Salzburg: Hanekes „Amour“ im Patchwork-Theater

Aus einem Michael-Haneke-Film ein Theaterstück zu machen, zumal aus einem, der in Cannes die Goldene Palme gewonnen hat, ist ein delikates Unterfangen. Doch wenn es um die Frage der Liebe in Zeiten gegenseitiger Pflege geht, liefert die Vorlage Hanekes einen mehr als starken Ansatz.

In Salzburg konnte man gestern Abend bei den Festspielen den Versuch der renommierten Regisseurin Karin Henkel am Landestheater erleben, aus einem lakonischen Film eine Bühnenversion zu zimmern. Das Ergebnis war ein Theaterstück, das zwischen einem bisschen Brecht und einem „Sehr viel“ von erzählerischen Mitteln oszillierte.

Schonungslos und unsentimental

So wurde gegen die Vorlage auf der Bühne viel kommentiert und gespiegelt, mit einer Phalanx an Symbolik gearbeitet, dass man darin viel erkennen mochte – bloß nicht eine Filmvorlage von Haneke, der ja die Überforderung eines alten Liebespaares im Moment, wo einer zum Pfleger des anderen wird, recht schonungslos und unsentimental in einem immer enger werdenden Bildzuschnitt in den Blick nimmt.

Szenenbild mit Andre Jung aus „Amour“
SF / Matthias Horn
Andre Jung bleibt in dieser Inszenierung unter seinen Möglichkeiten

Hanekes Film auf die Bühne zu bringen hieße entweder einem heiklen Minimalismus zu frönen – oder aber so wie hier überauszudeuten und die Überausdeutung wieder mit den Kommentarmitteln aus der Theatertradition zu unterlaufen, damit es am Ende doch nicht plump aussieht.

Die Unrettbarkeit des Unterfangens

So nimmt man die Vorlage und sagt bewusst: Hier haben wir verändert. Dennoch helfen auch die aufgestellten roten Golfplatzfähnchen als Veränderungsmarker nicht darüber hinweg, dass hier ein Stück mit dem Einsatz viel zu vieler theatraler Mittel schlicht plattgedrückt wird.

Die zu pflegende Frau wird gedoppelt (etwa durch Katharina Bach), gespiegelt, mit einem Ich aus der Kindheitsperspektive gekontert, das zugleich einen Hauch episches Theater hineinbringt. Die eingesetzte Pflegerin und der Pfleger im Stück sollen an die Maschinerie des Kosmos der Pflege erinnern.

Zugleich sind sie Zugriffe des Slapsticks auf das Drama, wenn die verschiedenen Pflegeutensilien so ausgestellt werden, dass sie auf die Absurdität – und damit die Unrettbarkeit des Unterfangens verweisen.

Die Unrettbarkeit, sie ist vielleicht das zentrale Scharnier zwischen Film und Stück. Andre Jung in der Rolle des Georges (im Film gespielt von Jean-Louis Trintignant) verkörpert das Moment dieser Unrettbarkeit überzeugend. Im Wirrwarr der Erzählzugänge bleibt sein Können aber ebenso unter der Flughöhe wie der anderen Teile des Ensembles der Münchner Kammerspiele, die hier Koproduktionspartner sind.

Zu viele Absichten auf einer kargen Vorlage

Dass in der Mitte noch die Angehörigen und Betroffenen von schweren Krankheitsfällen ihre Erfahrungen mitteilen, soll das Stück mit Bedeutung, aber auch dem Relais zur Realität aufladen. Alleine, es funktioniert für die Kohärenz des Stücks nicht. Haneke hat ein filmisches Kammerspiel geschaffen. Hier ist man in einem Theaterabend der berechtigten guten Absichten.

Szenenbild aus „Amour“
SF / Matthias Horn
Aus dem Kammerstück Hanekes wird ein Viel-zu-viel der Theateranwendungen

Ein Auftragsstück zu diesem Thema hätte wahrscheinlich mehr geholfen als dieses Sich-Abarbeiten an einer schwierigen filmischen Vorlage. Was am Ende den Verdacht nährt, dass es doch auch um die öffentlichkeitswirksame Pointe geht, aus einem Haneke-Stück zu einem wichtigen Thema ein Theaterstück geschaffen zu haben. Bloß: Das ist Öffentlichkeitsarbeit – und eben noch nicht gelungenes Theater.

So war man Teil eines Theaterabends der verpassten Chancen. Leider, muss man angesichts der Bedeutung des Themas sagen; und des nachweislichen Könnens von Regie und Ensemble.

Mehr zu den bisherigen Premieren der Salzburger Festspiele und zum Verhältnis der Festspiele zur Politik in topos.ORF.at