Arbeiter in einem Volkswagenwerk in Deutschland
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Deutsche Konjunkturflaute

Europas Wirtschaftsmotor stottert

Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging zwar nicht zurück, stagnierte aber von April bis Juni – nach zuvor schon zwei negativen Quartalen. Ein Grund dafür sind die Zinsen, die die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag erneut erhöht hat, um die Teuerung in den Griff zu bekommen. Das führt allerdings auch zu einer ungünstigen Kettenreaktion.

Berlin hatte auf einen Aufschwung gehofft, nachdem Deutschlands Wirtschaft im vergangenen Jahr noch gewachsen war, und das trotz Energiekrise und hoher Inflation. Doch schon die letzten beiden Quartale schrumpfte sie, ein Zustand, den Fachleute als technische Rezession bezeichnen. Nun stagniert der deutsche Wirtschaftsmotor, wie das Statistische Bundesamt am Freitag bekanntgab. Der Ausblick auf das zweite Halbjahr ist auch nicht rosig.

Schon der Internationale Währungsfonds (IWF) stellte kürzlich klar, dass Deutschlands Wirtschaftsleistung als einzige von mehr als 20 untersuchten Staaten und Regionen heuer leicht sinken wird. Die Gründe dafür sind vielfältig und zum Teil hausgemacht – ähnlich wie in Österreich. Erst am Donnerstag hatte die EZB den Leitzins um 0,25 Basispunkte erhöhte, es war die neunte Erhöhung in Folge.

Damit will die Zentralbank die Inflation im Euro-Raum wieder auf zwei Prozent drücken, doch damit verteuern sich Kredite für Firmen und Verbraucher. Das schlägt sich wiederum auf viele weitere Sektoren nieder, allen voran auf den Immobilienmarkt.

Deutsche Industrie stellt sich auf Abschwung ein

Die deutsche Konjunktur trübt sich ein, und vor allem die Industrie stellt sich auf einen Abschwung ein.

Zurückhaltung bei Konsumenten und Aufträgen

Viele Ökonominnen und Ökonomen sind sich immerhin einig, dass der Gipfel der Inflation vielerorts überschritten ist. Während sie in Österreich zuletzt bei acht Prozent lag, kommt sie in Deutschland auf 6,2 Prozent. Die deutschen Konsumentinnen und Konsumenten dürften insgesamt aufatmen, zuletzt gab es Lohnerhöhungen in vielen Branche, oftmals steuerfreie Inflationszuschläge und Pensionserhöhungen. Dennoch stehen sie auf der Bremse und halten ihre Ausgaben zurück.

Hinzu kommt die schwächelnde Industrie, hüben wie drüben: Sie leidet seit Längerem unter einer schwachen Entwicklung der Weltkonjunktur. Kunden halten sich mit Bestellungen eher zurück, stark exportorientierte Länder wie Deutschland und Österreich merken zusätzlich die mangelnde Nachfrage aus Übersee. Auch der jahrelange Bauboom, der die deutsche Konjunktur stützte, fand vorläufig sein Ende.

Auch Österreichs Industrie schwächelt

Auch in Österreich entwickelten sich Industrie und Bau im Juni rückläufig, wie die Statistik Austria am Freitag berichtete. Während Beschäftigung im Sektor und Arbeitsstunden stiegen, sank der Industrieumsatz gegenüber dem Vorjahresmonat um 2,9 Prozent. „Die österreichische Industriekonjunktur hat sich im Juni 2023 weiter eingetrübt. Die Umsätze des produzierenden Bereichs sind im Vergleich zum Vorjahresmonat bereits zum vierten Mal in Folge zurückgegangen“, so Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.

Generell schrumpfte Österreichs Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,4 Prozent, wie eine Schnellschätzung des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) am Freitag ergab. Die hohe Inflation dämpfte die Entwicklung der privaten Konsumausgaben. Nach zwei starken Jahren werde 2023 „ein Jahr zum Vergessen“, so WIFO-Chef Gabriel Felbermayr auf Twitter. „Der Ausblick auf 2024 ist vor allem eines: unsicher.“

Großteils Pessimismus

Beide Länder laborieren auch an alten strukturellen Problemen. Die Abhängigkeit von russischer Energie macht sich in der Industrie bemerkbar, auch Bürokratie und Fachkräftemangel tragen einen Teil zu den Problemen bei.

Die Wirtschaftsstimmung trübte sich zuletzt in der gesamten Euro Zone ein. Der Economic Sentiment Indicator (ESI) ist auf dem niedrigsten Stand seit Oktober 2022 und erfuhr im Juli die dritte Abschwächung in Folge (minus 0,8 Punkte), wie die Europäische Kommission am Freitag mitteilte. Der ESI, der auf Basis von Firmen- und Konsumentenumfragen erstellt wird, zeigte eine Verschlechterung in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, während in Spanien die Lage nun besser bewertet wird.