Wetterstation am Pitztaler Gletscher
ORF.at/Christian Öser
Weltweiter Standard

Wie Temperaturen gemessen werden

Der Juli 2023 dürfte als heißester Monat in die Geschichte eingehen. Aber nicht nur die neuen Höchstwerte, auch die Messmethoden und verschiedene Begrifflichkeiten dahinter sorgten in den letzten Wochen für Diskussionen in sozialen Netzwerken. Besonders der Unterschied zwischen Luft- und Oberflächentemperatur wurde dabei ins Spiel gebracht. Die Angabe von Höchstwerten bezieht sich meistens auf die Lufttemperatur – weshalb eine Warnung der European Space Agency (ESA) für Verwirrung sorgte.

Grund für die Aufregung in sozialen Netzwerken war unter anderem das ESA-Posting auf Twitter am 13. Juli 2023. Eine große Hitzewelle werde vorhergesagt, Temperaturen könnten auf bis zu 48 Grad Celsius ansteigen, hieß es darin. Darunter verlinkte die Organisation eine Karte der Landoberflächentemperaturen mit Daten von dem Erdbeobachtungsprogramm Copernicus.

Von „Horrorprognosen“ und Manipulationsversuchen war daraufhin die Rede. Der Grund: Die Karte der ESA bezog sich auf Boden- bzw. Landoberflächentemperaturen, die Prognose auf die Lufttemperatur. Wer im Sommer schon einmal barfuß über Beton oder Sand gegangen ist, weiß: Der Boden heizt sich bei Sonnenschein auf. Die Oberflächentemperatur ist „strahlungsgetrieben“ und darum tagsüber höher als die Lufttemperatur, erklärt die ORF-Wetterredaktion, in der Nacht liegt sie jedoch darunter.

„Verschiedene Verschwörungsmythologen und Klimawandelleugner nehmen Ihre Daten nicht ernst und behaupten, es gäbe keinen Grund zur Sorge, weil es sich um Oberflächenmessungen handelt. Können Sie dazu eine offizielle Erklärung abgeben?“, schrieb daher eine Userin auf Twitter unter das ESA-Posting. „Landoberflächentemperaturen sind nur für eine Sache gut: für die Sensation. Bitte geben Sie in Zukunft die Lufttemperaturen an, wie sie von den meteorologischen Instituten üblicherweise angegeben werden“, schrieb ein anderer.

Lufttemperatur weltweit normierte Messmethode

Tatsächlich ist die Angabe der Lufttemperatur weltweit die Norm – sei es bei den Höchstwerten in Südeuropa, die in den letzten Tagen und Wochen für Schlagzeilen sorgten, oder bei internationalen Klimazielen von der EU oder dem Intergovernmental Panel On Climate Change (IPCC). Sie alle berufen sich auf Vorgaben der World Meteorological Organization (WMO).

„Die Messmethode ist weltweit standardisiert. Da gibt es ganz genaue Vorgaben, wie gemessen werden muss: Zwei Meter Höhe über dem Boden, beschattet und belüftet", erklärt Thomas Wostal von GeoSphere Austria gegenüber ORF.at. „Damit sind die Werte weltweit vergleichbar, egal, ob es die Wüste Gobi ist, die Antarktis oder Neusiedl am See.“

Wetterstation am Pitztaler Gletscher
ORF.at/Christian Öser
Lufttemperatur-Messstationen erkennt man an den klassischen weißen Häuschen

Man verwende für Prognosen fast ausschließlich die Lufttemperatur als Messgröße. Messungen in fünf, zehn, 20 und 50 Zentimeter im Boden gebe es auch. Das seien aber "Spezialanwendungen, die zum Beispiel für Straßendienste oder die Landwirtschaft wichtig sind.“ Wo eine Messung über die für Lufttemperatur notwendigen Stationen nicht möglich ist, wie etwa am offenen Meer, erfolgt sie über Satelliten – hierbei wird dann die Temperatur der Oberfläche erfasst.

Aufregung über ESA-Posting „nicht notwendig“

Dass das ESA-Posting derart für Aufregung gesorgt hat, kann Wostal in der Form nicht nachvollziehen. „Der erste Teil des Postings war völlig klar und bezog sich auf die Lufttemperaturen.“ Bei dem zweiten Teil wurde eine drei Tage alte Satellitenkarte gezeigt, die sich auf die Bodentemperaturen bezogen und damit für Verwirrung gesorgt habe, räumt Wostal ein.

"Aber bei der Kernaussage, dass es bis zu 48 Grad bekommen kann, wurde nie etwas vertauscht mit Luft- oder Bodentemperaturen. Und die Prognose war richtig: Fünf Tage später gab es bereits bis zu 46 Grad und am 24. Juli 48,2 Grad auf Sardinien und 47,8 Grad auf Sizilien.“ So berichtete der Wetterdienst Meteo-France am 25. Juli von neuen Höchstwerten im Mittelmeer-Raum: In Italien, Spanien und Griechenland seien Werte von über 45 Grad Celsius, auf Sardinien sogar über 48 Grad Celsius gemessen worden.

Auch dass Temperaturprognosen sich nicht immer auf den Grad genau bewahrheiten, sei kein Grund, die Aussagekraft der Werte infrage zu stellen. „Es kann schon sein, dass Prognosen um plus/minus ein Grad schwanken. Aber ob man 46 oder 48 Grad misst, ist bei so einer Hitze eigentlich egal – wir reden hier von neuen Rekorden“, so Wostal. „Beispielsweise in Katalonien in Spanien wurden bis heuer noch nie mehr als 45 Grad gemessen, in diesem Juli war das dann gleich an mehreren Wetterstationen der Fall.“

Prüfung der Station nach Temperaturrekord

Zudem werden die Stationen standardmäßig regelmäßig gewartet und deren Daten durchlaufen eine Qualitätsprüfung, so der Hinweis der ORF-Wetterredaktion. Wird an einer Station ein neuer Temperaturrekordwert gemessen, wird die Anlage vor der offiziellen Bestätigung des Temperaturrekordes noch einmal auf ihre korrekte Funktionsweise und die Wahrung der örtlichen Umgebungsbedingungen geprüft.

Anschließend geht der Temperaturwert in die global vernetzten Datenbanken ein und kann wie auch alle anderen Messdaten von den Wetterdiensten weltweit abgerufen werden. Natürlich sei es aber generell sinnvoll, die Datenquelle bei Medienberichten zu neuen Höchstwerten immer zu überprüfen und sicherzugehen, dass diese auch valide sind.

Auch bei Wetterapps müsse man sich bewusst machen, „dass diese Apps einen groben Trend anzeigen“. Man solle sie daher auch „hinterfragen und auch selber in den Himmel schauen“, sagt Wostal von der GeoSphere Austria. Viele Apps würden auf einem amerikanischen Modell basieren, weil dieses kostenlos verfügbar sei. In Österreich sei das aber wegen der Berge oft schwierig. „Es gibt viel Interpretationsspielraum bei den Symbolen in der App, und je weiter es in die Zukunft geht, umso unsicherer ist die Prognose.“