luca Rovesti. Für ein Kilo Käse werden etwa 13,5 Liter Milch benötigt – in einem Laib Parmigiano Reggiano stecken also etwa 520 Liter Milch.

Weniger Futter, weniger Milch

Auch fressen Kühe während der Sommerhitze weniger, was wiederum die Milchmenge verringert. Damit sie besser fressen können, würden die Tiere in kleineren Portionen öfters gefüttert werden, so ein anderer Milch- und Käsehersteller. Bei hohen Temperaturen würden sie außerdem weniger liegen. Deshalb erhöhe sich nicht nur der Aufwand bei der Fütterung, sondern es brauche auch genügend Platz zum Stehen. Außerdem werden die Hörner der Tiere entfernt.

Auch nach dem Abklingen der Hitzespitzen seien die Milchmengen beeinträchtigt, da sich die Kühe erst erholen müssen. „Im Sommer verbrauchen die Kühe unglaublich viel Energie, um diese schwierige Situation zu bewältigen“, sagte Rovesti. Die Milchmengen seien aktuell so stark zurückgegangen, dass die Produktion von sieben auf sechs Käselaibe pro Tag sank.

Mangelware Heu und Gras

Die Sorge der Milchbauern, die Kühe zu mehr Futter zu ermutigen, hat auch eine Kehrseite. Viele sind nach der schweren Dürre im letzten Jahr und den großen Überschwemmungen in diesem Frühjahr in der Region Emilia-Romagna auch um die Sicherheit ihrer Futtermittelversorgung besorgt. Für zertifizierten Parmigiano Reggiano dürfen die Käsehersteller nur Milch von Kühen verwenden, die ausschließlich mit Heu und Gras gefüttert werden.

Kühe in einem Stall mit Ventilatoren
APA/AFP/Miguel Medina
Wenig Platz für viele Tiere

Die Hälfte des Futters muss vom Betrieb stammen, auf dem die Parmesankühe leben, weitere 25 Prozent dürfen von anderen Betrieben innerhalb des ausgewiesenen Produktionsgebiets stammen, und nur 25 Prozent dürfen von außerhalb dazugekauft werden. Parmigiano Reggiano mit Gütesiegel darf nur in den italienischen Provinzen Parma, Reggio Emilia, Modena, Bologna und Mantua hergestellt werden.

Das extreme Wetter hat die lokale Futterproduktion jedoch um 20 Prozent zurückgehen lassen und zugleich die Preise in die Höhe getrieben. Die Landwirtschaftsbetriebe müssen in neue Brunnen und andere Bewässerungssysteme investieren, um den steigenden Wasserbedarf auf ihren Feldern und das knappere Angebot zu bewältigen. Zugleich gestaltet sich der Kauf von Futter schwierig, da andere Landwirte mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben.

Massentierhaltung statt Tierwohl

Das Grünfutter dürfen sich die rund 500.000 Parmesankühe in den meisten Fällen nicht selbst suchen – artgerechte Haltung gibt es in der Region kaum. „Der Prozentsatz der Kühe, die im Sommer frei auf den eiden grasen, ist sehr niedrig“, gab das Konsortium, das die Parmigiano-Reggiano-Produktion reguliert, gegenüber der italienischen Tierschutzorganisation Compassion World Farming (CIWF) zu. „In Italien ist die Landwirtschaft fast ausschließlich intensiv.“ Auch kaum ein Biobetrieb schickt seine Kühe auf die Weide. CIWF kritisiert, dass in den Produktionsstandards lediglich die Ernährung der Tiere erwähnt werde, nichts aber zum Tierschutz stehe.