Frachter im Hafen von Triest
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Ausstieg offiziell

Italien verlässt Chinas „Seidenstraße“

Italien will sich bis Ende dieses Jahres aus einem umstrittenen Investitionspakt mit China, der „Seidenstraße“-Initiative, zurückziehen. Das bestätigte der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto laut Medienangaben vom Sonntag. Italien war 2019 die erste große Industrienation, die sich Chinas milliardenschwerem Investitionsprogramm anschloss.

„Die Entscheidung, sich der Seidenstraße anzuschließen, war eine improvisierte und verheerende Initiative der Regierung von Giuseppe Conte. Heute geht es darum zurückzurudern, ohne die Beziehungen zu beschädigen. Denn China ist zwar ein Konkurrent, aber es ist auch ein Partner“, sagte Crosetto.

Vor ihrem Wahlsieg im September hatte Regierungschefin Giorgia Meloni erklärt, dass sie die Initiative nicht weiterverfolgen werde. Schon im Mai hatten italienische Medien berichtet, die Regierung plane den Ausstieg. Bei ihrem Besuch bei US-Präsident Joe Bilden vor wenigen Tagen war spekuliert worden, der Ausstieg könnte bei dieser Gelegenheit verkündet werden.

Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto
Reuters/Jonathan Ernst
Meloni bei Biden

Aufforderung der USA

Die wachsenden Spannungen zwischen Peking und Washington, sowohl wegen Chinas Nähe zu Russland als auch wegen Chinas Taiwan-Politik, würden es zu riskant machen, sich wirtschaftlich mit der asiatischen Macht zu verbinden, verlautete aus Rom.

Medienberichten zufolge hatten die USA Rom ausdrücklich aufgefordert, zu dem Investitionspakt, der 2019 von der Vorgängerregierung um Premier Conte abgeschlossen worden war, Stellung zu beziehen. Für Italien ist der Rückzug jedenfalls heikel. Auch wenn konkrete Projekte bisher Mangelware sind, werden wirtschaftliche Vergeltungsmaßnahmen aus Peking befürchtet.

Eisenbahnlinien, Straßen und Seeverbindungen

Mit dem 2013 verkündeten „Seidenstraßen“-Projekt knüpft China an die historische Handelsroute aus der Antike und dem frühen Mittelalter an. Die Volksrepublik plant dabei den Bau von Eisenbahnlinien, Straßen und Seeverbindungen, die nach den Vorstellungen der Pekinger Führung den Handel innerhalb Asiens sowie mit Europa und Afrika ankurbeln sollen. Kritiker aus dem Westen befürchten, dass China damit lediglich seinen Einfluss auf die Weltwirtschaft ausweiten will.

Frachtzug in Horgos, China
picturedesk.com/Wang Fei Xinhua
Zug in Korgas, einem Logistik- und Handelsknotenpunkt der „Seidenstraße“

Partnerländer in der Schuldenspirale

Allerdings läuft das Projekt auch für China nicht unbedingt nach Plan: Eine im März veröffentlichte Studie ergab, dass mehr und mehr Schwellen- und Entwicklungsländer, die von der Volksrepublik für den Bau von Infrastruktur Kredite aufgenommen haben, diese nicht mehr planmäßig bedienen können.

Laut der Studie des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW) in Deutschland mit AidData, der Harvard Kennedy School und der Weltbank sind mit Stand Ende 2022 60 Prozent aller chinesischen Auslandskredite von einem Zahlungsausfall bedroht.

Um Ausfälle zu verhindern, vergibt China laut der Studie Notkredite in großem Stil. Bis Ende 2021 zählten die Autoren 128 Rettungsdarlehen an 22 Schuldnerländer im Gesamtwert von 240 Milliarden US-Dollar (218 Mrd. Euro). Dabei handelt es sich den Angaben zufolge zumeist um Refinanzierungskredite – also die Verlängerung von Laufzeiten oder Zahlungszielen – sowie um die Vergabe neuer Kredite zur Finanzierung fälliger Schulden.