ECOWAS-vorsitzender Bola Ahmed Tinubu
APA/AFP/Kola Sulaimon
Nach Putsch

Partner isolieren Niger und drohen mit Gewalt

Nach dem Militärputsch in Niger wird das Land von seinen Partnern in der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) isoliert. Die ECOWAS-Staaten drohten den Putschisten mit dem „Einsatz von Gewalt“. Alle Handels- und Finanzbeziehungen zum Mitgliedsland Niger würden ausgesetzt, teilte die Staatengemeinschaft am Sonntag nach einem Krisengipfel im Nachbarland Nigeria mit.

Das Vermögen der Republik Niger bei Zentralbanken von ECOWAS-Mitgliedern werde eingefroren. Gegen die Putschisten würden Finanz- und Reisesanktionen verhängt. Die Teilnehmer des Gipfels in der nigerianischen Hauptstadt Abuja forderten eine unverzügliche Wiedereinsetzung des von Militärs gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum. Der ECOWAS gehören insgesamt 15 Staaten an.

Nigrische Militärs hatten am Mittwoch den seit 2021 amtierenden Präsidenten Bazoum festgesetzt. Am Freitag erklärte sich der Chef der Präsidentengarde, General Abdourahamane Tchiani, zum neuen Machthaber. Er rechtfertigte den Umsturz mit einer seinen Angaben zufolge unter Bazoum erfolgten Verschlechterung der Sicherheitslage.

„Fest entschlossen, Heimatland zu verteidigen“

Die Militärjunta in Niger warnte die afrikanischen Nachbarländer nun im Vorfeld des Treffens vor einer militärischen Intervention. Bei dem Treffen der ECOWAS und anderer afrikanischer Länder solle ein Angriff beschlossen werden, sagte der Sprecher der Militärregierung, Amadou Abdramane, am Samstagabend im staatlichen TV.

„Wir möchten ECOWAS oder andere Abenteurer noch einmal daran erinnern, dass wir fest entschlossen sind, unser Heimatland zu verteidigen.“ Die am Freitag nach dem Sturz von Präsident Bazoum selbst ernannte Militärregierung rief zudem die Bürger der Hauptstadt Niamey zu Protesten gegen ECOWAS auf.

Nigerianischer Oberst Amadou Abdramane hält TV-Ansprache
APA/AFP/ORNT – Télé Sahel
Luftstreitkräfteoberst Abdramane gab am Mittwoch im TV gemeinsam mit weiteren Putschisten die Machtübernahme bekannt

Proteste vor französischer Botschaft

Am Sonntag versammelten sich Tausende Pro-Junta-Demonstranten vor der französischen Botschaft in der nigrischen Hauptstadt Niamey. Wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, versuchten einige der Demonstranten, in die Botschaft einzudringen. Sie wurden von Einsatzkräften mit Tränengas auseinandergetrieben.

Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hatte infolge des Staatsstreichs in Niger am Samstag die Entwicklungs- und Finanzhilfen für das Land ausgesetzt. Ein Schild mit der Aufschrift „Botschaft Frankreichs in Niger“ wurde laut dem AFP-Korrespondenten abgerissen und durch nigrische und russische Flaggen ersetzt. Einige Demonstranten riefen „Lang lebe Russland“, „Lang lebe Putin“ und „Nieder mit Frankreich“.

Junta-Anhänger attackieren die französische Botschaft in Niamey, Niger
Reuters/Souleymane Ag Anara
Anhänger der Junta attackierten die französische Botschaft in der Hauptstadt Niamey

Macron warnt vor Angriffen

Der französische Präsident Emmanuel Macron warnte infolge mit scharfen Worten vor Angriffen auf die französischen Institutionen sowie Bürger und Bürgerinnen in dem westafrikanischen Land. Macron werde „keinen Angriff gegen Frankreich und seine Interessen dulden“, hieß es am Sonntag aus dem Elysee-Palast.

Jeder, der französische Staatsangehörige angreife, „wird mit einer sofortigen und unerbittlichen Reaktion Frankreichs rechnen müssen“. Frankreich unterstütze gleichzeitig „alle regionalen Initiativen“, die auf die „Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung“ in dem westafrikanischen Land und die Rückkehr des von Putschisten festgesetzten Präsidenten Bazoum abzielten.

AU-Appell an Militärs

In einer ersten Reaktion nach dem Putsch hatten die ECOWAS-Länder diesen verurteilt und die Freilassung des festgesetzten Präsidenten gefordert. Bazoum war der erste Staatschef des seit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft im Jahr 1960 unabhängigen Niger, der durch eine friedliche Machtübergabe auf den Posten gelangt war.

Am Freitag hatte die Afrikanische Union (AU) an die nigrischen Militärs appelliert, innerhalb von 15 Tagen die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen und in ihre Kasernen zurückzukehren. Was nach Ablauf des Ultimatums geschehen soll, ließ die AU offen.

Eines der ärmsten Länder der Welt

Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt und erhält nach Angaben der Weltbank jährlich fast zwei Milliarden Dollar Entwicklungshilfe. Die EU und Frankreich haben die finanzielle Unterstützung bereits eingestellt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Samstag, die EU „erkennt die Putschbehörden nicht an und wird sie auch nicht anerkennen“. Die EU setzte zudem „jede Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich (…) mit sofortiger Wirkung und auf unbestimmte Zeit“ aus.

Die USA drohen, die finanzielle Unterstützung ebenfalls zu kappen. Washington sagte dem festgesetzten Präsidenten Bazoum „unerschütterliche“ Unterstützung zu. Niger war bisher Partner der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich sowie anderer europäischer Staaten und der USA bei der Bekämpfung islamistischer Extremisten in der west- und zentralafrikanischen Sahelzone.

Lufansicht von Niamey, Niger
Reuters/Souleymane Ag Anara
Geld erhält das Land von der EU nicht mehr, auch die USA überlegen einen Zahlungsstopp

Experte: Folgen für Europa möglich

Der Putsch könnte schwerwiegende Folgen für die Strategie Europas zur Eindämmung der Migration über das Mittelmeer haben, sagte der Regionalbüroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing, der dpa am Sonntag. „Ohne den Niger wird die Strategie (…) zusammenbrechen“, so Laessing. Vorherige Vereinbarungen seien weitgehend wirkungslos, wenn die neue Militärjunta in Niger die Kooperation nicht fortsetze.

Niger ist eines der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten, die sich auf den Weg in Richtung Europa machen. Seit seinem Amtsantritt im April 2021 war Bazoum ein wichtiger Verbündeter der EU. Die EU kooperiert mit Niger bereits seit 2015, vor allem um die kritische Migrationsroute von der nigrischen Wüstenstadt Agadez nach Libyen zu blockieren.

Die nigrische Polizei wurde mit Hilfe der zivilen Aufbaumission EUCAP Sahel Niger besser ausgebildet. Zudem verabschiedete Niger ein Gesetz, das den Schmuggel von Migranten von Agadez durch den Sahel bis zur Grenze mit Libyen unter Strafe stellt. Seitdem seien die Migrantenzahlen Richtung Libyen zurückgegangen, sagte Laessing.