Martin Walser
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1927–2023

Martin Walser ist tot

Der deutsche Schriftsteller Martin Walser ist tot. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) und das ZDF unter Berufung auf Vertraute berichtete, ist er in der Nacht auf Freitag im Alter von 96 Jahren gestorben. Walser stieg zu den bedeutendsten und streitbarsten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur auf. Sein Werk ist vielseitig, umfangreich und umstritten.

Geboren wurde Walser 1927 im bayrischen Wasserburg. Schon als Zwölfjähriger soll er erste Gedichte geschrieben haben, nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er unter anderem Literaturwissenschaft. Seinen ersten Erzählband „Ein Flugzeug über dem Haus“ veröffentlichte er 1955, den ersten Roman „Ehen in Philippsburg“ 1957 – in den Jahren darauf folgten unzählige Werke.

Walsers erfolgreichstes Buch wurde der 1978 erschienene Bestseller „Ein fliehendes Pferd“, auch der „Tod eines Kritikers“ 2002 war ein Publikumserfolg. Mit dem Werk, das als Abrechnung mit dem inzwischen gestorbenen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki verstanden wurde, entfachte er – einmal mehr – eine Debatte.

Dichtes Werk eines Literaten

In den Jahrzehnten seines Schaffens wuchs sein Werk auf zwei Dutzend Romane, zahlreiche Novellen und Geschichtensammlungen, eine Vielzahl von Theaterstücken, Hörspielen und Übersetzungen sowie Aufsätze, Reden und Vorlesungen an. „Ein titanisches Werk“, sagte Literaturkritiker Denis Scheck einst über Walsers Wirken als Autor.

Dazu passt auch der Ort, an dem Walsers gesamtes Material seit Anfang 2022 aufbewahrt wird. Im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar befinden sich die rund 75.000 handschriftlichen Seiten in Gesellschaft von Manuskripten von Friedrich Schiller, Friedrich Hölderlin, Franz Kafka und Hermann Hesse.

Schriftsteller Martin Walser gestorben

Der deutsche Schriftsteller Martin Walser ist in der Nacht auf Freitag im Alter von 96 Jahren gestorben. Seine Bücher haben von „Ein fliehendes Pferd“ bis „Tod eines Kritikers“ literarisch sowie politisch stets für Aufsehen gesorgt. Walser gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

„Aber es nützte nichts“

Auch wenn sich Walser darüber hinaus schriftlich und mündlich äußerte, stießen seine Worte oft auf große Resonanz – etwa als er der damaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel mehrfach Schönheit attestierte: „Bei Frau Merkel werden wir Zeuge, wie Geist und Natur zusammenfinden, und eben deshalb ist sie schön.“

Es gebe immer wieder Themen, „da kann ich nicht schlafen, wenn ich mich nicht dazu verhalten habe“, sagte Walser einmal. „Ich habe zwar auch Literatur und Philosophie studiert. Und trotzdem war ich dem Aktuellen ausgesetzt und dem Zwang, reagieren zu müssen. Obwohl ich mir doch mit Franz Kafka hätte sagen müssen: Ist doch alles unwichtig. Aber es nützte nichts.“

Kritik wegen Rede 1998

Eine der größten Kontroversen löste seine umstrittene Rede zur Verleihung des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1998 in der Frankfurter Paulskirche aus. Walser hatte damals von der „Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken“ gesprochen. „Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung.“

Für seine Worte erntete der Schriftsteller heftige Kritik – es entbrannte eine monatelange Diskussion über den Umgang mit der NS-Vergangenheit in Deutschland. Walser selbst war immer wieder mit Antisemitismusvorwürfen konfrontiert. Im Sammelband „Unser Auschwitz“ (2015) dokumentierte Walser seine lebenslange Auseinandersetzung mit der deutschen Schuld.

Viele Kritiker und Kritikerinnen sahen in dem Buch das Umdenken eines alternden Schriftstellers oder gar den Versuch einer Rehabilitierung. „Ich finde das absurd“, sagte er nach Erscheinen des Buchs. „Entschuldigung, Rehabilitation, was heißt denn das? Das heißt, irgendein Verbrecher muss rehabilitiert werden. Da sieht man den leichtfertigen Umgang mit Fremdwörtern.“