Pensionistin blickt auf ein Tablet
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Altersarmut bei Frauen

Ursachen der Pensionslücke

Besser als vergangenes Jahr, aber weiterhin mit einer tiefen Kluft: Der Equal Pension Day fällt heuer auf den 4. August, das bedeutet, dass Männer an diesem Tag im Schnitt bereits so viel Pension bekommen haben wie Frauen im ganzen Jahr. Die Gründe für die Pensionslücke sind vielschichtig. Wie man Altersarmut bei Frauen reduzieren kann, sorgt nicht nur in der Koalition für Debatten. Expertinnen sprechen sich im Gespräch mit ORF.at für rasche Maßnahmen aus.

„Der Pension Gap ist in Österreich sehr hoch – wir sind in der EU Spitzenreiter im negativen Sinn“, sagt WIFO-Ökonomin Christine Mayrhuber gegenüber ORF.at. EU-weit lag die Pensionslücke in den letzten Jahren durchschnittlich bei 30,3 Prozent, Österreich gehört somit laut Eurostat mit einer Lücke von 35,5 Prozent zu den Ländern mit den höchsten Pensionsunterschieden zwischen Männern und Frauen. „Das liegt an Ungleichheiten am Erwerbsarbeitsmarkt, sowohl bei Einkommen als auch bei der Versicherungsdauer.“

Die Einkommenshöhe habe jedoch den größeren Effekt auf die Pensionslücke. Diese entstehe eben nicht nur durch den hohen Anteil an Frauen in Teilzeit – 2022 wurde laut Statistik Austria erstmals die 50-Prozent-Marke überschritten – sondern vor allem durch Vollzeitjobs im Niedriglohnsektor. Innerhalb der Branche sehe man klar segmentierte Einkommenssektoren. „Typische Frauenjobs“, etwa im Hotel- und Gastgewerbe, aber auch im Handel, hätten ein „total niedriges Lohnniveau“.

Auch der geringe Versicherungsfaktor spiele eine Rolle. „Frauen sind länger im Ausbildungssystem, steigen später ins Erwerbsleben ein und haben dann viel stärkere Erwerbsunterbrechungen als Männer.“ Oft handle es sich um eine „Spirale“, sagt auch Pia Zhang von der Arbeiterkammer Wien. „In der Partnerschaft entscheidet man sich dazu, dass die Person zu Hause bleibt, die weniger verdient – das ist dann oftmals die Frau. Oft ist es eine zwangsweise Freiwilligkeit.“

Equal Pension Day

Der Equal Pension Day markiert in Anlehnung an den Tag der Lohngerechtigkeit jenen Tag, an dem Männer bereits so viel Pension erhalten haben, wie Frauen erst bis Jahresende erreicht haben werden. Heuer fällt er auf den 4. August, vergangenes Jahr auf den 3. August.

Freiwilliges Pensionssplitting kaum genutzt

Abgeändert werden kann die Pensionsbilanz durch die Berücksichtigung von Teilversicherungszeiten wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Kindererziehung, Pflege. 2005 wurde zudem ein freiwilliges Pensionssplitting eingeführt, bei dem der erwerbstätige Elternteil die durch Kindererziehung entstehenden finanziellen Verluste des erziehenden Elternteils zumindest teilweise kompensieren kann.

Diese Möglichkeit wird aber kaum in Anspruch genommen: Beim Pensionsversicherungsträger (PVA) wurden im Jahr 2021 laut Informationen des Sozialministeriums insgesamt 992 Erledigungen von Pensionssplitting registriert. Von diesen Erledigungen entfielen 977 (98,5 Prozent) auf Frauen und 15 (1,5 Prozent) auf Männer.

Gesetz zu Automatisierung lässt auf sich warten

Im „Kampf gegen Altersarmut“ und für eine „nachhaltige Finanzierung des Pensionssystems“ will die ÖVP-Grünen-Regierung in der aktuellen Legislaturperiode das Pensionssplitting verpflichtend einführen. Konkret sollen Teile der Kontogutschrift des Erwerbstätigen bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes gesplittet werden können. Auch eine einmalige Opt-out-Möglichkeit und „faire Lösungen“ für Patchworkfamilien sind in der geplanten Maßnahme vorgesehen, die sich auch im Österreichischen Aufbau- und Resilienzplan 2020-2026 findet.

Das entsprechende Gesetz lässt allerdings noch auf sich warten. Für die Umsetzung sei der Sozialminister zuständig, ein „entsprechender Entwurf“ liege bereits seit Langem bei ihm bzw. seinen Vorgängern, heißt es auf Anfrage von ORF.at aus dem Büro von Frauen- und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP). Persönlich fände diese es „schade und sehr bedauerlich für die betroffenen Frauen, dass hier so lange nichts weitergeht“. Der Stellenwert des automatischen Pensionssplittings im Kampf gegen Altersarmut bei Frauen sei hoch.

Grüne: Splitting „keine ausreichende Maßnahme“

Anders sieht das der grüne Koalitionspartner. So verweist das von Johannes Rauch geführte Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gegenüber ORF.at darauf, dass ein automatisches Pensionssplitting für sich alleine keine ausreichende Maßnahme zur Bekämpfung von Altersarmut sei. In erster Linie brauche es verbesserte Erwerbschancen von Frauen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, weniger Teilzeit und mehr Kinderbetreuungsplätze sowie verpflichtende Lohntransparenz und partnerschaftliche Elternteilzeitmodelle.

Auch die schrittweise Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters von Frauen bis Ende 2030 soll dazu beitragen, die Pensionslücke zu verringern. Ein finaler Gesetzesentwurf für ein automatisches Pensionssplitting liege noch nicht vor, da seitens des Sozialministeriums noch die Umsetzungsmöglichkeiten geprüft werden. Anschließend sollen die entsprechenden Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung aufgenommen werden.

Auch die SPÖ forderte anlässlich des Gender Pension Day weitere Maßnahmen wie eine verpflichtende Lohntransparenz und einen Arbeitsmarktschwerpunkt für Frauen über 50 Jahren. FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker sagte, es sei längst überfällig, dass Care-Arbeit aufgewertet und für die Pension angerechnet werde. NEOS fordert zudem einen Rechtsanspruch auf einen „qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag“ und mehr Anreize für Väter, in Karenz zu gehen und sich an der Kindererziehung zu beteiligen.

Älteres Paar wandert
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Im Alter sind Frauen häufig auf die höhere Pension ihres Partners angewiesen

WIFO: Altersarmut passiert bereits

Dass es sowohl kurz- als auch langfristige Maßnahmen brauche, betont auch Mayrhuber vom WIFO. „Altersarmut ist etwas, das jetzt passiert“, so die Ökonomin. In Österreich seien alleinlebende Frauen im Pensionsalter zu 26 Prozent armutsgefährdet, höher sei die Armutsgefährdung bei den Ein-Eltern-Haushalten und den Mehrpersonenhaushalten mit drei und mehr Kindern. Laut AK haben die Anrufe von Pensionistinnen, die nach Möglichkeiten des Zuverdienstes fragen, wegen der aktuellen Teuerung zugenommen.

Das Pensionssplitting sei allerdings etwas, das erst in Zukunft wirken würde, so Mayrhuber. „Das trifft Menschen, die noch im Arbeitsmarkt stehen, Kinder haben oder haben werden. Hier geht es um ganz verschiedene Gruppen.“ Die Grenze des Ausgleichszulagenrichtsatzes an die Schwelle der Armutsgefährdung heranzuziehen sei sinnvoll, auch Lohntransparenz sei ein wichtiges Schlagwort. Hier hätten Unternehmen eine Bringschuld, und auch Schulen müssten Einkommensperspektiven bei Jobs mehr thematisieren.

Zudem bedeute das Pensionssplitting lediglich eine Umverteilung der Ressourcen innerhalb eines Haushaltes. „Wenn Haushalte mit zwei Einkommen, bei denen es bereits knapp ist, über die Runden zu kommen, altern und einen geringen Pensionsanspruch haben, bringt das Splitting keine Besserstellung“, so Mayrhuber. „Bei hohen Einkommensasymmetrien, wo zum Beispiel ein hohes Einkommen des Mannes auf ein geringes Einkommen der Frau trifft, würde Splitting zu Besserstellung führen.“

Kind bei Splitting „mehr wert, wo Partner mehr verdient“

Im Moment sei durch den einheitlichen Satz bei der Berücksichtigung der Kindererziehungszeit bis zum vierten Lebensjahr sichergestellt, dass „jedes Kind gleich viel wert ist“, so Mayrhuber. „Das ist vom Umverteilungskonzept sehr positiv. Beim Pensionssplitting ist das aber ganz anders: Hier ist ein Kind dort viel wert, wo ein Partner viel Geld verdient.“

Auch Zhang von der Arbeiterkammer bewertet die Anrechnung der Kindererziehungszeiten positiv und sieht hier mehr Potenzial. „Dass 1993 die Anrechnung der Kindererziehung für die Pension verbessert wurde und allen Frauen maximal vier Jahre Kindererziehung pro Kind angerechnet wurden, hat statistisch wirklich zu einem Riesensprung geführt.“

Würde man dieses Modell ausdehnen, würde man auch gesellschaftspolitisch Wertschätzung für Familienarbeit signalisieren. „Und dann wäre es vielleicht auch so, dass sie partnerschaftlich aufgeteilt und die Väterbeteiligung verbessert wird.“ Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, anstatt das Problem durch Pensionssplitting in den privaten Bereich zu verschieben.