Drei Viertel der gesamten Tigerpopulation leben derzeit in Indien. Bereits im April hatte die Regierung nach Auswertung einer kamerabasierten Zählung erklärt, dass 3.167 Tiger in Indien lebten – damit wurde erstmals seit eineinhalb Jahrzehnten die Marke von 3.000 dieser Großkatzen wieder überschritten.
Die neue, aktuelle Auswertung dieser Zählung gab nun die tatsächliche Zahl der Tiger mit 3.682 an – ein kleiner Bestand im historischen Vergleich. Schätzungen zufolge lebten in Indien zum Zeitpunkt seiner Unabhängigkeit von Großbritannien 1947 rund 40.000 Tiger.
Lebensraum drastisch eingeschränkt
Der Bestand ging drastisch zurück – bis auf rund 1.400 Mitte der 2000er Jahre. Ursachen sind – wie in anderen asiatischen Staaten auch – die Abholzung von Wäldern, Wilderei und illegaler Handel mit den Wildtieren sowie die Einschränkung des Lebensraums durch den Menschen. Innerhalb der vergangenen 100 Jahre schrumpfte der Lebensraum der Tiger laut WWF um rund 95 Prozent.
Gab es weltweit Anfang des 20. Jahrhunderts noch 100.000 Tiger, ging ihre Population 2010 auf ein historisches Tief von 3.200 zurück. In diesem Jahr unterzeichneten 13 Staaten, darunter Indien, Bhutan, Russland und China, ein Abkommen mit dem Bekenntnis, die Zahl der Großkatzen bis ins chinesische „Jahr des Tigers“ 2022 zu verdoppeln.
20.000 Tiger in Gefangenschaft
Weltweit leben derzeit etwa 20.000 Tiger in Gefangenschaft und inzwischen wieder rund 4.500 in freier Wildbahn. Eine Verdoppelung dieser Population ist bisher zwar nicht gelungen, stellte die Naturschutzorganisation WWF fest, aber aufgrund von Schutzprogrammen machten sich Fortschritte bemerkbar. Diese seien allerdings fragil, da die Schutzgebiete sehr zersplittert seien.
Eine positive Entwicklung zeigt sich auch in dem Himalaya-Königreich Bhutan. Seit der letzten Zählung von 2015 stieg die Tigerpopulation hier um 27 Prozent (28 Tiger) an. Bei der aktuellen Studie wurden 85 Prozent des Landes einbezogen, beteiligt war die Forst- und Parkbehörde der Regierung sowie mehrere Umweltorganisationen, darunter auch der WWF. Die Organisation führt die Erholung der Tiger in freier Wildbahn auf eine bessere Strafverfolgung, kommunale Schutzprogramme und einen konsequenten Schutz der natürlichen Lebensräume zurück.
„Mehr Tiger, potenziell mehr Konflikte“
Den größten Erfolg erzielte bisher Nepal. Hier verdreifachte sich die Zahl der Tiger zwischen 2009 und 2022. Auch in Russland verdoppelte sich der Bestand des Sibirischen Tigers. Rückschläge gibt es hingegen in Malaysia. In vielen Ländern fehlen zudem das Monitoring und Zählungen, so der WWF. In Kambodscha, Laos und Vietnam gilt der Tiger als ausgestorben.
Der WWF stuft Wilderei nach wie vor als problematisch ein. Bedroht seien die Tiger neben Leoparden und anderen Großkatzen durch Gewehre, aber auch Drahtschlingenfallen. Dafür sei eine enge Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung notwendig, um Mensch-Tier-Konflikte aus dem Weg zu räumen.
WWF-Tiger-Experte Markus Radday erwartet sich mehr Herausforderungen, wenn die Zahl der Tiger zunimmt: „Mehr Tiger bedeuten natürlich auch potenziell mehr Konflikte.“ Durch die Abholzung der Wälder liegen Siedlungen teils sehr nahe am Lebensraum der Tiere. Es sei daher entscheidend für den langfristigen Erfolg des Tigerschutzes, die Sorgen und Nöte der Bevölkerung ernst zu nehmen. Radday schlägt dafür auch eine Entschädigung für gerissene Nutztiere vor, wie das in Indien bereits der Fall ist.